Manipulation

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Mein Weg führte mich zu Marcus Schlafzimmer. Ich hoffte dort meine Leidensgenossin zu finden. Dabei lief ich an einem Feuerlöscher vorbei, den ich von der Wand riss und mitnahm. Dadurch war ich ein Stück weit langsamer hatte aber eine Art Waffe, die ich gegen den Psychopathen einsetzen konnte. Eine Ewigkeit später erreichte ich die offene Zimmertüre und stolperte ins Innere des Raumes, der sich nicht verändert hatte. Jedoch war mein Fokus ein anderer. Zuvor war ich aus dem Umfeld geflohen und nun würde ich es konzentriert wahrnehmen. So konnte mein Bewusstsein auch die Überreste des Blutflecks auf dem Boden nicht mehr übersehen, auf dem ich stand. Schnell ging ich einen Schritt zurück und schluckte wieder schwer.
Ich hatte nichts ausrichten können. Thomas war tot. Ich versuchte die Bilder für einen Moment aus meinem Kopf zu verbannen. Ich musste Leah finden. Ich musste mich auf die Lebenden konzentrieren. Hoffentlich lebend. Ich ließ meinen Blick umher schweifen. In einer von der Dunkelheit eingenommen Ecke, erkannte ich eine Person, die sich nicht bewegte.
„Leah?" fragte ich halb so laut wie ich wollte. Doch keine Reaktion. Die Übelkeit wurde präsenter, nach all dem ging ich vom Schlimmsten aus. Ich ließ den Feuerlöscher fallen und näherte mich dem starren menschlichen Körper.
Meine Handflächen waren feucht und meine Beine weich wie Pudding .
„Bitte..." flehte ich an wen auch immer und wusste einen weiteren hoffnungslosen Verlust würde ich nicht ertragen. Ich taumelte auf sie zu und ließ mich unsanft auf die Knie fallen. Unbeholfen legte ich zwei Finger an ihre Halsschlagader und spürte einen zwar schwachen aber vorhandenen Puls. Die Erleichterung folgte umgehend. Ich ließ mich aufatmend auf den Hintern fallen und atmete tief ein, dabei legte ich den Kopf in den Nacken und schloss die Augen.
„Danke!"
Ein Klatschen ließ mich zusammenzucken.
„Dafür nicht." Hörte ich eine Person sagen.
Erschreckt drehte ich mich auf meine Knie und sah zur Türe. Marcus stand dort, gekleidet in einem sehr edlen Anzug und sah mich belustigt an. Er war von Kopf bis zu den Schuhen durchgehend passend gekleidet. Wenn man ihn so sah, glaubt man gar nicht wie abscheulich sadistisch er war. Vielleicht war das eine Eigenschaft von solchen Männern. Schließlich gehörte Nicholas ebenfalls dazu. Ich richtete mich sofort auf, hastete zwei Schritte vor um mir den Feuerlöscher zu schnappen, wich wieder zurück und fixierte mein Gegenüber. Kein noch so kleines Muskelzucken würde mir entgegen.
„Was hast du mit ihr gemacht?" schrie ich sofort los und fixierte seine Augen.
„Sie schläft nur." Antwortete er und ich glaubte ihm aus einen unerfindlichen Grund. Er mochte Leah. Ich hakte nicht mehr nach blieb starr stehen und würde sie und mich vor ihn beschützen.
„Du hast es also aus dem Zimmer geschafft..." stellte er für sich in einem höhnischen Ton fest und sah auf meine Waffe. Die ganze Situation gefiel ihm bereits jetzt. Er ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen und mich überkam ein Zweifel, der mir den Boden unter den Füßen wegzog.
War das alles doch nur eine Falle gewesen, in die ich glorreich getappt war? War ihm klar gewesen, dass ich nicht zu Nicholas rennen würde?
„Ich hatte tatsächlich gedacht du würdest länger schlafen..." meinte er weiter und löste seine Krawatte, die er sich offen um den Hals legte.
„Du bist ein Mörder!" fuhr ich ihn sofort an und hielt den Feuerlösche auf ihn gerichtet.
„Was genau soll das werden?" fragte er und kam auf mich zu.
„Bleib stehen!" schrie ich beinahe hysterisch und war bereit in komplett einzuseifen.
Er hob eine Augenbraue.
