Kapitel 24

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Mit den Händen voller Tüten aus verschiedener Läden betreten Rosa, Daisy und ich Damiens Apartment. Rosa geht in die Richtung des Flurs, der zu Damiens Schlafzimmer führt. Ich schaue ihr mit verwundertem Blick hinterher. "Sollten wir die Sachen nicht lieber ins Gästezimmer bringen?", frage ich und beobachte auch, wie Daisy zögerlich stehen bleibt. Rosa hingegen lässt sich nicht abbringen, während ihre Stimme durch das Apartment hallt und sie erklärt, dass Mr. Hamilton es ihr so befohlen habe, womit sie Daisy überzeugt, ihr zu folgen.

Ich bleibe jedoch stehen, stelle meine Tüten ab und überlege für einen Moment, bis mir einfällt, dass Sebastian momentan ja im Gästezimmer unterkommt. Wenn Damien jedoch meine Kleidung bei sich im Schlafzimmer unterbringen möchte, dann wird er mein Kleid sehen, und ich wollte ihn doch damit am Samstag überraschen.

Entschlossen sortiere ich die Tüten so, dass die, die mein Outfit für Samstag bilden auf der ersten Stufe der Marmortreppe des Wohnzimmers stehen, und die mit den Alltagsklammotten auf der Zweiten. Dann nehme ich mir die drei wichtigen Tüten heraus und verstaue sie im Gästezimmer, als ich mir sicher bin, dass Sebastian nicht da ist. Ich bin so unendlich froh, dass wir das Kleid noch gefunden haben, und ich hoffe, es gefällt ihm genau so, wie es mir gefällt.

Als ich wieder aus dem Gästezimmer komme, sind Daisy und Rosa noch nicht wieder zurück, also beschließe ich mich dazu, ihnen hinterher zu gehen, um die restlichen Tüten zu bringen. Ich bin mir unsicher, wo Damien meine Kleidung verstauen möchte, da, soweit ich mich erinnere, seine Kleiderschränke im Schlafzimmer bis zum Rand mit Anzügen und Hemden voll sind.

In meinen Füßen hat sich ein stechender Schmerz ausgebreitet, der mich ab und zu dazu zwingt, mir auf die Lippe zu beißen, um mich abzulenken. Es war ein langer Tag und gegen Shoppen gehen, ist der Weg vom Vauxhall Park zur Oxford Street ja ein Katzensprung.

Im Flur zum Schlafzimmer sehe ich meine Tüten an der Treppe stehen. Kurz schaue ich mich um, bevor meine Augen Rosas Bluse am Ende des Ganges zu ihrem Zimmer sehen. Nun, da ihr Zimmer wieder betretbar ist, wundert es mich nicht, dass sie dies ausnutzt. Der schmale Türspalt auf dieser Entfernung lässt mich grad noch Daisys Haarschopf erkennen, dann sehe ich weg und lasse mich inmitten meiner Tüten auf der Treppe nieder.

Ich frage mich, wie es sich wohl anfühlen mag, jemanden so sehr zu lieben, dass man ihm seinen Körper anvertraut. Obwohl Damien mich schon nackt gesehen hat, wir beide gemeinsam in einer Badewanne saßen und in einem Bett geschlafen haben, bin ich mir nicht sicher, ob ich so intim mit ihm werden könnte. Ob er schon daran gedacht hat? Mir geht das Kompliment über den hellblauen BH, welches er mir vorgestern machte, nicht mehr aus dem Kopf. Um ehrlich zu sein, würde ich wahrscheinlich an meinem Herzschlag ersticken, wenn es soweit wäre, dass Damien und ich den nächsten Schritt gehen.

Während meine Gedanken zwei Parteien gründen, die sich mit verschiedensten Argumenten zu Grund und Boden reden, realisiere ich, dass ich besser meinen Einkauf in Damiens Schlafzimmer bringe. Schließlich wäre es recht komisch, wenn es so aussehe, als hätte ich auf Rosa und Daisy gewartet, bis sie mit ihrem -- wie nennt man es, Techtelmechtel? -- fertig sind.

Drei Mal muss ich hin und her gehen, um alle Tüten ans Ende von seinem Bett zu stellen. Besonders freue ich mich darauf, die Bluse zu tragen, die mir Rosa ausgesucht hat. Sie ist weiß und aus Seide, mit vielen kleinen dunkelblauen Vögeln. Rosa scheint es zu lieben, den Namen zum Pogramm zu machen, und um ehrlich zu sein, finde ich das so sympathisch an ihr. Es ist wie ein ganz persönliches Markenzeichen.

