TIPTOE || Jensoo

Kapitel 2

Jennie Pov

Sobald sie mir dieses Kompliment ins Ohr raunt, lehnt sie sich wieder etwas weiter zurück, wobei ich sie zunächst etwas verwundert anschaue. Allerdings fange ich mich recht schnell, muss im nächsten Moment auch schon über ihre Worte lächeln. So etwas zu hören, nachdem ich permanent kritisiert werde, tut mir wirklich gut und lässt mich weiterhin darauf hoffen, dass Miss Soojin einfach nur einen schlechten Tag hat und mich das unglücklicherweise einfach nur spüren lässt.

Wenn es stimmt und sie, wie sie mir eben gesagt hat, auch mal Ballett getanzt hat, dann muss sie ja auch ein wenig Ahnung davon haben. Demnach fällt es mir leichter ihren Worten glauben zu schenken und das stimmt mich im nächsten Moment auch etwas positiver.

„Wieso hast du aufgehört zu tanzen?", frage ich neugierig, sobald sie von meinem Bein ablässt und das Andere in die Hand nimmt, um mir schließlich dieses entgegen zu drücken. „Ballett hat mir zwar schon immer gefallen, allerdings schaue ich lieber zu, als es selbst zu tanzen. Es ist einfach nicht meine Leidenschaft. Ich konnte mich nicht länger damit identifizieren und der Druck wurde mir auch zu groß", erwidert sie ohne groß zu überlegen und schaut nochmal an meinem Körper runter, vermutlich um zu schauen, ob ich alles richtig mache und das andere Bein durchdrücke. Auf ihre Antwort nicke ich lediglich, wobei ich einen kurzen Moment dafür nutze, um über ihre Worte nachzudenken.

Auch bei mir ist Druck vorhanden, größtenteils wegen meiner Eltern und es gibt Tage, wo es mir tatsächlich zuviel wird, wo ich am liebsten alles stehen und liegen lassen würde, um anschließend wegzulaufen. Allerdings sind es nur schwache Momente, ich habe sie nicht oft und wenn ich im Nachhinein darüber nachdenke, weiß ich, dass ich das eigentlich auch gar nicht möchte. Anders als bei ihr kann ich nämlich sagen, dass Ballett meine Leidenschaft ist. Ich fühle mich frei, wenn ich tanzen kann, bin ich selbst und kann für einige Minuten die Dinge, die mich in meinem Leben beschäftigen, vergessen.

„Hier aushelfen gefällt mir bis jetzt aber ganz gut, vielleicht werde ich das öfters tun", schmunzelt sie, wobei sie mir direkt in die Augen schaut und mich fast in ihren Bann zieht. Ganz plötzlich, fast so, als hätte jemand einen Hebel betätigt, überkommt mich wieder eine gewisse Unruhe, die ich versuche wegzulächeln. Sie lässt schließlich mein Bein los, woraufhin ich es wieder sinken lasse. Mein Blick gilt jedoch weiterhin ihr. Von dem Gedanken, sie öfters hier anzutreffen, bin ich nicht abgeneigt, ganz im Gegenteil sogar. Zwar kenne ich sie nicht, ich weiß nicht einmal ihren Namen, aber dennoch löst dieser Gedanke ein positives Gefühl in mir aus. Sie scheint wirklich nett zu sein, was man nicht von vielen in diesem Raum behaupten kann, demnach hätte ich in Zukunft absolut nichts gegen ihre Gesellschaft, welche sehr angenehm ist.

Kurz schlucke ich, raffe mich zusammen und fahre mit meiner Hand einmal über die Stange, ehe ich sie ganz von dieser nehme.
„Verrätst du mir deinen Namen?", frage ich,  wobei ich den Kopf etwas schief liege. Ich bin mir sicher, dass sie meinen Namen bereits kennt, so oft wie Miss Soojin ihn heute erwähnt hat, aber dennoch sage ich: "Meiner ist Jennie." Dabei ruht ein leichtes Lächeln auf meinen Lippen.

Bevor sie mir antworten kann, ertönt jedoch ein weiteres Mal die Stimme meiner Lehrerin. „Jennie, du hattest vor fünf Minuten eine Pause. Du hast ja nicht einmal viel gemacht, also konzentrier dich endlich und dehne dich weiter, anstatt dich zu unterhalten." Sofort liegt die Aufmerksamkeit wieder auf mir, weshalb ich meine Augen auf sie richte. Es ist beschämend, wirklich, aber sie hat recht. Ich sollte mich nicht ablenken lassen und mich konzentrieren, das hier ist nämlich sehr wichtig. „Entschuldige, Miss Soojin", erwidere ich und drehe den Kopf wieder nach vorne, seufze leise, lege beide Hände an die Stange und platziere meine Füße so, dass meine Fersen sich berühren. Meinen Rücken drücke ich etwas durch, ehe ich in dieser Position etwas in die Hocke gehe.