Kapitel 25

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Harry:

Aus dem Augenwinkel sah ich wie Anna auf einmal aufsprang und Richtung Tür stürmte. Ohne lange nachzudenken löste ich meine Lippen von Taylors und versuchte sie hastig von mir wegzuschieben.
„Anna!“, rief ich ihr hinter her, doch sie schien mich nicht zuhören. „Anna, warte!“
Alle Blicke waren auf mich gerichtet, als ich vor mich hin fluchend aufstand.
„Sie reagiert ein bisschen über, wenn ihr mich fragt“, stellte Taylor mit genervter Stimme fest und verdrehte die Augen, als ich ihr einen wütenden Blick zu warf.
„Niemand fragt dich, Taylor“, gab Michael zurück, doch Taylor zuckte nur unbeeindruckt mit den Schultern.
„Wie auch immer, spielen wir jetzt weiter?“

Ich warf ihr einen letzten verächtlichen Blick zu und rannte dann Anna hinterher. Hoffentlich tat sie jetzt bloß nichts Dummes. Erleichtert atmete ich auf als ich sie auf der Treppe erblickte.
„Anna, bleib stehen! Lass es mich erklären!“
Dieses Mal schien sie mich zu hören, denn sie drehte sich kurz zu mir um. Selbst aus der Entfernung konnte ich sehen, dass sie weinte und es tat weh zu wissen, dass ich der Grund für ihre Tränen war.
„Fahr zur Hölle“, schleuderte sie mir entgegen und stolperte dann weiter die Treppen herunter.
Ich wollte ihr hinterher rennen, doch bevor ich mich versah wurde ich von zwei starken Händen mit dem Rücken gegen die Wand geschleudert. Blinzelnd versuchte ich meine Orientierung wieder zu gewinnen und zog überrascht die Luft ein als Niall sich breitbeinig vor mir aufbaute. Ich hatte ihn noch nie in meinem Leben wütend erlebt.
„Was sollte der Scheiß eben?!“, fuhr er mich an und presste mich so gegen die Wand, dass ich nicht loskam.
Aus dem Augenwinkel sah ich Anna in der Menge feiernder Menschen verschwinden und betete, dass Liam sie finden würde. Sie war ganz klar betrunken und ich hatte Angst, dass sie in diesem Zustand irgendetwas Unüberlegtes anstellen könnte.
„Anna hat praktisch zugegeben, dass sie dich gerne küssen würde und du machst daraufhin mit Taylor rum? Was zur Hölle hast du dir dabei gedacht?“
Nialls Augen funkelten wütend und es war offensichtlich, dass er mich nicht eher gehen lassen würde bis ich ihm eine gute Erklärung für mein Verhalten lieferte.
„Ich hatte keine Wahl, okay?“, gab ich bissig zurück und erwiderte seinen Blick mit der gleichen Härte.
Niall antwortete nicht, sondern schien darauf zu warten, dass ich mich weiter erklärte. Ich seufzte ergeben.

„Bei jeder anderen Party hätte ich Taylor auch geküsst“, redete ich weiter und blickte auf den Boden. Zum ersten Mal schämte ich mich für mein wildes Partyleben, dass ich hatte bevor ich Anna getroffen hatte.
„Es hätte für Aufmerksamkeit gesorgt, wenn ich mich auf einmal geweigert hätte, nur weil Anna dabei war. Jeder hätte sofort gedacht, dass Anna und ich was am laufen haben und das hätte wiederrum für Gerüchte gesorgt. Und du weißt wie schnell Gerüchte in unserem Freundeskreis an die Öffentlichkeit geraten.“
Niall presste die Lippen zusammen und nickte. Wir hatten das alle schon mehrmals schmerzlich erfahren müssen.
„Und ich kann nicht zulassen, dass irgendwo ein Zeitungsartikel über Anna und mich auftaucht. Das würde alles kaputt machen. Also war die einzige Möglichkeit so zu tun, als wäre mir egal, was Anna bei dem Spiel gesagt hat und Taylor zu küssen.“
Endlich schaffte ich es Niall von mir wegzustoßen und meine schmerzenden Schultern zu reiben.
„Du hättest sie gar nicht erst zu dieser Party bringen sollen…“, erwiderte Niall kalt doch sein Blick war ein wenig sanfter als zuvor.
Ich nickte. Seltsamerweise macht es mir nichts aus Niall so aufgebracht zu sehen. Es zeigte, dass Anna ihm wirklich etwas bedeutet und es tat gut zu wissen, dass er sich um sie sorgte, wenn ich mal wieder Scheiße baute.
„Was soll ich jetzt bloß tun?“, fragte ich leise und fuhr mir mit der Hand durch meine inzwischen total zerzausten Haare.
Niall musste meine Verzweiflung bemerken, denn auch der letzte Rest von Wut verschwand aus seinem Gesicht.
„Sag ihr du warst betrunken, hast nicht nachgedacht und dass du ein Idiot bist.“ Ein kleines Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Das wäre dann noch nicht einmal ganz gelogen.“
Ich erwiderte die Geste, auch wenn mir kein bisschen nach Lächeln zu Mute war. „Das ist die unglaubwürdigste Entschuldigung, die ich jemals gehört habe. Ich würde mir nicht einmal selbst verzeihen. Aber wie es aussieht, habe ich mal wieder keine andere Wahl.“
Ich wandte mich zum Gehen und fing an darüber nachzudenken, wie ich Anna am schnellsten finden konnte.  
„Harry?“, ertönte Nialls Stimme hinter mir und ich drehte mich noch einmal zu ihm um.
„Ja?“
Niall zögerte kurz und es schien, als versuchte er meine Reaktion abzuschätzen.
„Du könntest ihr auch einfach die Wahrheit sagen.“

