Kapitel 20

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Jennie Pov

„Geht's?", fragt Jisoo mich bereits zum dritten Mal, ehe wir schließlich auch die letzte Stufe nehmen und endlich oben ankommen. Auch dieses Mal nicke ich und versichere ihr zusätzlich mit einem Blick, dass alles in bester Ordnung ist. Gemeinsam machen wir uns schließlich in mein Zimmer und erst als sie die Tür hinter uns schließt und ich auf meinem Bett sitze, lässt sie von mir ab.

„Deine Eltern sind nett", fängt sie nun an, was mich zunächst mit den Schultern zucken lässt. „Wenn du das sagst", erwidere ich murmelnd und lenke meinen Blick auf meine Hände, welche verschränkt auf meinem Schoß liegen. Derweil schaut sie sich ungestört in meinem Zimmer um.

Natürlich bezeichnet sie meine Eltern als nett, vermutlich würde ich es an ihrer Stelle auch tun, aber wenn man mit ihnen lebt, könnte man schnell anderer Meinung sein. Sie sind anstrengend, von manchen Dingen nahezu besessen und haben kein Feingefühl, was oft dazu führt, dass ich mich unglaublich schlecht fühle. Die Dinge, die sie sagen und mir an den Kopf werfen sind verletzend, aber davon möchte ich jetzt lieber nicht anfangen. Es stört mich nicht, wenn Jisoo sie als nett bezeichnet, eigentlich sogar ganz im Gegenteil. Denn das bedeutet, dass meine Eltern ihr ihre gute Seiten gezeigt haben, dass sie Jisoo mögen, was man auch deutlich merken konnten. Aber das kann ich auch vollkommen verstehen. Sie ist einfach eine Person, die man mögen muss, insbesondere, wenn man sie besser kennenlernt.

„Worüber denkst du nach?" Ihre Stimme reißt mich aus meinen Gedanken und ich hebe den Kopf an, schaue zur Seite, da sie sich direkt neben mich gesetzt hat. Kurz betrachte ich sie stumm, dann wende ich wieder den Blick ab und schüttle den Kopf, um ihr zu deuten, dass es egal ist.

Ein Lächeln bildet sich auf meinen Lippen, als ich an die letzten Tage denke. An ihre Besuche und ihre Nachrichten, die Fürsorge mir gegenüber und wie sie sich um mich gekümmert hat. Sie hat sich immer nach mir erkundigt, mir Essen gebracht und mich gefragt, ob ich etwas benötige, das sie mir vorbei bringen soll. Die ganze Zeit über war sie für mich da.

Im Grunde genommen gilt das aber nicht nur für die letzten Tage, sondern eigentlich von dem Moment an, als wir uns getroffen haben.

Kurz zögere ich, dann lenke ich meinen Blick auf ihre Hand, welche ich schließlich in meine Eigene nehme und sie ebenso auf meinen Schoß ablege. Unsicher fahre ich mit meinem Daumen über ihren Handrücken, dann schaue ich sie kurz an. „Habe ich dir eigentlich je gesagt, wie froh ich darüber bin, dich kennengelernt zu haben?", beginne ich mit einer leisen Stimme, schaue dann wieder auf ihre Hand, welche immer noch meinen Streicheleinheiten ausgesetzt ist.

„Du bist der erste Mensch, bei dem ich mich frei fühlen kann. Der erste Mensch, der mich so akzeptiert, wie ich wirklich bin. Bei dir habe ich nicht das Gefühl, mich verstecken zu müssen, ganz gleich, worum es geht. Ich wollte dir einfach danken, Jisoo. Dafür, dass du mich nicht verändern möchtest und für alles andere auch." Während ich ihr das erzähle, bildet sich ein leichter Schimmer der Verlegenheit auf meinen Wangen. Mir ist in den letzten Tagen aufgefallen, dass ich, wenn ich morgens aufstehe, das Erste, woran ich denke, sie ist. Meine Gedanken schweifen einfach sofort zu ihr und die Fragen, die ich mir stelle, sind auch immer dieselben. Ob sie mir schon eine Nachricht geschrieben hat? Sie mich auch heute besuchen kommt?

„Komm her", höre ich sie sagen und lenke sogleich meinen Blick wieder auf sie, woraufhin sie mich auch schon in eine innige Umarmung zieht, die ich natürlich erwidere. Ihre Wärme strömt sofort durch meinen Körper, was mich zufrieden seufzen lässt. „Dafür musst du dich nicht bedanken, es ist selbstverständlich. Du bist wunderschön, Jennie, das sollte jeder andere auch sehen. Versteck dich nicht." Als ihre Worte in meine Ohren dringen, drücke ich sie noch fester und vergrabe mein Gesicht dabei in ihrer Schulter.

Die Geheimnisse, mit denen ich lebe, der Druck, den ich nicht mehr ertrage - sind das Dinge, mit denen ich im Grunde genommen nicht leben muss?

