Ich war es mir schuldig

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Eine leise Musik weckte mich aus meinem Schlaf. Im Wohnzimmer schien jemand ein Radio angemacht zu haben, das nun die Räumlichkeiten beschallte. Gegen den Willen meiner Augenlider öffnete ich diese und stellte fest, ich war alleine in meinem Zimmer. Nur die Rotweingläser erinnerten an den gestrigen Abend. Meine Finger glitten an meine Lippen und strichen über diese. Der Kuss mit Marcus löste in mir ein seltsames Gefühl aus. Eine Mischung aus Scham und Unbehagen, die ich sicherlich den ganzen Tag mit mir herumtragen würde. Etwas glänzendes zog meine müde Aufmerksamkeit auf sich. Ich zwang meinen Körper sich aus dem Bett zu rollen und sich zum Objekt meiner Begierde zu bewegen.

„Bau keinen Mist." Stand auf einem Stück Papier geschrieben, daneben lag ein Schlüssel.  Mit großer Wahrscheinlichkeit hatte mir Marcus diesen hingelegt. Mit diesem Ding konnte ich die „Wohnung" verlassen und durch das Gebäude laufen. Er vertraute mir warum also sollte ich das nicht auch tun?! Ich ging erfreut über die Geste zur Zimmertüre und öffnete diese. Leah saß auf der Couch und strickte, dabei summte sie zur Musik.

„Guten Morgen." Begrüßte ich meine Mitbewohnerin, die munter zu mir herübersah.

„Morgen, wie hast du geschlafen?" wollte sie wissen und stellte ihre Beschäftigung ein.

„Gut, ja wirklich gut!" das war nicht mal gelogen. Die Anwesenheit von Marcus hatte mich nach langer Zeit wieder ruhig schlafen lassen.

„Hast du die Ereignisse von gestern ein wenig verdaut?" forschte die Sitzende nach und legte ihr Strickzeug neben sich. Ich nickte und ging zu dem Servierwagen, eine Kanne mit frischen Kaffee stand bereit. Vielleicht würde das Gemisch mich endlich wachmachen.

„Was strickst du?"
„Einen Schal für Sam."

„Schön." Bemerkte ich und schüttete mir etwas ein. Mit einer Tasse heißem Kaffee setzte ich mich Leah gegenüber und musterte sie, während sie die Wolle in einen Korb legte. Sie hatte wirklich schönes, seidiges Haar, tiefbrauen Augen und dieses Gewisse etwas das man ausgewählten Menschen zusprach aber nicht in Worte fassen konnte.

„Hey wenn du mich so beobachtest habe ich das Gefühl du stalkst mich!" ertappte mich Leah und grinste breit, dabei offenbarte sie mir ihre weißen, graden Zähne. An ihr schien auf den ersten Blick alles perfekt. Was hielt der zweite Blick nur bereit?

„Darf ich dich mal was fragen?"

„Na sicher."

„Du hast erzählt du wurdest so wie ich entführt... für wie lange?"

Das Thema schien Leah nach wie vor zu beschäftigen. Sie setzte sich aufrecht hin und fixierte mich.

„Es waren knapp 6 Monate...!"

„Hast du keine Gefühle zu deinem Entführer aufgebaut?"

Sie zögerte mit ihrer Antwort, fasste sich jedoch und beantwortet mir die Frage.
„Doch, ziemlich tiefe sogar. Aber was soll aus einer Gefangenschaft werden? Was soll daraus entstehen? Er hatte mir mein Leben genommen und wollte mich zwingen jemand zu sein, der ich nicht sein konnte."

„Als du geflohen bist fiel dir die Entscheidung dazu einfach?"

„Oh nein, ganz und gar nicht aber es war notwendig! Es war wichtig, dass ich das beendete als ich die Chance dazu hatte!"

„Hast du ihn vergessen?"

Sie schüttelte ihren Kopf kaum merkbar als wolle sie dies gar nicht offen zugeben. Vielleicht durfte auch sie nicht darüber reden und ich brachte sie in eine missliche Lage.

„Niemals Emily, ich werde ihn niemals vergessen. Nach der Flucht plagten mich tiefe Depressionen ich habe mir selber viel Leid angetan und war froh, dass Marcus mich immer dann aufgefangen hat wenn ich den Boden mehr unter meinen Füßen verloren hatte."

Sein Wort - Mein Gesetz (slow update / In der Überarbeitung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt