Kapitel Fünf: Die andere Seite

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Hätte ich gewusst, dass auch Lauren nachsitzen musste, wäre ich lieber freiwillig von der Schule gegangen, als mit ihr alleine in einem Raum zu sitzen. Sie kam ein paar Minuten nach mir in den Raum und war genauso überrascht wie ich.
„Hallo Lauren, Herr Krapp hat mir schon Bescheid gesagt, dass du auch nachsitzen musst. Ich übernehme dann die Aufsicht für euch beide." Meine Lehrerin lächelte Lauren an. „Ihr habt allerdings Glück, ich muss noch etwas im Lehrerzimmer erledigen, deswegen bekommt ihr nur Aufgaben von mir. Wenn ihr damit fertig seid dürft ihr gehen."
Dafür das meine Lehrerin mir Nachsitzen aufgebrummt hat, war sie eigentlich doch ganz in Ordnung. Nur leider wusste sie nicht, dass sie mir überhaupt keinen Gefallen damit macht, uns jetzt alleine zu lassen.
Und so verschwand sie auch schon aus dem Raum und überlies mich der unangenehmsten Situation meines Lebens.
Lauren saß in der anderen Ecke des Klassenzimmers und schenkte mir keine Beachtung. Doch mein schlechtes Gewissen plagte mich immer noch, also musste ich mich einfach bei ihr entschuldigen.
„Lauren? Es tut mir leid. Mein Spruch war zu persönlich, so weit hätte ich nicht gehen dürfen."
Sie sah von ihrem Blatt aus auf. Ein Lächeln überzog ihre Lippen. Ohne eine Vorahnung stand sie auf und setzte sich neben mich.
„Hast du schonmal mit jemanden geschlafen?"
Was soll das denn jetzt? Was soll diese Frage von Lauren? Denkt sie wirklich nur über so etwas nach, ist sie so oberflächlich? Aus irgendeinem Grund war ich enttäuscht. Ich hatte Hoffnung, Hoffnung das Lauren noch mehr als das ausmachte.
„ Ich wüsste nicht was dich das angeht."
„Nun ja, ich versuche dir nur zu erklären, warum ich so bin wie ich bin." Lauren sah mir dabei tief in die Augen. Gott sie waren wunderschön. Ich wollte diesen Anblick nie wieder verlieren. Ich sah in ihren Augen Ehrlichkeit, ich wusste, dass sie mir wirklich einen Grund geben wollte. Somit brach ich den Augenkontakt (Lauren wirkte enttäuscht) und versuchte mehr aus ihr herauszubekommen.
„Also? Dann erklär mal."
„Das ist ziemlich schwer, dass gerade offen zuzugeben. Doch ich hab das Gefühl, dass ich mir dich anvertrauen kann." Sie legte eine Atempause ein, „Okay also alles begann in der 10. Klasse. Ich hatte mein erstes Mal und mir wurde diese Aufmerksamkeit gegeben. Das hab ich nicht oft bekommen. Meine Eltern arbeiten viel und ich hab noch zwei kleinere Geschwister. Meine Eltern haben kaum Zeit für mich, deshalb hab ich so etwas noch nie zu spüren bekommen. Doch ich vermisste die Aufmerksamkeit, die ich, wenn auch nicht lange, nur für mich allein hatte. Und so suchte ich sie immer weiter und mehr. Mir geht es gar nicht um das sexuelle, mir geht es um diese Aufmerksamkeit, die ich bekomme. Hast du das nicht Camilla?"
Wow. Mit so einer ausführlichen und ehrlichen Begründung hatte ich nicht gerechnet. Wir kannten uns kaum und Lauren offenbart mir ihre Seele. Auch Lauren schien zu merken, was sie da gerade alles erzählt hatte und war sichtlich nervös. Sie war nervös, nicht ich. Irgendwie war das süß.
„ Jetzt, jetzt sag doch mal was."
„Offen gestanden, weiß ich nicht was ich darauf antworten soll. Warum erzählst du mir sowas überhaupt Lauren?"
„Weil du die erste Person bist, von der ich Aufmerksamkeit bekomme, ohne mich dafür anstrengen zu müssen. Ohne mich vögeln lassen zu müssen."
„Lauren, dass ist nicht normal."
„Ich, ich weiß."
Eine Träne rollte über ihre Wange. Ich wischte sie mit meinem Daumen weg. Das war eine ganz andere Seite von Lauren. Bisher hielt ich sie immer für viel selbstsicherer als mich. Für mich war sie immer die dominierende Person. Sie tat mir leid. Am liebsten wollte ich sie trösten und in die Arme nehmen. Ihr sagen das alles gut wird. Aber ich kannte Lauren kaum, auch wenn es sich gerade nicht so anfühlt. Doch mein Verlangen sie zu trösten war unendlich groß. Langsam öffnete ich meine Arme und schloss sie um Laurens Körper. Wärme breitete sich überall aus. Mein Bauch schlug tausend Saltos. Sie sah mich an, direkt in die Augen. Verdammt ich wollte Lauren. Ihr Blick ging von meinen Augen zu meinen Lippen. Ich schaute ebenfalls auf ihre Lippen und bevor ich noch einen weiteren Atemzug machen konnte, spürte ich ihre auf meinen. Dieser Kuss war anders. Er war viel ruhiger und langsamer. Wir ließen uns beide sehr viel Zeit, die anderen Lippen zu spüren, uns zu spüren. Sanft legte Lauren ihre Hand auf meine Taille und streichelte diese. Stopp. Lauren machte gerade genau das, was sich auch mit den anderen 50 Jungs machte.
„Lauren, lass das. Soweit darf es nicht kommen. Ich möchte dir mehr geben. Mehr als das dir Jungs geben können."
„Es tut mir leid" Trotzdem konnte sie ihr grinsen nicht verbergen. Es scheint als hätte sie ihr Selbstbewusstsein wiederbekommen. War ich also auch nur da um Ihr Aufmerksamkeit zu geben? War das gerade nur eine Show?
Doch bevor ich Lauren diese Fragen stellen konnte, stand sie auf, setzte sich wieder in die andere Ecke, grinste mich an und machte ihre Aufgaben fertig.
Dieses Mädchen bringt mich noch um.

Wie Grün zu meiner Lieblingsfarbe wurde (Camren)Hikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin