31. Kapitel

88 15 3
                                    

"Wer zum Geier braucht im September überhaupt noch eine Gartenserie", schimpfte Sylvie. Sie lehnte sich auf Vincents Sofa zurück und schloss die Augen. Sie hatte jetzt Feierabend und da konnte ihr das verdammte Grünzeug endlich mal gestohlen bleiben. Morgen musste sie sich ohnehin wieder in den Kopenhagener Kleingartendschungel begeben, um sich mit dessen Bewohnern auseinanderzusetzten.

Nach Sylvies letztem Artikel in der Gartenserie wetzten die bestimmt schon ihre Mistgabeln. Ihr war erst jetzt so richtig bewusst geworden, dass die 'Stadt & Land'-Rubrik eher als Wohlfühlrubrik zu verstehen war. Dementsprechend hatten die passionierten Kleingärtner ihren gesellschaftskritischen Artikel über den "Rückzug in die Gartenzwergidylle" mit bösen Leserbriefen und üblen Facebook-Kommentaren quittiert.

Und die neuen Kollegen hatten Sylvie einfach auflaufen gelassen. Gut, sie hatte sich auch bis zu einem gewissen Punkt unbelehrbar gezeigt. Sie wollte eben nicht, dass man ihre Herangehensweise in Frage stellte. Zudem schien sie an ihren ersten Arbeitstagen in der neuen Abteilung, einen eher hochmütigen und eingebildeten Eindruck gemacht zu haben. Das hatte ihr eine Kollegin durch die Blume mitgeteilt. Dabei hatte sie sich doch benommen, wie immer. Nun ja, jetzt hatte sie ihre Strafe bekommen und sie wusste woran sie war.

"Willst du auch noch ein Bier?", rief Vincent aus der Küche.

"Unbedingt", antwortete sie und es dauerte nicht lange, da kam er mit zwei, sich sich beschlagenden Gläsern zurück. Draußen klopfte der Regen gegen die Fensterscheiben.

"Bei Sonne am Balkon schmeckt das Bier sicher besser," sagte sie.

"Beschwer dich nicht bei mir, ich kann's auch nicht ändern."

"Hm", machte Sylvie und schaute missmutig vor sich hin. Da hatte er wohl Recht.

"Du hast zumindest in der ganzen Redaktion für Gesprächsstoff gesorgt. Ein verärgerter Oligarch, und ein Shitstorm von der Kleingartenkolonie in nur etwas mehr als einer Woche. Da gibts Kollegen, die schaffen das nicht in dreißig Jahren."

Na, wenigstens einer schien das amüsant zu finden. Sylvie verdrehte die Augen und nahm einen Schluck von ihrem Bier. Es schmeckte irgendwie seltsam, aber sie wollte Vincent nicht auch noch wegen des Biers anjammern. Sie wusste, dass er sich eine Menge darauf einbildete. Ein ehemaliger Schulkollege von ihm betrieb so eine verhipsterte Experimentalbrauerei - oder wie immer man das nennen wollte. Und dann hatte Vincent flaschenweise die neuesten Kreationen bei sich herumstehen. Das hier war absolut von der besseren Sorte. Sie erinnerte sich mit Schaudern an diese grässliche Lakritz-Zitronen-Verirrung. Die Eigenart des Gebräus das vor ihr stand, bestand glücklicherweise nur in dem liebevoll auf Südostfünen kultivierten Biohopfen und der sollte eigentlich unauffällig sein. Aber es war wohl zu konservativ, ein Bier zu wollen, das einfach nur nach Bier schmeckte.

"Vielleicht wäre das eine Geschichte", sinnierte sie vor sich hin. "So ein Hopfen-Biobauer, das könnte interessant sein, oder? Dann kann ich mir nach der Gärtnerei auch noch mit Landwirtschaft die Finger verbrennen."

"Dann steckt dich Jesper endgültig in die Kulturabteilung."

"Dann gehen als nächstes die Opernfreunde auf die Barriekaden. Aber ich wette einige in der Redaktion freuen sich da schon drauf." Sylvie seufzte noch einmal und trank noch etwas von dem Bier. Wenn man sich einmal dran gewöhnt hatte, war es nicht so schlecht.

Es kam schon hie und da vor, dass sie schlecht gelaunt von der Arbeit kam. Normalerweise kuschelte sie sich dann an Vincents Schulter, er fuhr ihr mit der Hand durch die Haare, irgendwann verzogen sie sich ins Schlafzimmer und das versöhnte sie auch schon mit der Welt. Aber seit sie wieder zurück war in Dänemark, fühlte sich das nicht mehr so an wie früher. Etwas war anders, und sie war sich sicher, dass das nicht nur an ihr lag. Sie suchte seine Nähe nicht, doch auch er hatte sie nur zur Begrüßung kurz geküsst. Die flüchtigen Berührungen, die sich sonst immer ganz natürlich und von selbst ergeben hatten, blieben aus, und wenn einer von ihnen es doch versuchte, dann wirkte es irgendwie gesucht und nicht richtig.

Das Schicksal spielt in Dur und MollWhere stories live. Discover now