Kapitel 16

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Etwa zwei Dutzend Frauen standen vor dem Dienstboteneingang des Schlosses und warteten. Scheu blickte ich zu Gilde. Diese nickte mir beruhigend zu und bedeutete mir, mich zu den Frauen zu stellen.

Mit einem Seufzen stellte ich mich hinter zwei angeregt diskutierende Frauen: „Ob der Kronprinz auch da sein wird?" „Nein, das ist Sache der Königin und der Prinzessin." „Aber wenn ich Zofe werden sollte, dann könnte ich ihm doch begegnen, oder?" „Ich glaube nicht, dass er dich beachten wird" „Ja, aber er ..." Die Frauen wurden still, als die Tür aufschwang.

Eine ältere Frau mit strenger Frisur und noch strengerem Gesichtsausdruck stand im Eingang. Auch die anderen Frauen verstummten. Die Frau im Eingang ließ ihren Blick kühl über uns wandern: „Ich bin Sofia, die königliche Hausdame. Ich kümmere mich darum, dass der Haushalt am Königshof reibungslos läuft. Die Zofen sind mir demnach direkt unterstellt. Ich werde euch heute prüfen. Die Besten unter euch werden dann vor die Prinzessin geführt, die sich unabhängig von euren Leistungen eine Dame aussucht, die sie zur Zofe ernennt."

Ich nickte, so war es auch bei Gilde und mir gewesen, es war eine Tradition, die viele Königreiche hier in der Gegend fortführten. Dieses Verfahren gab Bürgerlichen die Chance, gesellschaftlich aufzusteigen. In anderen Königshäusern erzogen Adlige ihre Töchter von Geburt an dazu, Zofe zu werden und sie wurden, ohne Rücksicht darauf, ob sich die Beiden verstehen würden, einem der Königskinder zugeteilt.

Sofia trat zur Seite und wies uns den Weg in einen Raum rechts neben der Tür. In dem Raum standen Tische, auf denen etliche Utensilien lagen. Jede zukünftige Zofe bekam einen Arbeitsplatz mit genau den gleichen Arbeitsmitteln. Im Laufe des Vormittags wurden wir in allen möglichen Kategorien getestet. Wir mussten nähen, stopfen und sticken.

Sofia wanderte durch die Reihen und blickte uns über die Schulter, während unsere Zeit, die wir für die Aufgaben bekommen hatten ablief. Dann wurden wir nicht nur über die Geschichte von Equitaniens und seiner zwei Nachbarländern ausgefragt, sondern sollten auch Wissen über alle 18 Königreiche unseres Landes Tibien vorweisen.

Als nächstes mussten wir ein Bild malen und ein Lied vortragen. Es war eine lange Prozedur, die viele in Verzweiflung ausbrechen ließ. Einige verließen den Raum, da sie den Stress nicht ertragen konnten. Ich wusste, wie stressig der Alltag einer Prinzessin sein konnte, also musste der einer Zofe noch tausendmal stressiger sein. Es brauchte also auch jemanden mit guten Nerven und ich bezweifelte nicht, dass die Prüfung so stressig gestaltet wurde, um zu testen, wer trotz des enormen Stresses die Nerven behalten und seine Aufgaben trotzdem ruhig und sorgfältig durchführen würde.

Für mich waren einige Aufgaben durch meine Ausbildung als Prinzessin fast zu einfach, jedoch kam ich deutlich ins Schwitzen, als es um die neu erlernten Fähigkeiten wie Nähen und Stopfen ging.

Mit einer Glocke verkündete Sofia das Ende der Prüfungen. Erwartungsvoll saßen wir still und unbewegt auf unseren Plätzen.

Sofia ging kurz heraus und kam nach einigen Minuten mit einer Liste zurück: „Es wurden fünf Damen ausgewählt, die ich vor die Prinzessin Berenike führen werde: Lucia, Aila, Louisa, Nora und Katharina"

Ich zuckte zusammen, als mein Name fiel. Ich war wirklich ausgewählt worden. Rechts und links neben mir hörte ich das enttäuschte Stöhnen der Frauen, die nicht ausgewählt worden waren. Ich konnte es nicht glauben. Ein Hochgefühl packte mich und ein breites Lächeln schlich sich auf meine Lippen.

Sofia hielt die Tür auf: „Mögen die auserwählten Damen mir bitte folgen." Ich stand mit den anderen vier Damen auf und folgte Sofia aus dem Zimmer.

Verstohlen betrachtete ich nun meine vier Mitstreiterinnen. Lucia war eine stämmige Frau mittleren Alters mit klugen braunen Augen und struppigen, rötlich braunen Haaren. Aila war eine schlanke hochgewachsene junge Frau mit einer schönen goldbraunen Hautfarbe und langen seidigen schwarzen Haaren. Louisa war eine eher kleine, sehr junge Frau, ich schätzte sie sogar jünger als mich, mit einem rundlichen freundlichen Gesicht. Nora war eine Frau mittleren Alters mit blonden Haaren und einem verkniffenen Gesicht. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Nora viel lächelte.

Wir folgten Sofia erst durch kahle Dienstbogengänge und dann durch schöne, große und helle Flure des Schlosses, bis sie vor einer großen Tür aus hellem Holz mit kunstvollen Bronzebeschlägen stehen blieb.

Unter der Haube goldenes HaarWhere stories live. Discover now