Oh Tannenbaum

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Auch wenn Kelly Angst vor Ablehnung hatte musste ich nachhelfen. Mein Wunsch war es den Ort zu verlassen mit dem Wissen,  dass Valentin über Kellys Gefühle Bescheid wusste.  Meine Wut ihm gegenüber war keineswegs abgeflacht aber ich musste sie überwinden und dem wirklich wichtigen Aufmerksamkeit schenken. 

Als ich am nächsten Morgen zum Frühstück kam, herrschte bereits ein buntes Treiben. Es roch nach Gebäck und frischen Tannennadeln. Gefühlt liefen hier tausende Menschen rum und brachten allerlei Schnickschnack ins Innere des Herrenhauses. Ich weichte den herumlaufenden Weihnachtswichteln aus und ging zur Haustüre. Ein riesiger Laster stand vor dem Haus und wurde entladen. Weihnachtszeug wo man nur hinsah. Nicolas hatte wohl die Anweisung zur Vorbereitung der Gala gegeben. Stimmt, die würde ja schon in zwei Tagen stattfinden. In zwei Tagen würde ich hier rauskommen. Wenig Zeit um Kelly zu verkuppeln und Nicolas...? Ich unterbrach den Gedanken. Im Prinzip sprach doch nichts dagegen, mit Nicolas zumindest einmal ins Bett zu gehen. Danach würde ich ihn ja eh nie wiedersehen. Ich stockte wieder. Valentin war mein Schleuser, konnte ich mich überhaupt noch auf ihn verlassen?! Ich wusste, dass auch Ivan eingeweiht war. Zur Not musste ich mich auf ihn einlassen. Ich setzte mich in Bewegung und betrat das Esszimmer. Nicolas saß mit einer Zeitung am Tisch und trank Kaffee. „Guten Morgen." Sagte ich und setzte mich zu ihm. Er sah auf und nickte. 

„Hast du gut geschlafen?" wollte er wissen. 

„Sicher und du?" 

„Danke ich auch! Wie du siehst wird alles vorbereitet, damit die Gäste in einem angemessenen Umfeld feiern können...!" fing er an und faltete seine Zeitung zusammen. 

„Ja habe ich bemerkt!" meinte ich und beugte mich über den Tisch zur Kaffeekann um mir eine Tasse zu füllen. 

„Ich würde gerne meinen Teil dazu beitragen!" fuhr er fort. 

„Ok und wie?" wollte ich wissen und setzte mich mit der gefüllten Tasse auf den Stuhl hinter mir. Brauchte er meinen Rat? 

„Wie wäre es wenn wir gemeinsam den Weihnachtsbaum schmücken würden?" fragte er und wirkte dabei vorsichtig. Ich sah ihn musternd an. 

„Dürfen Valentin und Kelly auch mitmachen?" Keine Reaktion, er schien darüber nachzudenken. „Ok!" sagte er schließlich und nahm seine Tasse Kaffee in die Hand. Ich konnte mir das Grinsen nicht verkneifen. Das war eine super Gelegenheit, die beiden auf den richtigen Weg zu bringen. Das Schmücken eines Baumes konnte durchaus romantisch sein.

Nach dem Frühstück durfte ich Kelly Bescheid geben und sie informierte Valentin. Die Hemmung Valentin in ein Gespräch zu verwickeln herrschte weiterhin. Ich konnte so stur sein! 

Bevor ich jedoch ans Werk durfte, musste ich mir den Verband wechseln lassen. Aus irgendeinem Grund war Nicholas dabei. Er wirkte angespannt wie einige Tage zuvor mit Mister Lane und drückte seine Unterlippen mit dem Zeigefinger zwischen die Zähne. Mister Brown wickelte den Verband ab und musterte den Schnitt. Er war rot und erhitzt. 

„Eine kleine Entzündung ansonsten ist alles in Ordnung." Er hob seinen Blick, den er nicht an mich richtete, sondern sofort an seine Arbeitgeber. Nicholas nickte, wieder wirkten die beiden als würden sie eine Verschwörung vertuschen wollen. „Ich werde dir eine Creme auftragen und den Verband neu anlegen!" berichtete mein Gegenüber nun an mich gerichtet. 

„Ist gut..." murmelte ich nur und biss die Zähne zusammen um nicht wieder in eine Welle von Fragen zu geraten. Wir hatten einen Deal, ich würde Nicholas erst einmal nicht weiter belästigen. War im Prinzip doch eh egal. In zwei Tagen war ich hier weg. 

Gemeinsam machten der Hausherr und ich uns auf den Weg zum Kaminzimmer, dort stand der Baum und wartete darauf geschmückt zu werden. Diese Tradition war mir aus meinem alten Leben bekannt. Ich erinnerte mich daran wie meine Familie und ich gemeinsam die Tanne schmückten. Den Stern für die Spitze setzte jedes Jahr mein Vater auf. Ebenfalls eine Tradition, dann gab es ein Bild für das Erinnerungsbuch und dann wurde gegessen. Diesmal gab es keine Familie, keine Bilder. Ich linste zu Nicholas, der einige Schritte vor mir herging. Für den Moment war er alles was ich hatte. Ein Mann, den ich so gut wie gar nicht kannte und der dafür sorgen wollte, dass kein weiteres Bild in das Erinnerungsbuch geklebt wurde. Meine Gedanken schweiften zu meiner Familie. 

Sein Wort - Mein Gesetz (slow update / In der Überarbeitung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt