27. Feuer und Eis

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Man konnte dem Rauch jetzt nicht mehr entrinnen. Egal, wo ich mich befand, jeder noch so flache Atemzug brannte heiß in meiner Lunge.
Keuchend beugte ich mich vor und stützte meine Hände auf die Knie. Mein Orientierungssinn war eingeschränkt - zum einen durch die Dunkelheit, zum anderen durch die Furcht, meinen Freund und meinen Bruder nicht rechtzeitig zu finden. Ich war mir nicht einmal mehr sicher, ob ich selbst noch hinausfand.

Zwischen zwei Hustanfällen hörte ich ein Klopfen aus dem benachbarten Raum.
»Hilfe! Hilft mir denn keiner?!«
Das war Jimin. Neue Entschlossenheit erfasste mich und ich stürzte tastend durch die Dunkelheit in Richtung seiner Stimme. Meine Hände berührten eine Wand, dann fühlte ich eine Tür. Abgeschlossen. »Kitten?«, brüllte ich und riss an der Tür.
Jimins Stimme wurde schriller, was mich dazu brachte, ein paar Schritte Anlauf zu nehmen und so lange gegen die Tür zu treten, bis sie aufsprang.

Jimin stand auf einem Tisch unter einem Fenster ind schlug so verzweifelt mit den Händen gegen das Glas, dass er nicht einmal bemerkt zu haben schien, dass ich im Raum stand.
»Kitten?«, rief ich hustend.
»Jungkook!«, schrie er, sprang vom Tisch und fiel in meine Arme.
Ich umfasste sein Gesicht. »Wo ist Kai?«
»Er ist den anderen gefolgt!« Seine Stimme zitterte und Tränen liefen ihm übers Gesicht. »Ich habe versucht, ihn zu überreden, mit mir zu kommen, aber er hat sich geweigert!«

Ich schaute den Flur entlang. Das Feuer kam immer näher und fraß sich durch das abgedeckte Mobiliar, das entlang der Wände aufgestapelt stand.
Jimin verschlug es bei dem Anblick den Atem, dann hustete er. Ich verzog das Gesicht und fragte mich, wo zur Hölle Kai sein mochte. Falls er sich am anderen Ende dieses Flurs befand, konnte er nicht entkommen. Ein Schluzer stieg in meiner Kehle hoch, aber der Blick in Jimins verängstigtes Gesicht, drängte ihn zurück.

»Ich bringe uns hier raus, Kitten.« In einer raschen Bewegung presste ich meine Lippen auf seine, bevor ich auf den Tisch stieg, den er unter das Fenster geschoben hatte.
Ich riss an dem Fenster und meine Muskeln zitterten, als ich mit aller Kraft daran zog. Das verdammte Ding klemmte.
»Geh zurück, Jimin! Ich schlag das Glas ein!«
Jimin machte, am ganzen Leib zitternd, einen Schritt zurück. Ich holte so weit wie möglich aus und stöhnte auf, als ich meine Faust in dss Glas rammte. Es zersprang und ich streckte sofort die Hand nach Jimin aus.

»Komm her!«, schrie ich.
Die Hitze des Feuers hatte schon den ganzen Raum erfüllt. Von schierer Angst getrieben packte ich Jimin an einem Arm, zog ihn zu mir heraf und schob ihn nach draußen.
Er kniete am Boden, als ich herausstieh und half mir aufzustehen. Von der anderen Seite des Gebäides waren Sirenen zu hören. Auf den Mauern der angrenzenden Häuser tanzten die blauen und roten Lichter der Feuerwehrautos und Polizeiwagen.

Jimin mit mir ziehend rannte ich zu einer Gruppe Leute auf der Vorderdeite des Keaton. Wir scannten auf der Suche nach Kai jedes der rußverschmierten Gesichter. Die ganze Zeit über schrie ich seinen Namen. Mit jedem Ruf wurde meine Stimme verzweifelter. Er war nicht unter ihnen. Ich checkte mein Handy in der Hoffnung, er hätte angerufen. Doch auch das war nicht der Fall, also stopte ich es wütend in meine Hosentasche.

Praktisch hoffnungslos schlug ich die Hand vor den Mund und wusste nicht, was ich noch tun sollte. Mein Bruder hatte sich in dem brennenden Gebäude verlaufen. Dass er nicht draußen war, ließ nur einen Schluss zu.

»KAI!«, brüllte ich erneut und reckte den Hals, um die Menge zu überblicken.
Diejenigen, die entkommen waren, umarmten sich weinend hinter den Einsatzfahrzeugen. Entsetzt konnte man beobachten, wie Löschzüge ihren Wasserstrahl auf die Fenster richteten. Dann drangen Feuerwehrmänner ins Gebäude ein und zogen die Schläuche mit sich.

»Er ist nicht rausgekommen«, flüsterte ich. »Er ist nicht rausgekommen, Kitten.« Tränen liefen mir über die Wangen und ich ließ mich auf die Knie fallen.
Jimin kauerte sich neben mich und hielt mich in seinen Armen.
»Kai ist schlau, Kook. Er ist rausgekommen. Er muss einen anderen Weg gefunden haben.«
Ich vergrub mein Gesicht in Jimins Schoß unf umklammerte sein Shirt mit beiden Händen.

Loving Disaster | JikookWhere stories live. Discover now