Kapitel 15

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Jennie Pov

Seit ungefähr einer Stunde hat bereits der Ballettunterricht begonnen und so mies wie heute habe ich mich tatsächlich noch nie gefühlt. Ich fühle mich schlaff, bin absolut nicht in Form und ich spüre schon seit Beginn der ersten Stunde einen komischen Schmerz an meinem Knöchel. Bloß bin ich noch nicht auf die Idee gekommen, woran das liegen könnte. Selbstverständlich hindert es mich somit auch daran, beim Ballett wirklich hundert Prozent zu geben, da so manche Übungen und Drehungen den Schmerz nur verschlimmern, genauso wie die Drehung, die wir nun alle üben sollen.

Anfangs habe ich mir noch eingeredet, dass ich das schon hinkriege und den Schmerz ignorieren kann, jedoch zweifele ich allmählich an diesem Gedankengang. Uns wurde beim Ballett beigebracht, dass jeder noch so kleine Schmerz zum Ende der Ballettkarriere führen kann. Schmerzen sind schließlich ein Zeichen dafür, dass etwas nicht stimmt.

Somit nehme ich all meine Mut zusammen und hebe meine Hand, um Miss Soojins Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. „Was ist, Jennie?", kommt es, mit einem ziemlich genervten Unterton, von ihr. Wahrscheinlich sollte man meinen, dass ich mich bereits daran gewöhnt haben muss, dass sie mich so behandelt. Aber tatsächlich bin ich eine ziemlich sensible Person. Somit kostet es mich wirklich große Anstrengung, mich nicht von ihr runter ziehen zu lassen. Egal, wie gerne ich jedes Mal heulen würde, wenn sie mit mir spricht.

„Kann ich vielleicht kurz aussetzen? Mein Knöchel tut weh", bitte ich sie. Nun liegt auch Jisoos Aufmerksamkeit auf mir, welche vor einigen Minuten zugestoßen ist, um den Unterricht zu verfolgen.

Ich weiß nicht wirklich, was ich mir dabei gedacht oder gehofft habe, aber bei Miss Soojin kann man wohl einfach nicht auf Verständnis stoßen. Sie verdreht nämlich sogleich die Augen und stemmt die Hände in die Hüften. „Ballett ist nun mal kein leichter Sport. Wenn du mit den kleinsten Dingen nicht umgehen kannst, solltest du dich für etwas anderes entscheiden. Also reißt du dich entweder zusammen, oder du verlässt meinen Unterricht."

Sprachlos über ihre Worte kriege ich nicht einmal ein Nicken zustande. Am liebsten würde ich heulen – vor Wut. Ich wusste, dass ich einfach hätte den Mund halten sollen. Aber aus Fehlern lernt man, das nächste Mal weiß ich ja, was zu tun ist. Für mich ist in diesem Unterricht wohl nichts, außer schlecht behandelt zu werden, angesagt. Ich weiß tatsächlich nicht, wie innerhalb eines Schuljahres alles so schief für mich laufen kann. Im letzten Schuljahr galt ich noch als die beste Tänzern der ganzen Akademie und jetzt bin ich ein Nichtsnutz, der absolut nichts auf die Reihe bekommt. Und zusätzlich von der Lehrerin verabscheut wird.

Ich weiß wirklich nicht, ob es an mir oder an Miss Soojin liegt. Aber so, wie sie mich behandelt, kann ich wirklich nicht verstehen, was Jisoo so an ihr zu lieben scheint. Auf mich wirkt Jisoo nämlich wie jemand mit einem gesunden Menschenverstand, während Miss Soojin wie Satan höchstpersönlich rüber kommt. Aber na ja, es kann aber immer noch an mir allein liegen.

Letztendlich schaffe ich es dann doch mich mit einem Nicken wieder dem Unterricht zuzuwenden und mache das, was von mir verlangt wird. Von Mal zu Mal werden die Schmerzen jedoch schlimmer, zumindest solange, bis ich es nicht länger aushalte und umknicke, was den Schmerz plötzlich in einen unerträglichen Bereich lenkt.

Vor Schmerz keuchend lasse ich mich zu Boden sinken und packe mir an meinen Fuß. Während alle mich bloß überrascht anschauen, steht Jisoo alarmiert auf und begibt sich zu mir, um nach meinem Knöchel zu sehen. Sie löst die Bänder meines Spitzenschuhes und schiebt meine Leggings ein kleines Stück nach oben, um mein Knöchel freizulegen.