„War Thomas Tod nicht Notwehr? Wer wollte wen umbringen?" fragte er mich und sah mich an als hätte ich ihn mit dem Vorwurf hart getroffen. Ich blieb stumm und drohte ihm mit meiner Waffe, als er sich bewegte und seine Krawatte wegschmiss.
„Das vielleicht... aber Sam!" fuhr ich fort als ich meine Stimme wiederfand.
„Das war eine Notwendigkeit mehr nicht! Glaube mir, mir hat es am meisten geschmerzt!" sagte er und sah mich niedergeschlagen an.
„Du lügst..." zischte ich und kniff die Augen zusammen. Mir konnte er nichts vorspielen.
„Emily. Es tut mir leid aber wir haben noch viel vor und für weitere Spielereien keine Zeit!" sagte er schließlich und setzte sich mit schnellen Schritten in Bewegung. Ich machte meine Drohung wahr und drückte ab. Doch es passierte nichts. Ein breites Grinsen legte sich auf seine Lippen als er mir ohne große Mühe den roten Gegenstand aus meinen Händen riss und ihn auf dem Boden beförderte.
„Die Dinger wurden seit Jahren nicht gewartet." Lachte er amüsiert auf und drängte mich weiter nach hinten.
„Es ist doch pure Ironie, dass mein Plan immer mit dir zu tun hatte aber es nie um dich gehen sollte." Ich wich zurück als er noch näherkam und blieb erst stehen als ich an einer der beiden Kommoden lehnte. Ich ertastete einen Brieföffner hinter mir, dabei fixierte ich ihn weiterhin und versuchte ihm meine Gedanken nicht zu offenbaren.
Sein Blick wirkte keinesfalls aggressiv oder wütend, viel mehr sah er mich beinahe hypnotisiert an.
„Ich bin ein Fan der Ironie... und diese gefällt mir besonders gut." Ohne auf seine wirren Worte zu reagieren umfasste ich die Waffe in meiner Hand fester und stürmte auf ihn zu.
„Hier ist eine Ironie, die du lieben und nie mehr vergessen wirst!" fauchte ich noch bevor ich ihn angriff. Einst hatte ich vor, Nicholas mit genau solch einer Waffe zu töten und heute würde ich Marcus damit zur Strecke bringen.
So viel Verzweiflung und Schmerz wie sich in diesem Moment in mir sammelte schenkte mir die benötige Kraft.  Ein lauter Aufschrei war der Beweis meines Erfolges. Für wenige Sekunden verharrten wir in einer Stockstarre. Ich an Marcus Oberkörper gelehnt mit beiden Händen den Brieföffner umklammert, der in seiner linken Schulter steckte. Erst sein Schrei holte mich zurück. Ich ließ den Brieföffner los und schnellte zur Türe. Ich würde Nicholas suchen. Ich umgriff die Klinke und zog die Türe auf, ein unsanfter Stoß gegen die Brust ließ mich nach hinten taumeln und mich schließlich zu Boden gehen. Marie stand vor mir und hatte mir mit voller Wucht ihre Handballen gegen den Oberkörper gedrückt. Ich hielt mir das nasse Oberteil und versuchte zu atmen. Mein Blick ungläubig auf die rothaarige, junge Frau gerichtet, die mir die Flucht versaut hatte.
„Schließ die Türe." Wies Marcus sie keineswegs freundlich an. Marie betrat den Raum und ließ die Tür hinter sich ins Schloss hinter fallen. Ich hörte wie sie mit Hilfe eines Schlüssels das Zimmer von der Außenwelt abschottete. Ich blickte beiläufig, vielleicht aber auch bewusster als gedacht auf meine Handfläche und erblickte einen roten Schleier. Ich sah herab und saß in mitten des ehemaligen Blutfleckes. Ich hatte versagt in jeglicher Hinsicht.
„Siehst du das hier?" schrie ich nun verzweifelt und hob meine Hand um sie Marie zu zeigen.
„Wegen ihm mussten Menschen sterben! Sam! Thomas! Hast du kein Gewissen?" fuhr ich unbeirrt fort, auch als Marcus an mir vorbeiging und sich neben Marie stellte. Er zog sich den Brieföffner aus der Schulter und warf ihn vor meine Knie.
