23. Kapitel

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Sylvie wachte mit einem Brummschädel in einem fremden Bett auf. Sie brauchte allerdings nur wenige Augenblicke, um zu rekonstruieren, wie es dazu gekommen war. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass es bereits über zehn war. Wann hatte sie zuletzt so lange geschlafen? Vorsichtig setzte sie sich auf, und sie presste sich die Hände an die Schläfen, als könnte sie dadurch, das Hämmern in ihrem Kopf fortdrücken. Was zum Teufel hatte Karina sich dabei gedacht? Absinth ... die Absinthbars von Prag konnten ihr echt gestohlen bleiben. Vielleicht war es auch der Rotwein gewesen und dann der Campari in dieser Bar auf dem Heimweg ...?

Auf dem Boden neben dem Bett fand sie ihre Kleidung vom Vortag. Langsam und bedächtig zog sie sich an. Vermutlich war sie alleine in der Wohnung. Karina war um diese Zeit bestimmt schon in der Probe. Und Jitka, war die zurückgekommen? Erik probte jetzt mit Karina, und Jitka erst am Nachmittag, das hatte sie noch mitbekommen und schön langsam kannte sie wirklich alle Probenpläne.

In der Küche fand sie eine Thermoskanne mit Kaffee, der noch fast lauwarm war und einen Zettel von Karina.

„Guten Morgen Sylvie, mir tut das von gestern wirklich leid, das war ein dummer Einfall von mir. Lass uns später reden. Ich melde mich am Nachmittag bei dir. Kuss, Karina. P.S. Lass die Tür einfach ins Schloss fallen."

Zumindest sah sie es ein. Sylvie suchte sich eine Tasse und trank zuerst ein paar große Schlucke Leitungswasser. Am Anfang musste sie sich überwinden, doch dann merkte sie, dass ihr das gut tat und wie ausgetrocknet ihr Mund sich angefühlt hatte. Die Kopfschmerzen wurden auch gleich erträglicher und der Kaffee tat ein übriges. Doch die Croissants ließ sie lieber stehen, die wollte sie ihrem Magen jetzt wirklich nicht zumuten. Als sie sich einigermaßen wie ein Mensch fühlte, wusch sie ihre Tasse ab, stellte sie zurück ins Regal und verließ die Wohnung.

Zurück in der eigenen Wohnung duschte sie zuerst, zog sich frische Sachen an und nahm ein Aspirin. In der Küche standen noch die Reste eines typisch italienischen Frühstücks zu zweit. Eingetrocknete Kaffeetassen und steinhartes Toastbrot. Nun ja, das war vorher schon nicht mehr ganz frisch gewesen. Sie räumte ein wenig auf, aß einen Keks, stellte die angebrochene Kekspackung in den Vorratsschrank und legte die lieblos in einem Plastikbeutel herumliegenden Nektarinen in eine Obstschüssel.

Nachdem sie sich selbst und die Wohnung einigermaßen in Ordnung gebracht hatte, entschloss sie sich, den bereits halb vergeudeten Vormittag noch für einen Museumsbesuch zu nutzen. Immerhin waren nicht mehr allzu viele Tage übrig und sie hatte noch einige Punkte auf ihrer Liste offen. Sie entschied sich für den Palazzo Madama, 2.000 Jahre Geschichte Turins, das klang zwar sportlich, aber laut Suchmaschine brauchten die meisten Menschen für den Besuch dieses Museums nur anderthalb bis zwei Stunden, das passte ihr jetzt genau. Dann hatte sie am Nachmittag noch Zeit für das ägyptische Museum und Karina konnte sie noch ein wenig schmoren lassen.

Nachdem die Aspirintablette den letzten Rest Kopfweh beseitigt hatte, hatte Sylvie ihr schon beinahe verziehen. Sie war durchaus nicht nachtragend. Aber Karina sollte sich ruhig merken, dass Sylvie solche Aktionen nicht besonders toll fand. Und das mit der Prager Absintbar würde sie sich tatsächlich noch sehr gut überlegen.

Der Palazzo war ein seltsames Konglomerat aus spätmittelalterlicher Zitadelle und Barockschloss, je nachdem, von welcher Seite man ihn betrachtete, aber das Museum im Inneren hatte sie relativ schnell gesehen. Auf dem Heimweg verzehrte sie in einem Cafe einen großen Salat, nach der gestrigen Eskapade hatte sie Lust auf etwas Grünes, Knackiges, Gesundes. Es war bereits halb drei, als sie wieder in die Wohnung zurück kehrte und als sie zur Tür hereinkam, blinzelte ihr Erik vom Sofa entgegen und sah ein wenig zerknautscht drein.

"Alles in Ordnung?", fragte sie und er nickte.

"Ich bin wohl kurz eingedöst, dabei wollte ich gleich wieder weg." Er ribbelte sich den Schlaf aus den Augen und stand vom Sofa auf. "Soll ich dir auch einen Kaffee machen?"

Das Schicksal spielt in Dur und MollWhere stories live. Discover now