„Es ist angeschwollen", berichtet sie ihrer Freundin, während mein Blick sich auf meinen roten, geschwollenen Knöchel haftet. Ich weiß absolut nicht, ob der vorherige Schmerz die Ursache dafür ist, oder die Tatsache, dass ich umgeknickt bin. Jedoch hoffe ich, dass es keine allzu große Auswirkung haben wird und ich so schnell wie möglich wieder auf den Beinen sein werde, um weiter tanzen zu können. Wenn man jedoch nach den Schmerzen geht, will ich nur ungerne weiter tanzen.

Miss Soojin erwidert nichts auf Jisoos Feststellung, weswegen sie enttäuscht den Kopf schüttelt. „Ich bringe sie ins Krankenzimmer", sagt Jisoo nun knapp und hilft mir beim aufstehen, um mich daraufhin stützen zu können.

„Es ist zum Glück nichts gebrochen, bloß eine Verstauchung", stellt der Schularzt fest und zeigt uns die Röntgenaufnahme meines Knöchels. „Aber du scheinst es ziemlich überlastet zu haben, weswegen es überhaupt erst zu den Schmerzen gekommen ist. Ich würde es mit dem Training lieber langsamer angehen lassen. Die nächsten zwei Tage solltest du dein Knöchel nicht belasten. Heißt also Bettruhe und Bein hochlegen und für's erste werde ich dich auch für die Schule krankschreiben", sagt er, während er in einem Schrank nach irgendwas sucht, um letztendlich eine Salbe und Verband herauszuholen.

„Ich gebe dir auch noch was gegen die Schwellung", erklärt er mir, während er die Salbe, welche wahrscheinlich der Schwellung entgegen wirken soll, aufträgt und anschließend den Verband drum wickelt. „Kann man das denn nicht beschleunigen, damit ich schon früher weiter tanzen kann?", frage ich ihn mit einem verzweifelten Unterton in der Stimme. „Auf keinen Fall. Das wird es nur verschlimmern. Um wieder richtig tanzen zu können, solltest du die Bettruhe befolgen und am besten kommst du, wenn du wieder zur Schule darfst, noch einmal bei mir vorbei, um sicher zu stellen, dass die Schwellung auch komplett zurück gegangen ist."

Mit diesen Worten drückt er mir den Zettel mit der Krankschreibung in die Hand und reicht eine Tüte mit dem Verband und der Salbe Jisoo. „Ich bring dich jetzt nach Hause", berichtet sie mir, ehe sie mich wieder stützt und zu ihrem Auto führt, wo sie mir auch gleich beim einsteigen hilft. „Danke, Unnie", gebe ich leise von mir. Ich bin ihr wirklich aufrichtig dankbar. Im Gegensatz zu meiner Lehrerin, kümmert sie sich nämlich richtig um mich. Ich sage nicht, dass Miss Soojin mich zum Arzt tragen und mich nach Hause fahren soll. Aber sie hätte wenigstens einschreiten können, als ich umgeknickt bin. Jedoch hat sie nicht einmal dann wirklich reagiert.

Während Jisoo um das Auto herum läuft, um ebenfalls einzusteigen, lehne ich meinen Kopf gegen die Fensterscheibe und schließe die Augen. Ich bin unglaublich müde und erschöpft. Irgendwo tief in mir bin ich erleichtert, erst mal nicht zur Schule zu müssen und mit einer Ausrede nicht länger trainieren zu müssen, was ziemlich traurig ist, wenn man bedenkt, dass ich eigentlich nichts lieber mache, als Ballett zu tanzen. Aber andererseits wird mir diese Erleichterung genommen, da ich ohne Training nur noch weiter zurück fallen werde und, weil meine Eltern absolut kein Verständnis dafür zeigen werden. Stattdessen werden sie mir vorwerfen, nicht gut genug auf mich aufgepasst zu haben.

Mit einem Mal spüre ich die ganze Last auf mir und kann die Tränen auch nicht länger zurück halten. „Hey, Jennie", kommt es sanft von Jisoo, dessen Blick nun auf mir ruht. Wahrscheinlich hat sie bemerkt, dass ich angefangen hab zu weinen. Ihre langen, dünnen Finger legen sich um meinen Kinn und sie dreht meinen Kopf somit in ihre Richtung, sodass ich nun gezwungen bin, sie anzusehen.

„Was ist los?", fragt sie. Ihre Stimme ist so sanft, dass ich mich am liebsten weinend in ihre Arme geworfen hätte. Während sie geduldig auf eine Antwort wartet und mir alle Zeit der Welt gibt, wandert ihr Daumen sanft über meine Wange.

***
Partnerstory written by @riawinchesterx & @elijeon

TIPTOE || JensooWo Geschichten leben. Entdecke jetzt