Damien hat tatsächlich einen Teil seines Kleiderschranks freigeräumt für meine neuen Klamotten. Mir kribbelt es im Bauch, als mir bewusst wird, dass das alles kein Traum ist. Wäre es ein Traum, würde mich jeder auslachen, dem ich davon erzähle. Aber es ist echt.

Rosa bestand darauf, dass ich mir BHs kaufe, und obwohl ich lieber mehr von den bequemen Sport-BHs mitgenommen hätte, überzeugte sie mich schließlich davon, dass auch mindestens zwei Modelle mit Spitze dabei sein müssen -- einen schwarzen und natürlich einen hellblauen. Ich sortiere sie in eine der drei schmalen Schubladen. In den restlichen verstaue ich meine Unterhosen und Strümpfe. Wir haben sogar Jeanshosen gefunden, die mir passen, und ausnahmsweise mal nicht zu locker an den Beinen sind. Es hat mich zwar viel Überwindung gekostet, mich im Spiegel zu betrachten, aber Daisy und Rosa meinten, ich sehe umwerfend darin aus, also habe ich ihnen geglaubt und mich überreden lassen.

Nach einer Stunde bin ich fertig, und in dem Moment, wo ich mir all das anschaue, was Damien mir einfach so geschenkt hat, erinnere ich mich an all die Zahlen, die ich heute gehört habe, und sie regnen auf mich nieder, als wollten sie mich ertrinken lassen. Mit der Freude kommt auch das Gefühl der Last.

"Birdie!", höre ich Daisys Stimme. Kurz darauf sehe ich zwei Gestalten die Treppe hocheilen. "Ist  alles in Ordnung?" Sie setzen sich links und rechts neben mir nieder. Erst dann fällt mir auf, dass ich ein, vielleicht sogar zwei Tränen vergossen habe. "Was ist denn los?" Ich schüttle mit dem Kopf. Ich habe keine Ahnung, was auf einmal mit mir los ist. Immer wenn ich daran erinnert werde, was Damien, Rosa und sogar Daisy für mich getan haben, kann ich nichts dagegen machen, als mich wie ein Hinderniss in ihrem Leben zu fühlen. Dieses Gefühl kommt genau in dem Moment, wo es mir das Glücksgefühl, was ich verspüre, ruiniert. Immer und immer wieder.

"Ihr macht alle so viel für mich. Aber... ohne mich... da wäre doch alles viel einfacher für euch?" Der Einschlag meiner Worte wird mir erst dann bewusst, als Rosa und Daisy sich schweigend ansehen. Kurze Zeit später legen sie ihre Arme um mich.

"Sag sowas nicht, Birdie." Rosa greift nach meiner Hand und hält sie einfach nur fest. "Wir sind so froh, dich kennengelernt zu haben. Du bedeutest uns so viel. Du bedeutest Mr. Hamilton so viel. Schau doch nur, was er alles für dich tut. Du musst einen groen Platz in seinem Herzen eingenommen haben, dass er sich so sehr um dein Wohlergehen kümmert." Sie führt den Satz fort, indem sie mir erklärt, dass ich ein Geschenk für ihn gewesen sein muss, da er sich so verändert hat, seitdem ich aufgetaucht bin, und ich muss schlucken. Der Kloß in meinem Hals wird kleiner, obwohl ich immer noch am Schluchzen bin. "Wir wissen, dass du eine schwere Zeit durchgemacht hast und immer noch mitten im Kampf stehst. Aber du sollst wissen, dass du nun uns neben dir hast, und wir lieben es, für jemanden zu kämpfen, der uns wichtig ist. So ist das ind er Freundschaft, so ist das in der Liebe." Ich schaue zu Rosa auf. Ihre Worte wirken wie Medizin. "Du würdest uns doch genau so beistehen und helfen, hab ich recht?" Ich nicke. Natürlich würde ich das. "Und Mr. Hamilton." Ich blinzle, beiße auf meine Unterlippe.

Ja. Das würde ich.




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Die wöchentlichen Updates beginnen heute. 1 bis 2 Updates von "The Rain Upon Us" pro Woche. (Montags und Freitags).

The Rain Upon Us (Damien & Birdie - Trilogie #2)Where stories live. Discover now