Kapitel 29

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Harry:

Der Lärm war schon von weitem nicht zu überhören. Mein Blick wanderte durch die getönte Scheibe nach draußen. Bereits von hier aus konnte ich die Massen von Fans erkennen, die sich vor dem BBC Gebäude versammelt hatten und bei dem Anblick unseres Fahrzeuges in hysterisches Gekreische ausbrachen.
Ich spürte wie Paul sich neben mir anspannte und mit grimmiger Miene ebenfalls nach draußen schaute. „Wie finden die nur immer heraus wo ihr gerade seid?“, fragte er an niemanden bestimmtes gerichtet.
Niall, mir gegenüber, zuckte grinsend die Schultern. „Manchmal habe ich das Gefühl sie wissen wo wir sind, bevor wir es selbst tun.“

Alle lachten, doch die Stimmung blieb weiterhin angespannt, wie immer wenn wir kurz davor waren durch große Fanmassen geschleust zu werden.  Der Teil des Jobs war anstrengend und nervenauftreibend und wir alle wünschten uns bereits sicher in dem großen Gebäude zu sein.
Der Wagen kam langsam zum Stehen und augenblicklich fingen mehrere Mädchen an wie verrückt gegen die Fensterscheiben zu klopfen und ihre Gesichter dagegen zu pressen, in der Hoffnung einen kurzen Blick vor allen anderen auf uns erhaschen zu können.

Zayn, der mit Louis im hinteren Teil des Wagens saß, war auffällig still geworden. Ich warf ihm einen beruhigenden Blick über die Schulter zu, für den er mich dankbar anlächelte. Obwohl er, wie wir alle, an diese Art Situationen gewöhnt war, war er doch immer am nervösesten.
„Okay, einer nach dem anderen“, bestimmte Paul und richtete sich auf. „Keine Fotos, kein Körperkontakt, keine Reden. Lasst es uns einfach so schnell wie möglich hinter uns bringen.“
Wir alle nickten zustimmend, doch ich bemerkte wie Niall ein wenig das Gesicht verzog. Er hasste es genauso wie ich, die ganzen Mädchen draußen ignorieren zu müssen und ihnen nicht zeigen zu können wie viel es uns bedeutet, dass sie hier waren und uns unterstützten. Aber es war einfach unmöglich jedem einzelnen Fan die Dankbarkeit entgegenzubringen, die sie verdienten ohne stundenlang mit Umarmungen und ähnlichem beschäftigt zu sein. Dazu hatten wir einfach nicht die Zeit.

„Louis, du als erstes“, entschied Paul. Sobald er die Tür öffnete wurde der Lärm fast unerträglich. Ich unterdrückte dem Drang mir die Ohren zu zuhalten und die Mienen der anderen sagten mir, dass es ihnen ähnlich ging.
In geduckter Haltung stieg Louis dicht an Pauls Rücken geklammert aus dem Wagen und wurde dann augenblicklich von der Menge verschluckt.

Es dauerte eine Weile bis wir endlich alle zusammen in einem der unzähligen Räume des BBCs saßen. Von hier drinnen war der Lärm draußen nur noch als ein dumpfes Hintergrundgeräusch wahrzunehmen, welches sich gut ausblenden ließ.
Eine junge, blonde Frau saß uns mit einem breiten Lächeln gegenüber. Sie hatte sich als Rachel vorgestellt und schien bisher ganz nett zu sein. Allerdings wirkten Interviewer auf den ersten Eindruck immer sympathisch, was sich aber im Laufe eines Interviews sehr schnell ändern konnte. 
„Ihr seid live in 3 Sekunden!“, verkündete der Kameramann und hob drei Finger in die Luft.
3..2..1..
„Willkommen bei BBC Entertainment! Ich bin Rachel Johnson und heute habe ich ein paar ganz besondere Gäste dabei“, trällerte Rachel in die Kamera. „Die wohl angesagteste Boyband der Welt: One Direction!!!“
Wir lächelten alle höflich, blieben aber ansonsten still. Regel Nummer 1 bei live Interviews: Rede erst wenn man dich dazu auffordert.

„Erst gestern habt ihr eure weltweite Stadiontour bekannt gegeben und schon in einem halben Jahr soll es losgehen. Was war eure erste Reaktion, als ihr erfahren habt, dass ihr schon so bald wieder Konzerte geben werdet?“
Während wir alle davon erzählten wie sehr wir uns gefreut hatten und dass wir es schon jetzt gar nicht erwarten können, ertappte ich mich selbst dabei wie meine Gedanken langsam abschweiften. Früh genug hatten man uns beigebracht, nur das zu sagen, was die Leute hören wollten, nicht das was wir wirklich dachten. Es kam mir lächerlich ironisch vor hier zu sitzen und davon zu reden wie sehr ich mich auf die Tour freute, während alles woran ich denken konnte war, dass ich Anna für sehr, sehr lange Zeit nicht mehr sehen würde und ihr nicht mal erklären konnte wieso.
„Die genauen Konzertdaten stehen noch nicht fest, aber es ist so geplant, dass wir das letzte Konzert der Tour hier in London geben werden“, erzählte Niall mit leuchten Augen und ich zwang mich dazu meine Aufmerksamkeit wieder auf das Interview zu richten.
Rachel klatsche begeistert in die Hände, was mich vermuten ließ, dass sie höchstwahrscheinlich selbst ein Fan war. Ihre übertrieben Begeisterung wurde langsam ein wenig peinlich.
„Ich werde dann natürlich auf jeden Fall kommen“, scherzte sie (glaubte ich auf jeden Fall) und ich rang mir ein höfliches Lachen ab.
„Eure Freundinnen werden euch dann sicherlich zu dem Konzert in London begleiten, oder?“, fragte Rachel und blickte uns unschuldig an. Ich kannte diese Art von Fragen; es war der unauffällige Weg herauszufinden wer von uns noch single war.
Ich blickte auf meine Hände und hoffte, dass ich nicht dazu gezwungen wurde darauf zu antworten.
„So genau wissen wir das noch nicht“, sagte Zayn schließlich ausweichend, doch so schnell schien sich Rachel nicht zufrieden zu geben.
„Wer von euch ist denn im Moment überhaupt vergeben?“, stellte sie nun die Frage direkt und ich merkte wie sich die Stimmung im Raum veränderte. Es war immer leicht über die Musik zu reden, aber bei persönlichen Fragen musste man vorsichtig sein.

SecretsWhere stories live. Discover now