Langsam löse ich die Umarmung, allerdings nur soweit, dass ich sie direkt anschauen kann. Ich mustere ihr Gesicht, lasse meine Fingerkuppen zaghaft über ihre Kieferpartie fahren und blicke in ihre dunkelbraunen Augen. Mein Daumen legt sich auf ihre Unterlippe und streicht sanft die Konturen entlang. Wieso sehne ich mich so sehr nach dieser Art von Nähe, wenn ich sie bei mir habe? Wieso kann ich gerade an nichts anderes denken, als an das Gefühl ihrer Lippen auf meinen Eigenen?

Langsam komme ich ihrem Gesicht näher, was sie auch vollkommen zulässt. Ein kleiner Teil in mir, der Vernünftige, wünscht sich dennoch, dass sie es nicht tun würde. Es wäre auf sovielen Ebenen nicht richtig.

Wieso aber empfinde ich im Augenblick dann das Aufkommen eines angenehmen Kribbelns in meinem Bauch?

Unsere Nasen berühren sich bereits, unsere Lippen streifen sich und mir fallen die Augen zu. So kurz davor bin ich, sie wieder zu spüren, dieses Lippenpaar. Doch bevor es dazu kommen kann, lege ich meine Stirn gegen ihre und atme tief aus. Dann schüttle ich den Kopf etwas.

„Es tut mir so leid, wir sollten nicht-", wispere ich schuldbewusst, ohne den Satz zu beenden und nehme meine Stirn von ihrer, öffne meine Augen und blicke direkt in ihre, welche überraschenderweise Sehnsucht ausstrahlen. Statt, wie erwartet, einer ihrer Aussagen, dass Freunde so etwas tun und ich mir keine Sorgen machen muss, zu hören oder das Grinsen, welches ihre Lippen schmückt, zu sehen, bleibt sie ernst. „Wieso nicht?", flüstert sie schon fast, was meinen Gesichtsausdruck verzweifelt werden lässt.

„Du möchtet es auch, ich kann es deutlich sehen. Wieso wehrst du dich also noch so dagegen?" Ihre Hand fährt zu meinem Nacken, sie streicht sanft über ihn und kommt mir wieder etwas näher. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals, die aufkommende Hitze fühlt sich seltsam an und obwohl alles in mir gerade nach ihr schreit, schüttle ich wieder den Kopf. „Das wäre nicht richtig", murmle ich, umfasse ihren Arm fest und kneife die Augen etwas zusammen.

„Fühlt es sich aber auch so falsch an?" Sie lässt mir überhaupt nicht die Möglichkeit überhaupt über ihre Worte nachzudenken, da drückt sie ihre Lippen auf Meine. Anfangs bin ich überfordert, doch als sie ihre Lippen bewegt, verdränge ich jeden Gedanken, jedes Schuldgefühl und gebe mich ganz diesem Moment hin. Sobald ich den Kuss erwidere, drückt sie mich nach hinten, sodass ich mit dem Rücken auf dem Bett liege, während sie sich über mich beugt. Neue Empfindungen stürzen über mich ein, nicht in der Lage, meine Gedanken zu ordnen, kralle ich mich an ihrem Oberteil fest und ziehe sie näher zu mir.

Eine kurze Weile tauschen wir einen innigen Kuss aus, der mir jeden noch so klaren Gedanken nimmt, dann löst sie sich für eine kurze Sekunde und wispert gegen meine Lippen: „Ich würde sie sofort für dich verlassen." Mit diesen Worten verwickelt sie mich in den nächsten Kuss.

Das hier fühlt sich nicht falsch an, es fühlt sich verdammt gut an und ich würde es unglaublich genießen, wenn ich nicht immer wieder diese Stimme in meinem Kopf hätte, die mir sagt, dass einer von uns jetzt einen Schlussstrich ziehen sollte.

Sie kann ihre Beziehung nicht wegen mir beenden. Ich kann nicht mit ihr zusammen sein. Es würde sie nur unglücklich machen, auch, wenn ich ich selbst sein möchte, kann ich mich nicht outen. Eine geheime Beziehung hat sie nicht verdient und mit Kibum Schluss machen kann ich genauso wenig. Es könnte die ganze Fassade zum Einsturz bringen und diese Tatsache bereitet mir riesige Angst.

Sanft drücke ich sie am Brustkorb von mir und löse den Kuss schließlich, kann nicht verhindern, dass sich bei meinen Gedanken Tränen in den Augen bilden. „Ich...", beginne ich und schüttle den Kopf, wobei meine Stimme einem Wimmern gleicht. „Ich kann das einfach nicht", beende ich dann meinen Satz. Sie schaut mich mit angehobenen Augenbrauen an, wobei sie schon fast ein wenig hilflos wirkt und das wahrscheinlich aufgrund meines plötzlichen Gefühlsausbruches. Ich kann mich ja selbst nicht verstehen, aber jedes Mal, wenn ich ihr auf diese Weise näherkomme, sucht mich anschließend kein gutes Gefühl heim. Wie könnte das hier also richtig sein?

„Geh bitte", ist das Einzige, was ich noch über die Lippen bringe, als ich sie leicht von mir schubse, vom Bett aufstehe und letztendlich ins Bad verschwinde.

***
Partnerstory written by @riawinchesterx & @elijeon

TIPTOE || JensooWo Geschichten leben. Entdecke jetzt