Kapitel 37

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Ich öffnete die Augen. Alles um mich herum war dunkel. Sogar durch den Schlitz unter der Tür drang kein Licht. Es musste also mitten in der Nacht sein. Warum war ich wach geworden? Noch benebelt vom Schlaf, zuckte ich mit den Schultern und drehte mich auf die andere Seite um wieder einzuschlafen. Da klopfte es ganz leise an der Tür.

Nun doch ganz wach setzte ich mich im Bett auf. Das hatte mich also geweckt. Schnell stand ich auf und schlang mir die Decke um die Schultern. Nach ein paar Schritten in Richtung Tür wickelte ich mich komplett in die Decke ein, es war doch sehr kalt.

Es klopfte erneut. „Ich komme!" sagte ich leise und schlüpfte in meine Pantoffeln. Ich schlurfte zur Tür und öffnete sie. Vor meiner Nase tauchte eine Laterne auf und blendete mich. „Oh, Entschuldigung." Die Laterne wurde runter genommen und ich versuchte die weißen Flecken in meinem Sichtfeld wegzublinzeln.

„Katharina?" Ich zog erschrocken die Luft ein, als ich nun endlich die Stimme erkannte. Obwohl ich immer noch nicht mehr als ein paar Schemen erkennen konnte, sank ich in einen tiefen Knicks. „Eure Hoheit." Der Prinz fasste meinen Arm und half mir hoch: „Darf ich reinkommen?" „Natürlich Eure Hoheit." An der Wand tastend trat ich zur Seite und ließ ihn vorbei. Sofort schloss er die Tür hinter sich. Ich stand mit dem Rücken zur Wand und konnte seine Silhouette sehen, wie er mit angespannten Schultern in meinem kleinen Raum wie ein eingesperrter Hund hin und her ging.

Langsam normalisierten sich meine Augen wieder und ich erkannte mehr Details. Der Prinz trug eine einfache, lockere Hose und ein zur Hälfte zugeknöpftes, weißes Hemd. Seine Füße konnte ich nicht erkennen, doch da seine Schritte wenig Lärm verursachten, vermutete ich weiche Lederschuhe. Sein Haar war zerzaust. Er sah aus, als ob er gerade erst aus dem Bett gefallen wäre. Sofort schossen meine Hände zu meinen Haaren, wie musste ich dann aussehen?

Der Prinz tigerte immer noch durch mein Zimmer und schien nach Worten zu suchen. „Wie kann ich Euch behilflich sein?" fragte ich förmlich. Er hörte auf hin und her zu gehen und sah mich an. „Ich habe dich verärgert!" Ich öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Damit hatte ich nicht gerechnet.

Erschöpft sank er mit einem Seufzen auf mein Bett und lehnte sich an die Wand. Ich vergaß die letzten Wochen und meine Enttäuschung über seine Zurückweisung. Mit einem Ruck stieß ich mich von der Wand ab und ging zu ihm rüber. Dann setzte ich mich ans andere Ende des Bettes.

„Wie geht es Euerm Vater?" fragte ich sanft. „Die Ärzte wissen nicht, was ihm fehlt. Er wird jeden Tag schwächer." verzweifelt sah er mich an: „Ich bin noch nicht so weit. Ich kann meinen Vater noch nicht verlieren." mit leiser Stimme fügte er hinzu: „Und ich kann noch kein König werden." Tief verzweifelt vergrub er sein Gesicht in den Händen.

Ich überwand meine Scheu und rutschte an ihn heran. Mit sanftem Druck löste ich seine Hände vom Gesicht und sah ihm ganz offen ins Gesicht: „Ihr seid soweit König zu werden. Ihr habt es in den letzten Wochen bewiesen. Jetzt müsst ihr nur noch versuchen ein guter Bruder und Sohn zu sein und das alles unter einen Hut zu bekommen. Geht zu Euerm Vater, versichert ihm, dass sein Reich in guten Händen ist. Geht zu Eurer Mutter, sie ist genauso verängstigt wie Ihr. Steht ihr bei, gemeinsam ist man auch in der Trauer stärker. Und vergesst Eure Schwestern nicht, sie haben auf einen Schlag Vater, Mutter und ihren großen Bruder verloren. Sie brauchen Euch, sie müssen wissen, dass noch jemand für sie da ist."

Alle Anspannungen und alle Masken fielen während meiner Rede von ihm ab. Dahinter kam ein vollkommen erschöpfter junger Mann hervor, auf dessen Schultern gerade ein ganzes Reich gelegt wurde. Er legte seinen Kopf auf meine Schulter und atmete tief ein und aus. „Es ist viel auf einmal, ich weiß, aber ihr seid nicht allein." Erinnerte ich ihn sanft: „Ihr habt Berater, übertragt ihnen kleine Aufgaben. Ihr habt Diener, die Euch treu ergeben sind. Und Ihr habt Schwestern, sie können ebenfalls kleinere Aufgaben übernehmen, aber vor allem können sie Euch auf andere Gedanken bringen. Nutzt die Möglichkeiten, die sich Euch bieten. Niemand hat erwartet, dass ihr alles alleine schultern müsst."

Lange Zeit lehnt er still an meiner Schulter und ich lauschte seinem Atem. Mit einem Mal richtete er sich wieder auf. Sein Gesicht war immer noch traurig, aber auch sehr entspannt. Ganz langsam hob er die Hand, strich mir über die Wange und zog mich dann zu sich heran, bis sich unsere Lippen fanden. Es war ein unglaublich sanfter Kuss, der eine herrliche Ewigkeit dauerte

Unter der Haube goldenes HaarWhere stories live. Discover now