„Marie weiß das Opfer erbracht werden müssen, damit der Plan funktioniert!" fing er ruhig an und entspannte sein Gesicht wieder nachdem er es beim Rausziehen des Metallstücks leicht verzogen hatte.
„Oder Marie?"
Sie nickte zustimmend.
„Was für einen Plan"? wollte ich wissen. Doch auf eine Antwort musste ich vergebens warten. Marie kam mir dazwischen, noch bevor Marcus auf mich reagieren konnte.
„Du blutest!" stellte die Jüngere plötzlich fest und wirkte von einem Moment auf den anderen aufgebracht. Sie hielt eine Hand auf die Wunde, die in wenigen Sekunden von einem dunkeln Rot ummantelt wurde.
„Das ist nicht weiter wild. Emily ist nicht der Mensch, der andere ernsthaft verletzen kann!" lächelte er und legte seine Hand auf die von Marie, die ihren Blick zu seinem Gesicht richtete. Ich regestierte ihr Besorgnis und Angst. Er lehnte sich leicht vor und gab ihr einen Kuss auf die Lippen.
Dieser Plan war wahrlich mit Bravur aufgegangen. Er hatte sie emotional unter Kontrolle gebracht.
„Pass auf sie auf!" wies er Marie an gab ihr noch einen Kuss auf ihre Stirn und ging zum Bad. Er musste sicherlich die Blutung stoppen. Für einige Momente verharrte ich unter den Blicken meiner Aufpasserin auf dem Boden und richtete mich erst dann mühsam auf. Mein Brustkorb schmerzte beim Aufstehen und das Atmen fühlte sich schwer an.
„Ist ja schön, dass er für jeden einen Kuss übrig hat!" provozierte ich das dumme Ding und legte ein Lächeln auf, dass die Provokation noch ein wenig mehr untermalen sollte. Marie reagierte sofort, ging einen Schritt auf mich zu holte aus und gab mir eine Backpfeife. Mein Kopf fuhr zur Seite.
„Erzähl nicht solche Lügen! Marcus würde so eine Schlampe wie dich nicht anfassen!" zischte sie. Die Wut in ihren Augen war nicht zu leugnen. Ich behielt mein Gesicht zur Seite gerichtet und blickte auf den Boden.
„Meinst du von einem schönen Teller isst man alleine?" fuhr ich unbeirrt fort und sah erst jetzt wieder zu Marie, die ihre Fäuste ballte.
„Er ist ein guter Küsser, wie ich finde." Ich ließ nicht locker.
„Ich bring dich um..." knurrte die Rothaarige und kam auf mich zu, doch bevor sie mich erwischte ging die Badezimmertüre auf und sie hielt inne. Ihr Blick fixierte mich.
„Cherry-Menthol..." murmelte ich noch bevor Marcus wieder seinen Platz neben Marie einnahm. In ihren Augen konnte ich erkennen, sie hatte es geschluckt. Ihre Pupillen vibrierten und der Hass war geboren. Erst die Hand von Marcus auf ihrer Schulter holte sie wieder runter.
„Möchtest du mir für das Finale behilflich sein?" fragte er zärtlich und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Die manipulierte Gehilfin nickte.
Bevor ich reagieren konnte war Marie um mich gelaufen und hielt meine Arme nach hinten. Ich versuchte mich gegen die Stärkere zu wehren.
Markus zückte eine Spritze und zog die Kappe ab.
„Ich weiß das ständige Betäuben ist sicherlich nicht zuträglich für deine Gesundheit aber die brauchst du auch nicht mehr!"
„Marie!" flehte ich hoffnungsvoll aber ich spürte wie es ihr gefiel mich für ihn zu opfern. Die Nadel verschwand in meinem Oberarm und ein leichtes Brennen breitete sich um den Einstich aus.
„Mach sie fertig und sag mir Bescheid. Ich muss noch ein Glas Champagner trinken gehen!" wies er seine Helferin an. Die Sicht wurde trüb und alles fühlte sich wie in Watte an. Ich nahm nur Bildfetzen wahr. Spürte wie jemand meinen Körper bewegte. Mich auszog, duschte und föhnte. Alles wirkte so surreal, dass ich nicht wusste ob ich vielleicht einfach nur träumte.

Sein Wort - Mein Gesetz (slow update / In der Überarbeitung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt