Kapitel 9

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Nach einigen Minuten und zwei Gläsern Whiskey später, wird der Stuhl neben mir zurückgeschoben. Ich sehe zur Seite und seufze, als ich einen altbekannten weißblonden Haarschopf erblicke. Ich sehe Pietro fragend an. "Hi", meint er mit einem selbstgefälligen Grinsen. Er soll mich doch einfach nur in Ruhe lassen! Ist das zu viel verlangt? Reicht es nicht, wenn er einen Korb bekommt? "Pietro!", ertönt eine Stimme. Ich drehe mich um und sehe eine Brünette. "Tut mir leid, ich hab versucht, es ihm auszureden. Aber betrunken ist er leider ein noch größerer Sturkopf als sonst", entschuldigt sie sich mit einem ebenfalls stark russischen Akzent. "Vielleicht solltest du darüber nachdenken, ihn anzuleinen", schlage ich vor.

Sie lacht. Wenn sie wüsste, dass das kein Scherz war. "Ich sollte ihn jetzt schlafen schicken. Er benimmt sich manchmal wie ein kleines Kind." Sie packt ihn am Arm. "Ich bin zwölf Minuten älter", protestiert er und grinst mich dümmlich an, bevor er aus meinem Sichtfeld verschwindet. Das scheint wohl seine Zwillingsschwester zu sein. Wanda. Ich will mich wieder zur Bar drehen und erschrecke mich, als auf einmal jemand vor mir steht. Es ist eine große Statur, schulterlange Haare und ein alberner Umhang. Wo haben die den denn aufgegabelt?

"Entschuldigen Sie, Lady Victoria, ich hatte nicht die Absicht, sie zu verschrecken. Ich bin Thor, Sohn des Odin." Er nimmt meine Hand und platziert einen Kuss auf dieser. Was zur Hölle hat er denn gefrühstückt? "Sie können mir nicht zufällig sagen, wo sich der Veranstalter dieses festlichen Gelages aufhält?" Ich überlege kurz. "Ich glaube ich habe die Blechbüchse das letzte Mal da drüben gesehen." Ich deute auf eine Menschengruppe, in wessen Aufmerksamkeit sich der Gesuchte tatsächlich suhlt. Wer hätte es gedacht. "Verzeihung, ich verstehe nicht", kommt es von Thor, der mich verwirrt anschaut. "Ich schon. Tony ist da drüben", höre ich eine Stimme, die mir nur allzu bekannt vorkommen. "Vielen Dank." Mit diesen Worten verschwindet er.

Der Stuhl neben mir wird erneut zurückgezogen und Strumpfhosenmann ohne Strumpfhose setzt sich neben mich und ordert sich einen Whiskey. Er steckt sein Mobiltelefon, welches er bis eben in der Hand hatte in seine Jackentasche. "Na immer noch nicht betrunken?", fragt er und deutet auf mein Glas. Ich nicke und trinke einen weiteren Schluck. "Ich kenne das zu gut", kommt es von ihm. Ich lache verächtlich. "Das bezweifle ich." Er seufzt und nimmt ebenfalls einen Schluck. "Warum bist du so?"-"Wie denn? So unwiderstehlich?", entgegne ich grinsend. Oh mein Gott. Wird er etwa rot? Ich glaube es nicht, er wird tatsächlich rot!

Innerlich verfalle ich in einen Lachkrampf, doch äußerlich behalte ich meine derzeitige Mine und muss leicht lächeln. "Du hast nicht viel mit Frauen zu tun, kann das sein?" Er schaut erschrocken auf, wenn nicht sogar etwas ertappt. "Wusste ich's doch." Er murmelt etwas Unverständliches und nimmt einen Schluck von seinem Getränk. "Du bist ziemlich hart im Nehmen. Andere wären an deiner Stelle schon längst geflohen", sage ich zu ihm. Er zuckt mit den Schultern. "Man gewöhnt sich dran." Was soll das denn heißen? "Bist wohl eher so das Opfer in eurer Clique", haue ich raus und er dreht sich zu mir.

"Ich bin nicht das Opfer in unserer 'Clique'. Aber wenn man oft mit Tony Stark zu tun hat, wird man abgehärtet", rechtfertigt er sich. "Blechbüchse? Oh ja, der Typ nervt. Geht mir dauernd auf meine nicht vorhandenen Eier." Tatsächlich entdecke ich ein kleines Grinsen auf dem Gesicht des Strumpfhosenmannes. Komischer Typ. Nein wirklich, verdammt seltsames Wesen. Er benimmt sich, als wenn er nicht aus dieser Zeit kommt. Vielleicht ist er ja ein Zeitreisender. So wie Commander Spock! Er wirkt nachdenklich.

"Ist irgendwas, Commander?", rutscht es mir raus und ich hole ihn aus seiner Starre. "Captain", berichtigt er mich und ich muss lachen. Er sieht mich verwirrt an. "Nein, alles super", antwortet er schließlich. Ich nicke. Warum frage ich ihn überhaupt? Soll es ihm doch schlecht gehen. Ist mir doch scheißegal. Während ich mich über mich selber aufrege, bemerke ich gar nicht, wie ich verärgert meine Stirn runzele. Erst als Steve mich leicht anstößt, kehrt mein Gesichtsausdruck wieder zum Normalzustand zurück. "Geht es dir nicht gut?", fragt er mit einem leichten Hauch von Besorgnis. "Ich muss mal kurz auf die Toilette", entschuldige ich mich und verschwinde in die Richtung, wo ich das Badezimmer vermute.

Tatsächlich liege ich mit meiner Vermutung richtig. Als ich gerade die Tür öffnen will, kommt mir jemand zuvor. Vor mir steht niemand Geringeres als Winter Soldier. Ich schlucke. Das ist das erste Mal, dass ich ihn seit unserer kleinen Auseinandersetzung sehe. Ich wende meinen Blick von ihm ab und will das Badezimmer betreten, doch er stellt seinen Fuß zwischen Tür und Türrahmen und verhindert somit das Schließen. Ich glaube, einen Moment so etwas wie Trauer auf seinem Gesicht zu sehen. Trauer. Auf seinem Gesicht. Der einzige Ausdruck, den ich bisher von ihm kenne, ist ein kalter, emotionsloser.

Er scheint einen Moment lang nach den richtigen Worten zu suchen, doch dann wendet er sich von mir ab und geht einfach. Nach einigen Sekunden in denen ich wie erfroren an Ort und Stelle stehen bleibe, löse ich mich und betrete das Badezimmer. Was habe ich denn auch erwartet? Ich lasse kaltes Wasser über meine Hände laufen und fahre mir mit diesen über mein Gesicht, in der Hoffnung, alle Unreinheiten aus mir rauszuwaschen. Eine Entschuldigung etwa? Doch sie bleiben. Ich starre in den Spiegel als würde ich auf irgendetwas warten. Aber das einzige, worauf ich warte, ist, mich selbst wiederzufinden.

Ich schließe meine Augen und Bilder flammen vor meinen Augen auf.

-Erinnerung-
"Victoria Sawyer, 19 Jahre, aus New York. Erstmals aufgefallen durch ihre Vergangenheit, ihr Elternhaus, welches sie mit vier Jahren durch eigene Kraft in Brand steckte. Vollwaise."-"Interessant, äußerst interessant."

"Wir haben sie bereits in eine Zelle gebracht."-"Sehr gut, zeigen Sie sie mir." Die Stimmen auf dem Gang verstummen und werden durch das Echo der Schritte ersetzt. Ich setze mich auf und huste aufgrund des Staubs, den ich aufgewirbelt habe. Ich bin umringt von Wänden, nur vor mir eine Reihe von Gitterstäben. Zwei Männer versperren mir plötzlich das Blickfeld. Aus ihrer derzeitigen Position wirken sie bedrohlich auf mich. Ich krieche so weit zurück, bis mein Rücken die feuchtkalte Wand berührt. Einer der Männer lächelt selbstgefällig. "Ein Prachtexemplar. Ich will sie."-"Aber Sir, sie ist noch nicht bereit."-"Dann sorgt dafür, dass sie es ist. Sie ist perfekt. Die perfekte Waffe."

Ein lautes Klopfen an der Tür lässt mich aufschrecken. Ich drehe den Wasserhahn zu und gehe zur Tür. Einen Moment lang verweilt meine Hand vor dem Türknopf, bevor ich ihn umdrehe und die Tür aufspringt. Es ist irgendein anderer Partygast, welcher bereits energisch zappelt und schließlich sofort an mir vorbeistürmt und die Tür hinter sich schließt. Ich schlage mich wieder durch die Masse, bis ich schließlich an der Bar ankomme. Ich setze mich wieder auf den Hocker, neben Steve. Als ich ein leichtes Zittern meiner Hand bemerke, setze ich mich auf diese, damit ich auch die einzige bleibe, die es bemerkt. "Hey, alles okay bei dir? Du zitterst ja total." Mein Mund verlässt ein erschrockenes Keuchen, als Blondie mich anspricht. Ich räuspere mich und versuche seinem prüfenden Blick zu entkommen. "Es ist nichts", antworte ich. Er setzt dazu an, etwas zu erwidern, doch ich komme ihm zuvor. "Ich sagte, es ist nichts. Kümmere dich um deinen eigenen Kram", zische ich, stehe auf und verschwinde. Ich spüre seinen Blick in meinem Rücken, doch es ist mir egal. Ich muss hier raus. 

Fiery Challenge - Captain America Fanfiction *pausiert*Where stories live. Discover now