Kapitel 29

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Zu meiner Verwunderung hatte ich trotz des Alptraums die restliche Nacht noch ziemlich gut geschlafen und war am nächsten Morgen nur halb so angespannt und erschöpft, wie ich erwartet hätte. Allerdings hatte der Traum dennoch seine Spuren hinterlassen.

Eins stand für mich in diesem Moment jedoch fest: Marco würde unter keinen Umständen eingeweiht werde, egal ob Kapitän oder nicht.

Und wenn Favre damit nicht einverstanden war, musste ich wohl über einen Wechsel auf Leihbasis ab dem Winter nachdenken. Alles, damit dieser Traum auf keinen Fall zur Realität wurde.

Ann Kathrin war währenddessen bereits wach, denn sie lag nicht mehr neben mir, beziehungsweise kam sogar gerade mit einer Tasse Kaffee in der Hand in den Raum.

"Du bist ja schon wach, ich wollte dich gerade wecken", stellte sie fest und setzte sich dann wieder zu mir aufs Bett.

Ich richtete mich auch auf und lehnte mich gegen das Kopfteil, um dann die Tasse Kaffee von ihr entgegen zu nehmen.

"Danke", bedankte ich mich bei ihr.

Der Dank galt aber nicht nur dem Kaffee, sondern auch für heute Nacht und all die anderen Momente, wo sie einfach immer für mich da gewesen war, mir Halt und Kraft gegeben hatte.

"Immer gerne", erwiderte sie und lächelte mich an.

Vorsichtig nahm ich meinen ersten Schluck Kaffee.

"Sag mal, wegen heute Nacht... möchtest du darüber reden?", fragte sie mich nach zwei weiteren Schlucken.

"Nein", lehnte ich ab.

Ich konnte einfach nicht darüber reden und Marcos Verrat aussprechen, auch wenn ich diesen nur geträumt hatte.

"Okay, aber wenn du es dir anders überlegst, dann sag mir bescheid. Ich bin immer da, wenn du jemanden zum reden brauchst", bohrte sie auch nicht weiter.

Sie wusste einfach wann sie bei mir weiter kam und wann nicht. Würde sie jetzt weiter nachfragen, würde ich nur auf stur schalten und das wusste sie.

"Dann trink mal deinen Kaffee, du musst nämlich bald zum Training", seufzte sie und stand auf, "ich bin in der Küche und mach dir noch einen Toast, damit du was gegessen hast bevor du los musst."

Dann ließ sie mich alleine im Schlafzimmer zurück und ich schaute ihr hinterher.

Sie war schon wie ein Engel in meinem Leben. Ich wüsste nicht, was ich ohne sie machen sollte. Irgendwie war es schon schade, dass sie nur eine Beta war. Wenn sie eine Alpha wäre, müsste ich mir keine Sorgen mehr in meinem Leben machen. Naja, zumindest ein paar weniger, denn verstecken musste ich mich immer noch.

Aber andererseits hätte ich Ann Kathrin wohl nie kennengelernt, wenn sie eine Alpha gewesen wäre. Ich hätte ihr nie eine Chance gegeben. Also war es vielleicht doch besser, dass sie eine Beta war und ich eine Freundin hatte. Eine Vertraute in dem ganzen Chaos meines Lebens. Meine beste Freundin und wie eine Schwester.

Verhältnismäßig zügig trank ich meinen Kaffee leer. Ich war erst sehr spät wach geworden und musste dann doch recht schnell zum Training.

Außerdem hatte ich nicht das Bedürfnis, dass Ann Kathrin mir Beine machte. Das konnte sie nämlich hervorragend. Ich musste wirklich richtig krank sein, damit sie mich nicht ins Training oder zum Einkaufen oder sonst wo hin jagte, auch wenn ich absolut keine Lust hatte und lieber in meinem Bett bleiben würde.

Angezogen machte ich mich also bald auf den Weg in die Küche, wo ich als erstes meine Suppressiva wieder zu mir nahm.

"Ich werde mich nie an diese Tabletten gewöhnen", seufzte Ann Kathrin.

"Ann bitte. Nicht heute wieder diese Diskussion. Ich werde sie weiter nehmen und ende. In der Winterpause werde ich dann auf andere umgestellt", murmelte ich.

"Das hast du mir ja noch gar nicht erzählt!", kam es überrascht von ihr.

"Sorry, muss ich vergessen haben. Hatte ein Gespräch mit dem Doc. Bei Joshua haben die Suppressiva versagt. Deswegen jetzt auf jeden Fall ne erhöhte Dosis bei mir und in der Winterpause muss ich dann in Hitze und auf andere Medikamente umstellen", erzählte ich ihr und könnte mich aber fast sofort dafür treten, dass ich es getan habe.

"Seine Suppressiva haben wirklich versagt?! Mario weißt du eigentlich wie gefährlich es ist, dass du dich weiter auf diese Medikamente verlassen musst?! Warum könnt ihr dich nicht sofort umstellen? Die zwei oder drei Spiele die du verpassen würdest sind doch bestimmt nicht wichtiger als deine ganze Karriere und dein ganzes Leben!", regte sie sich auf und ich seufzte.

Genau darauf hatte ich nach meinem Traum heute Nacht ja jetzt so Lust.

"Ann Kathrin bitte. Bei der hohen Dosis wird mir schon nichts passieren", log ich sie an, obwohl ich wusste, dass ich mit dem Feuer spielte.

Aber ich wollte auch keine Spiele ausfallen lassen. Nach dem miesen Start in die Saison hatte ich jetzt endlich eine Chance. Das würde ich mir nicht von meiner verdammten Biologie kaputt machen lassen.

"Mario bitte! Ich hab Angst um dich!", flehte sie mich an, aber jetzt war ich wieder so weit auf stur zu schalten.

"Nein! Und je mehr du mich drängst, umso weniger werde ich es tun und das weißt du auch ganz genau!", fauchte ich sie an und sie verstummte.

"Ich muss jetzt zum Training. Wir sehen uns dann heute Abend", murmelte ich in die entstandene Stille und rauschte schließlich an ihr vorbei aus dem Haus.

Ich würde jetzt zwar wohl einer der ersten sein der da war, aber das war mir egal. Ich musste hier raus.

Hoffentlich würde dieser beschissene Tag nach dieser beschissenen Nacht und diesem Start einfach nur besser werden. Für heute war ich nämlich eigentlich schon bedient. Aber wie hieß es so schön? Karma war manchmal wohl eine Bitch. Und meines ganz besonders.

Sleepless DreamerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt