Kapitel 97

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Stocksteif blieb ich im Flur stehen. Wollte er mich vielleicht sogar rausschmeißen und mich ins Zentrum bringen? Hatte er Jule als Unterstützung dabei, falls ich Widerstand leisten sollte?

Ich rührte mich keinen Meter.

"Könntest du mit ins Wohnzimmer kommen? Bitte?", fragte mich Marco und traurig schloss ich die Augen.

Ich sollte mich dem wohl besser mal stellen. Als ich mich mit so viel Haltung wie ich noch hatte zu den beiden umdrehte, blieb mir jedoch die Luft weg.

Marco und Jule standen nicht einfach nur im Flur, nein, die beiden hatten einen großen Weihnachtsbaum in den Händen.

"Was?", fragte ich tonlos.

"Lass uns den Baum abstellen und dann erkläre ich dir alles", schlug Marco vor und wie ferngesteuert nickte ich.

Marco hatte einen Weihnachtsbaum gekauft. Perplex folgte ich den beiden und beobachtete, wie sie den Baum im Wohnzimmer aufstellten und das Netz aufschnitten.

Marco hatte uns einen Weihnachtsbaum gekauft und ich Idiot hatte ihm alles mögliche schon unterstellt. Ich schämte mich. Fabian hatte recht. Ich stand allem im Weg und machte alles kaputt, weil ich Marco einfach nicht vertraute. Dabei hatte er oft genug bewiesen, dass er mein vollstes Vertrauen verdient hatte.

Besonders extrem war es vor allem gewesen als ich dank der Presse mitten in der Kabine in Hitze gegangen war. Ich hatte ihn angefleht mich zu nehmen und er hatte es nicht getan. Ich sollte ihm wirklich mehr Vertrauen entgegen bringen.

"Aber das... das ist doch der Baum von gestern", murmelte ich.

Marco hatte doch gesagt, dass wir den Baum unter keinen Umständen kaufen würden.

"Das ist er", bestätigte Marco und ich schaute ihn mit großen Augen an.

"Aber...", setzte ich ungläubig an und fühlte mich unglaublich schlecht.

Marco hatte mir diesen Baum gekauft und ich hatte schon wieder so entsetzliche Dinge über ihn gedacht. Dabei hatte er etwas für mich getan, obwohl es ihm bestimmt schwer gefallen war mit dem Typen zu handeln.

Ich hatte das nicht verdient. Die ersten Tränen begannen in mir hoch zu steigen. Ich war so entsetzlich.

"Hey Mario, ich dachte du freust dich über den Baum", fragte Marco verwirrt und wollte mich in den Arm nehmen, aber ich wich einen Schritt nach hinten.

Mit dieser Reaktion hatte Marco nicht gerechnet und blieb vor mir stehen.

"Mario? Was ist los? Warum weinst du? Freust du dich denn gar nicht über den Baum?", fragte er.

"Der Baum ist es nicht. Er ist wunderbar. Aber ich habe ihn nicht verdient. Ich hab dich nicht verdient", schniefte ich.

"Das versteh ich nicht. Warum solltest du mich nicht verdient haben?", fragte Marco verwirrt.

"Weil ich dich einfach nicht verdient habe. Weil ich dir nicht vertraut habe", schniefte ich und senkte beschämt den Kopf.

Jetzt schien auch Marco endlich mein Problem zu verstehen.

"Jule, könntest du uns beide bitte alleine lassen und die Haustür hinter dir schließen?", fragte Marco ruhig.

"Natürlich", kam Jules Antwort, "ihr beiden schafft das hier oder?"

"Ja, tun wir. Nur bitte lass uns jetzt alleine ja?", fragte Marco und hatte sich noch nicht von mir weg bewegt.

"Okay, dann bis morgen ihr zwei", verabschiedete er sich und verließ uns.

Weder Marco noch ich rührten uns. Auch nicht, als wir die Tür gehört hatten und wussten, dass wir wieder alleine waren.

"Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll Mario. Ich weiß nicht, wie ich dir beweisen kann, dass du mir vertrauen kannst. Was muss ich noch tun?", fragte mich Marco müde.

"Es liegt doch nicht an dir", murmelte ich entsetzt.

"Woran dann?"

"Ich weiß einfach nicht, ob ich genug bin. Ob ich dir alles geben kann. Dass du nichts vermisst und es nicht irgendwann bereust", murmelte ich leise und strich mir die Tränen von den Wangen.

"Das ist das Problem? Du glaubst, dass du mir nicht reichst?", fragte Marco entsetzt.

"Ich... Ja", gab ich zu, "ich weiß nicht, ob ich dir all das jemals geben kann. Ich bin kaputt und unbrauchbar. Wer weiß, ob ich jemals Kinder bekommen kann. Und außerdem bin ich nicht gerade das perfekte Omega", weinte ich während Schweigen herrschte.

"Und du glaubst, dass ich dich deswegen loswerden wollen würde", fragte Marco betont ruhig.

"Ja. Vielleicht nicht heute, aber irgendwann schon", gab ich zu und jetzt war es Marco der zurück wich.

"Ich werde dich nie loswerden wollen. Ich liebe dich Mario. Ganz im Gegenteil. Ich versuche immer alles zu tun, damit du nicht weg willst", war seine verletzte Antwort.

"Warum sollte ich weg wollen?"

"Glaubst du du bist der einzige der Angst hat zu wenig bieten zu können? Denkst du wirklich, dass ich keine Angst habe, dass ich dir zu wenig bin und du weg willst? Ich hab dich von Anfang an vor vollendete Tatsachen gestellt, hab dir nie die Chance auf ein anderes Alpha gegeben. Was ist, wenn du morgen auf das perfekte Alpha für dich triffst? Jemand, der besser ist als ich, der dich glücklicher macht und dir mehr bieten kann. Jemand, der nicht Fußball spielt und dich Tag für Tag verletzt. Jemand, dem du endlich vertrauen kannst. Ich hab Angst, dass du nur mit mir zusammen bist, weil du es musst und nichts besseres kennst. Ich versuch alles zu tun um dich glücklich zu machen, damit mir nicht morgen der wichtigste Teil meines Lebens fehlt", platzte es jetzt aus Marco heraus.

Seine Worte überraschten und trafen mich. Ich hatte nie mitbekommen, dass auch Marco Angst und Zweifel hatte. Er wirkte auf mich immer wie das starke und sichere Alpha. Und jetzt stand er da vor mir, genauso verletzlich wie ich und ohne eine Ahnung, wie wir jetzt wohl weiter machen würden.

"Aber ich würde dich doch niemals verlassen", meinte ich verwirrt.

"Ach ja? Wie sollte ich mir da sicher sein Mario? Du hast selbst gesagt, dass Alphas keine strahlenden Prinzen sind und du hattest ja nicht mal unrecht, aber wie soll ich mir sicher sein, dass du bei mir bleiben willst?", fragte Marco bitter weiter.

"Weil ich dich liebe", murmelte ich traurig.

"Und ich liebe dich auch und trotzdem zweifelst du an mir. Dabei bin ich noch der von uns beiden, der sich mehr öffnet. Weißt du eigentlich wie frustrierend es ist, wenn du das Gefühl hast, dass nach jedem Schritt vor zwei zurück folgen?", sprach Marco frustriert aus.

Er hatte wohl wirklich jedes Recht an mir zu zweifeln. Wenn mir seine Versicherungen der Liebe nicht reichten, wie sollten es dann meine? Ich hatte nie ein gutes Haar an Alphas gelassen. Ich hatte Marcos Misstrauen verdient.

Wir saßen irgendwie in einer Sackgasse und ich hatte keine Ahnung, wie wir da wieder rauskommen würden.

Sleepless DreamerWhere stories live. Discover now