Kapitel 32

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Jennie Pov

Nervös sitze ich auf einem der Hocker in unserer Küche und tippe immer wieder mit meinen Fingern auf die Oberfläche der Theke. Mein Blick gilt auch dieser, wobei ich zusätzlich auf meiner Unterlippe kaue und mit meinen Zähnen die trockene Haut abziehe. Es ist ungefähr zwanzig Uhr, meine Eltern müssten jeden Moment von ihrem Treffen zurückkommen, da sie gemeinsam essen waren. Ich warte hier auf die beiden, da ich mich dazu entschlossen habe, es ihnen endlich zu sagen. Sie sollen wissen, wer ich wirklich bin, dass ich lesbisch bin und obwohl mit Jisoo so einiges schief gegangen ist und ich es im Grunde genommen noch geheim halten könnte, möchte ich mich nicht länger verstecken. Spätestens, nachdem das mit Kibum geschehen ist, ist mir das bewusst geworden.

Ganz gleich, ob das mit Jisoo und mir nichts geworden ist, ich muss zu mir stehen und darf mich nicht länger hinter einer Lüge verstecken. Und obwohl mich das Ganze immer noch mitnimmt, ich nicht ganz verstehen kann, wie schnell das mit ihr und mir enden konnte oder gar den genauen Grund dafür kenne, habe ich meine Meinung nicht geändert und besitze den Mut, um endlich die Wahrheit auszusprechen. Das sollte ich ausnutzen, ich sollte es genau jetzt tun und nicht länger damit warten, andernfalls ziehe ich mich wieder in mein Schneckenhaus zurück und komme vermutlich nie wieder aus diesem hinaus. Passender könnte der Zeitpunkt also nicht sein.

Natürlich habe ich Angst vor ihren Reaktionen, aber ich verdränge mögliche Szenarien, so gut es geht. Das würde mich nur verrückt machen und ich möchte nicht den Schwanz einziehen, deshalb werfe ich mich einfach ins kalte Wasser.

Es vergehen noch einige Minuten in denen meine Nervosität kein bisschen weniger, eigentlich sogar stärker wird, dann vernehme ich auch schon die Tür und das darauffolgende Gemurmel meiner Eltern. Worüber sie reden, kann ich nicht sagen, aber sobald sie in die Küche kommen, spricht meine Mutter mich an. „Jennie, wieso bist du denn noch wach? Du hast morgen Training und solltest ausgeruht sein." Mein Vater schenkt mir keine große Beachtung, stattdessen widmet er sich einigen Prospekten und Briefen, welche auf der Theke ruhen. Meine Mutter hingegen geht um die Theke, schnappt sich ein Glas und füllt Wasser in dieses.

„Gleich gehe ich hoch, aber ich muss vorher mit euch reden", erwidere ich nur, bekomme aber auch diesmal nicht die ungeteilte Aufmerksamkeit der beiden. „Kann das nicht bis morgen warten?", bekomme ich von meiner Mutter als Antwort, als sie kurz zu mir schaut und schließlich von ihrem Wasser trinkt. Auch, wenn sie mich nicht länger anschaut und mein Vater auch weiterhin durch unsere Post schaut, schüttle ich den Kopf leicht. „Das ist wirklich sehr wichtig", meine ich nun.

„Wir haben immer noch keine Antwort von der Bank bekommen", sagt mein Vater plötzlich, während er erneut alle Briefe durchgeht und ignoriert mich somit ganz offensichtlich. „Was, wirklich nicht?" Nun stellt meine Mutter das Glas weg und schüttelt ungläubig den Kopf. „Morgen schreibe ich ihnen noch einmal, oder ich melde mich direkt telefonisch bei ihnen, dann müssten wir schneller an einen Termin kommen."

„Hört ihr mir bitte kurz zu?", bringe ich etwas lauter hervor, bekomme schließlich auch die Aufmerksamkeit meines Vaters. Zumindest denke ich das, denn er blickt mich an, zieht die Augenbrauen zusammen und legt die Post wieder beiseite. „Musst du morgen früh nicht raus, Jennie? Was machst du noch hier?", meint er ganz nebenbei und möchte sich gerade wieder meiner Mutter widmen, um wahrscheinlich das Gespräch von eben wieder aufzugreifen. Es ist ganz offensichtlich, dass ich im Moment keineswegs ernst genommen werde. Ich versuche hier ein ernstes Gespräch aufzubauen, schaffe es aber nicht einmal, ihre Aufmerksamkeiten zu erregen. Da ich jedoch unbedingt jetzt darüber sprechen möchte, lasse ich die erste Bombe einfach platzen.

„Kibum und ich sind nicht mehr zusammen." Sofort schauen mich die beiden an, was mich dann doch schlucken lässt. Meine Beziehung zu Kibum haben die zwei schon immer befürwortet, sogar für gut geheißen, kein Wunder also, dass sie nun ganz Ohr sind. Kibum kommt aus gutem Hause, hat gute Noten und ist Sportler, sie hätten sich keinen besseren Freund für mich vorstellen können. Das war aber von vorne rein nichts Echtes, nichts, was mich glücklich machte und das sollen sie jetzt auch erfahren. Sobald meine Mutter einen Schritt auf mich zukommt und mich fragend anschaut, ist mir bewusst, dass es kein Zurück mehr gibt. „Was redest du da?"

TIPTOE || JensooWo Geschichten leben. Entdecke jetzt