Kapitel 21

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Nach zwei Treppen und fünf langen Fluren, die ich mit schnellen Schritten hinter mir gelassen hatte, kam ich nun vor der großen zweiflügeligen Rundbogentür der Bibliothek an.

„Befindet sich der Prinz in der Bibliothek? Ich habe den Auftrag Ihrer Hoheit der Königin den Prinzen an das Treffen im Garten zu erinnern." Der große Wachmann rechts neben der Tür lachte leise: „Ja, der Prinz ist hier, hat er schon wieder die Zeit vergessen?" Ich grinste ihn an: „Ich schätze schon" „Na dann erinnere Seine Hoheit mal" sagte der Wachmann und hielt den einen Türflügel auf. „Danke!" ich grinste ihn nochmal an, als ich an ihm vorbeiging. „Hinten rechts" rief er mir noch halblaut hinterher.

Dem Tipp des Wachmanns folgend ging ich durch die Bücherregale. Ich hörte ein Rascheln von Papier und folgte dem Geräusch. Der Prinz saß an einem großen Tisch, der über und über mit Büchern und Notizen bedeckt war. Prinz Johannes war über ein dickes Buch gebeugt, das wie ein Atlas aussah und murmelte etwas vor sich hin. In meinen weichen Lederschuhen war ich fast lautlos an ihn herangetreten und der Prinz hatte mich noch nicht bemerkt.

Ich klopfte ganz vorsichtig gegen das Regal neben mir. Durch die Stille hier war das leise Geräusch laut genug um ihn auf mich aufmerksam zu machen. Johannes Kopf schnellte hoch, er blickte nach rechts und links und drehte sich dann ruckartig um, wobei er einen Stapel Bücher vom Tisch fegte. Mit einem lauten Knall fielen die drei Bücher auf den Boden und er musterte mich mit zusammengekniffenen Augen.

„Ich bin Zofe Katharina, die neue Zofe Eurer Schwester Prinzessin Berenike." Prinz Johannes entspannte sich und er blickte mich nun mit schräg gelegtem Kopf an. Seine braunen Augen bewegten sich schnell hin und her, während er mich musterte. Ich ging auf ihn zu und ging neben ihm in die Hocke. Dann griff ich nach den Büchern und legte sie wieder zurück auf den Tisch, diesmal nicht ganz so nah an die Kante.

„Danke" Der Prinz rührte sich wieder, er schien den Schock verdaut zu haben. „Ich wurde von der Königin geschickt, um Euch daran zu erinnern, dass Eure Familie im Garten wartet." Der Prinz fuhr sich durch die Haare „Herrjeh, das habe ich komplett vergessen. Ist die Königin sauer?" „Sie schien genau zu wissen, dass ihr es vergessen könntet." Ich grinste den Prinzen entschuldigend an. Der Prinz grinste offen zurück. Dann stand er auf, klopfte seine Hose ab und rückte seine Jacke zurecht.

„Kann ich so gehen?" „Vielleicht sollten Eure Hoheit sich noch die Haare richten." Sofort schossen seine Hände nach oben und er fuhr sich diesmal sorgfältiger durch die Haare. „Besser?" „Darf ich?" Der Prinz setzte sich wieder und ich legte die letzten abstehenden Haare an den Kopf. „Danke, lass uns jetzt schnell in den Garten gehen, sonst wird meine Mutter doch noch ungehalten." Er grinste mich wieder an und bedeutete mir vorzugehen.

Auf dem Kiesweg zum Garten überholte er mich und ging im Schnellschritt auf die Königin und die drei Prinzessinnen zu, die immer noch an der gleichen Stelle standen. „Verzeiht mir Mutter, Schwestern" Die Königin lächelte mild und hakte sich bei ihrem Sohn unter. Die Schwestern hörten auf zu spielen und
gesellten sich zu den Beiden.

Die königliche Familie begann mit ihrem Spaziergang und der Tross aus Wachen, Dienern und Zofen folgte ihnen. Der Garten war wunderschön und sehr gepflegt. Ich identifizierte ein Einhorn, einen Pegasus und einen Drachen, die aus Buchsbäumen geschnitten worden waren. Dazwischen waren Flächen mit leuchtenden Blumen, wir kamen von einem Duft zum anderen.

Ich atmete tief ein und schloss die Augen. Der Garten war erfüllt von einem Summen aus leisen Gesprächen und Insekten, die ihrer Arbeit nachgingen. Überall waren Vogelstimmen zu hören und untermalt wurde das Ganze von einem stetigen Plätschern aus allen Richtungen. Während des Spazierganges zählte ich vier Springbrunnen, an denen wir vorbeikamen, doch es mussten mehr sein.

Schließlich blieb die Familie bei dem bisher größten Springbrunnen stehen. Der Springbrunnen bildete die Mitte eines großen runden Platzes, daher vermutete ich, dass es sich um das Zentrum des Gartens handelte. Die Königin setzte sich auf eine der vier Steinbänke, die den Zeichen auf dem Boden nach, die vier Himmelsrichtungen auf dem Platz verkörperten. Die Prinzessinnen fingen wieder an zu spielen und der Prinz begann ein Gespräch mit Vivien.

Die Zeit verging, die Sonne sank immer tiefer und die Familie genoss die gemeinsame Zeit in vollen Zügen. Ich sah ihnen unglaublich neidisch zu.

Unter der Haube goldenes HaarWhere stories live. Discover now