Ich schob mich jetzt schon seit einer gefühlten Stunde durch die Menschenmassen in Ollys Haus, aber von Anna war weit und breit nichts so sehen. Mehrmals hatte ich versuchte sie auf ihrem Handy zu erreichen, aber es schien als hätte sie es ausgeschaltet. Das hatte mich natürlich nicht davon abgehalten ihr unzählige SMS zu schreiben und, von mal zu mal erbärmlich werdender, Sprachnachrichten auf ihrer Mailbox zu hinterlassen.
Der Gedanke, dass sie wohlmöglich die Party mit irgendwem verlassen hatte, schlich sich mehrmals in meine Gedanken aber ich schob ihn jedes Mal beiseite. Liams Auto stand immer noch draußen und ich weigerte mich zu glauben, dass sie einfach so mit irgendwem Fremdes mitgehen würde.
„Ups sorry“, ertönte eine tiefe Stimme rechts von mir und im nächsten Moment fühlte ich wie etwas nassen, klebriges durch den Stoff meines T-Shirts sickerte. Genervt drehte ich mich um und erblickte einen breitschultrigen Jungen in meinem Alter, der stirnrunzelnd zwischen seinem nun leeren Becher und dem, immer größer werdenden, nassen Fleck auf meinem T-Shirt hin und her schaute.
Ich wiederstand dem Drang ihn von mir weg zu schubsen, sondern genügte mich mit einem wütenden Blick in seine Richtung.
„Schlechte Laune, hm?“, fragte der Junge und griff nach einer Flasche, die irgendwer im Regal neben ihm abgestellt hatte und füllte seinen Becher nach.
Gerade wollte ich mich von ihm wegdrehen, als ich eine bessere Idee bekam.
„Ich suche nach einem Mädchen, hast du sie zufällig gesehen? Sie ist blond, lange Haare, schlank und ein bisschen kleiner als ich“, beschrieb ich Anna, doch der Junge starrte mich nur ratlos an.
„Rotes, kurzes Sommerkleid? Unglaublich hübsch?“, versuchte ich es weiter und auf einmal leuchtete seine Augen auf.
„Oh ja, an die erinnere ich mich“, grinste er und leckte sich über seine Lippen. „Ein echter Hingucker, die Kleine.“
Erneut musste ich all meine Willenskraft aufbringen um den Junge nicht niederzuschlagen.
„Wo ist sie?“, knurrte ich zwischen zusammengepressten Zähnen.
„Hinterm Haus im Garten.“
„Danke“, erwiderte ich knapp und nahm ihm seinen Becher aus der Hand. „Und um deine Frage von eben zu beantworten: Ja, ich habe schlechte Laune.“ Mit einer kurzen Handbewegung leerte ich das Getränk über seinem Kopf aus und ging dann ohne ein weiteres Wort davon.

Im hinteren Teil des Hauses waren ausfällig weniger Leute und selbst die Musik schien nicht ganz bis hierhin durch zu dringen. Draußen war es bereits dunkel, aber der Garten wurde von vielen fackelähnlichen Lampen erleuchtet. Trotzdem brauchten meine Augen ein wenig um sich an die neuen Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Als ich wieder einigermaßen sehen konnte, erblickte ich Anna auf einer Bank einige Meter von mir entfernt. Sie saß mit dem Rücken zu mir und schien mich noch nicht bemerkt zu haben. Zu meiner Überraschung saß eine größere Gestalt direkt neben ihr und die beiden schienen sich leise zu unterhalten.
Vorsichtig ging ich ein paar Schritte näher an sie heran und hütete mich davor irgendwelche Geräusche zu machen. Ich wusste dass es falsch war sich so an sie heran zu schleichen, aber ich konnte mich einfach nicht gegen meine Neugierde wehren.
Endlich war ich nah genug dran, dass ich verstehen konnte was sie sagten. Überrascht zog ich die Luft zwischen den Zähnen ein, als ich die Stimme des Jungen erkannte.

Liam beugte sich vor und flüsterte Anna etwas ins Ohr. Es schien lustig zu sein, denn sie kicherte und er blickte mit einem breiten Grinsen auf sie hinunter.
Gerade wollte ich mich bemerkbar machen, als Liam auf einmal den Arm um Anna legte und sie ein wenig näher an ihn heranrutschte.
Was zur Hölle war hier los??





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