Epilog

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Reius

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Reius. Viel Mut bewies am Samstagabend Natalie Linch. Die 49-jährige Bürgerin des Stadtstaates Reius war am Nachmittag beim Einkaufen am bekannten Markt "plötzlich [...] in eine Nebengasse gezogen" worden. Laut der Frau, die erst kürzlich Sohn Nathan, ihren Mann Jason und erst vor einer Woche ihre noch junge Tochter Lera verlor, habe ein Mann sie in ein leerstehendes Lagerhaus gebracht, wo sie zwei weitere Männer erwarteten. Alle drei seien bewaffnet gewesen. Einen der Männer erkannte sie als den ehemaligen Lehrer ihrer Tochter Lera, Hieronymus Fatcher. Laut Natalie Linch habe Fatcher Lera vor etwa einem halben Jahr geraten, die Schule, auf der er sie selbst unterrichtete, zu verlassen. Nach dem überraschenden Tod von Leras Vater (51), der sich als Mord herausstellte, habe Fatcher dem Mädchen angeboten, sich trainieren zu lassen, um den mörderischen Gangs, denen ihr Bruder Nathan und offenbar auch ihr Vater zum Opfer gefallen waren, ein Schnippchen zu schlagen. Lera und ebenso ihre Mutter willigten ein und Fatcher brachte die Vierzehnjährige von da an jeden Morgen zu Jake Mirror, ebenso einer der Männer, die die Frau bedrohten. Auch den dritten Herrn, Mr. Joseph Hencouber, ein bekannter Redner, der auch die Abschiedsrede für Jason Linch gehalten hatte, erkannte Ms. Linch. Welcher der drei Männer sie aber zum Lagerhaus gebracht habe, könne sie nicht sagen, so die einzige Verbleibende der Familie Linch in Reius. Laut der Witwe baten die drei Männer sie, sich zu setzen, und die Frau ließ sich vor einer Holzwand nieder, die sich als ihre Rettung erweisen sollte. 

Natalie Linch meint selber, sie habe sich nach Leras Tod ein Messer angeschafft, das sie seitdem immer bei sich trage. Während Fatcher, Mirror und Hencouber noch darüber beratschlagten, wie sie nun weiter verfahren sollten, was Ms. Linch als "sie haben sich beraten, wie sie mich zur Strecke bringen wollten" bezeichnet, tat die 49-jährige so, als würde sie sich aus Verzweiflung gegen die Wand stützen. "Ich hatte sowieso nichts mehr zu verlieren", erklärt sie, "und da ist auch niemand mehr, der um mich trauern könnte. Also habe ich einfach alles riskiert." Die mutige Frau habe mit ihrem Messer ein Loch in der Größe von einem A3-Blatt in die morsche Wand geschnitten. Die Männer hätten ihr den Rücken zugewandt. Also quetschte sich Linch durch das Loch. "Ich hörte die verärgerten Rufe meiner eigentlichen Mörder als ich ungefähr zweihundert Meter von der Halle entfernt war. Dann bin ich einfach gerannt", erzählt Ms. Linch.

Zu ihrer entgültigen Rettung führte aber Linchs Schwager Jonathan, der als Jugendlicher nach Felicum geflohen war. Da Fatcher und auch Mirror wussten, wo die Trauernde lebte, habe sie, nachdem sie das Gefühl hatte, weit genug weg zu sein, sich in einen ihr fremden Hinterhof geflüchtet. Dass die Bewohner des Hauses nicht anwesend waren, war ihr großes Glück. Mit letzter Kraft zog Ms. Linch das Handy aus der Tasche, das sie eigentlich ihrer Tochter hatte schenken wollen, deren Geburtstag einen Tag nach ihrem Tod hätte stattfinden sollen. Die Frau wählte Jonanthan Linchs Nummer, der sofort die Felicumer Polizei verständigte, da es eine solche Institution in Reius längst nicht mehr gab.

Die Täter, die für den Tod von Hunderten verantwortlich gemacht werden, wurden bereits vom Felicumer Staatsgericht angehört und alle drei zum Tode verurteilt. Offenbar sind sie aber die einzigen noch lebenden Mitglieder der "Gang", wie sie in Reius gefürchtet wird. Über die Geschichte dieser Gang erfahren Sie mehr auf Seite 4.

Der Stadtstaat Felicum nahm mit Einverständnis beider Parteien Reius in sein Gebiet mit auf, alle Bürger von Reius werden für die Gefahr und die Angst, mit der sie leben mussten, mit einer sicheren Bleibe und einem menschenwürdigen Beruf entschädigt. Was Natalie Linch dazu sagt?

"Nein, ich bin nicht stolz darauf, was ich getan habe. Ich bin mir sicher, dass es das Richtige war, doch den Tod hat niemand verdient. Ich will keine Rache. Aber wissen Sie was? Jemand hat mir die Nachricht von Leras Tod gebracht. Und in meinem Leben war schon so viel Tod und Trauer, dass ich mir vornahm, nicht noch mehr zu trauern. Leras Motto war immer, dass man positiv denken solle. Und alles, was ich wollte, war, dass das, was ich durchmachte, nicht noch mehr Menschen passieren müsste. Lera sollte die Letzte sein, die so sterben musste. Das war das einzige, was ich wollte. Und das habe ich erreicht. Und ich bin ihr dankbar für alles, was sie getan hat. Sie hätte so ein langes Leben verdient gehabt. Ihr würde es hier gefallen. Aber heute möchte ich nicht vermissen. Heute möchte ich feiern. Lasst uns sie alle feiern. Lera, Jason, Nathan, Jaqueline, Mary, John, Hank und wie sie alle heißen! Lasst uns ihnen dankbar sein, denn sie haben ihr Leben geopfert, damit wir jetzt hier sind, glücklich und sicher. Ich liebe sie alle." (yve)

Lera LinchWhere stories live. Discover now