Fünfzehn

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In der Kantine setzte ich mich zu Raven, an den leeren Tisch im hintersten Ecken. Niemand beachtete ihn, genauso wenig wie sie.

Sie aß nicht, beschäftigte sich stattdessen damit in ihr Notizbuch zu schreiben. Sie mochte es, ihre Gedanken festzuhalten, hatte sie mir einst erzählt.

Ich sparte mir die Frage, ob sie nicht hungerte. Denn sie aß relativ wenig und sehr ungerne in der Nähe von anderen Menschen. Ich empfand dies als merkwürdig, allerdings war mir längst bewusst, wie abnormal Raven doch war.

„Moon?" Sie unterbrach ihr Schreiben und hob den Kopf. Sie lächelte, was ich selbstverständlich erwiderte.

„Was ist Hoffnung für dich?", erkundigte ich mich, als wäre es die normalste Frage der Welt. Für uns beide war es dies. Sie fand es interessant darüber nachzugrübeln und ich war neugierig, was sie erwidern würde. Seit sie mich in ihre Empfindung des Hasses eingeweiht hatte, wollte ich alles ihrer Weltanschauung wissen.

Raven saß sich aufrecht hin, tippte überlegend mit dem Mienenbleistift an ihre Lippen. Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen und ihre Pupillen waren in die Leere gerichtet. Ich mochte den Ausdruck an ihr, so wie jeder andere.

„Hoffnung ist ein Verräter, eine wankende Seilbrücke bestehend aus morschem Holz und abgewetzten Seilen. Auf den ersten Blick so verlockend und sicher.

Hoffnung ist das Letzte das bleibt, das Letzte, das verblüht."

„Und Glück?"

„Glück ist überraschend. Glück ist kein Gefühl, keine Emotion.

Es kommt dann, wenn nichts mehr ist. Es ist keine Erfüllung, sondern eine Motivation. Glück ist keine Rettung, lediglich ein Antrieb."

*


Rabenschwarz - Die Existenz von NiemandWhere stories live. Discover now