Kapitel 11

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Sanfte Musik kam aus dem großen Ballsaal. Mein Bruder hatte wohl eine große Truppe von Musikanten bestellt. Vor den Türen des Festsaals atmete ich tief durch und setzte ein Lächeln auf. Dann richtete ich mich so weit ich konnte auf, reckte das Kinn und nickte den Wachen zu. Die beiden stämmigen Wachen rechts und links neben der zweiflügeligen Tür gehorchten sofort und öffneten die massiven Türflügel nach außen. Mir schlug ein Schwall warmer und stickiger Luft entgegen. Der große, hohe, fast runde Raum wurde mit Unmengen von Kerzen und Fackeln erhellt. Die bewegten Flammen spiegelten sich in den vergoldeten, ausladenden Stuckverzierungen an den Wänden und der Decke. Die Decke wölbte sich zu einer Kuppel, die neben der Stuckverzierung noch mit einigen Spiegeln verziert war sodass der Raum nach oben hin ein Ende zu nehmen schien. Der Raum wirkte überirdisch und kaum zu fassen. Die polierten Marmoroberflächen des Bodens und der Halbsäulen an den Wänden verstärkten dieses Gefühl. Mein Bruder liebte diesen Raum, der Raum machte jedem deutlich, wie unantastbar der König war. Von meiner Position aus, oben auf der Treppe, die zur Tanzfläche führte, sah ich ein sich windendes und drehendes Gemenge aus den verschiedensten Kleidern und Hüten. Das Fest war im vollen Gange.

Neben mir räusperte sich leise der Zeremonienmeister und ich sah zu ihm. Er verbeugte sich schnell, schwang seinen Stab und klopfte dann zweimal auf eine Holzkonstruktion. Die lauten Schläge sorgten für ein Innehalten in der sich windenden Masse. Die Musik hörte auf zu spielen und alle wandten sich mir zu. Mit geübter lauter Stimme kündigte mich der Zeremonienmeister an: „Ihre Königliche Hoheit Prinzessin Katharina Elina Violetta von Alabae" Ich blieb hoch erhobenen Hauptes oben auf dem Treppenabsatz stehen und sah zu, wie sich die edlen Damen und Herren des Königreichs vor mir verbeugten. Mir gegenüber am anderen Ende des Saals sah ich ein kleines Podest mit zwei rot gepolsterten Stühlen. Dort saß mein Bruder auf dem größeren und kunstvolleren der beiden Stühle. Ich raffte etwas mein Kleid etwas und machte mich vorsichtig, aber mit perfekter Haltung, daran die Stufen herabzusteigen. Unten angekommen, bildete die Menge ein Spalier und ich schritt den dadurch entstandenen Gang entlang. Die Damen und Herren, an denen ich vorbeikam, verbeugten sich und richteten sich erst wieder auf, als ich schon ein Schritt an ihnen vorbei war. Es war ein Theater. Normalerweise müsste ich noch langsamer gehen, um die Edelleute daran zu hindern sich allzu schnell wieder aufzurichten. Es war eine pure Verherrlichung der Macht, die ich in frühen Jahren albern fand und inzwischen hasste. Die Leute wurden daran gehindert zu tanzen und sich zu amüsieren, nur weil ich von einem Ort zum anderen gehen wollte.

Endlich war ich bei dem Podest angekommen. Ich ging die zwei Stufen hoch, die das Podest von dem Boden trennte und damit die Königliche Familie von den tanzenden Leuten. Vor meinem Stuhl angekommen drehte ich mich zur Menge um, die mich jetzt anguckte, verharrte kurz und ließ mich dann sehr langsam unter Anstrengung all meiner Muskeln in den Oberschenkeln auf die roten Polster nieder. Kaum, dass ich mich hingesetzt hatte, fingen die Musiker auch wieder an zu spielen und die Leute begannen von neuem mit dem Tanz und dem Geplauder.

Mein Bruder saß links von mir, einen großen Schritt von mir entfernt. Glücklich registrierte ich, dass er zu weit weg saß, um mich zu berühren und die Musik zu laut war, als dass er mit mir hätte reden können. Falls er also etwas in dieser Richtung vorhätte, würde er aufstehen müssen.

Von rechts kam ein Diener und reichte mir ein großes Glas mit einer roten Flüssigkeit. Ich nahm ihm das Glas ab und nippte daran. Als ich mir mit der Zunge über die Lippen strich, schmeckte ich die süße Wärme des Weins. Es war ein guter Wein, sehr süß und leicht, so mochte ich ihn am liebsten. Erneut nippte ich an dem Glas. Ich durfte heute nicht viel trinken, das würde uns auf der Flucht nachher nur behindern. Es war das letzte Mal, dass ich so guten Wein trinken würde und mir fiel auf, dass ich es vermissen würde. Aber ich würde nicht nur den Wein, sondern auch mein weiches Bett, die wärmenden Bäder jeden Tag und das köstliche Essen vermissen. Ich hatte ein Leben voller Privilegien geführt und würde dies gegen ein Leben voller Entbehrungen eintauschen. Aber das war es wert.

Ich sah den Tanzenden zu, sah zu wie sich die Damen vor meinem Bruder präsentierten und Galle stieg mir in den Mund. Schnell nahm ich einen kleinen Schluck von dem Wein, um sie zu vertreiben und schaute dann auf die tanzenden Herren. Diese versuchten verzweifelt, die Aufmerksamkeit der Damen zurück zu gewinnen, mit denen sie tanzten. In diesem Raum lag keine Liebe, vermutlich nicht mal wirkliches Verlangen, in diesem Raum lagen strategische Pläne und Intrigen, um die Reichen noch reicher zu machen. Wieder nippte ich an dem Wein, um mich abzulenken. Das alles hier war so ekelerregend, das würde ich mit Sicherheit nicht vermissen.

Unter der Haube goldenes HaarWhere stories live. Discover now