Epilog

2.4K 182 86
                                    

Es regnete in Strömen. Von der Straße rann das Wasser die schräge Einfahrt in kleine Bäche herunter, sammelte sich in tiefer werdenden Pfützen, als weinte es um ihn. Um diesen Bastard, der mitten in der Tiefgarage in einer Blutlache lag. Keuchend starrte ich auf ihn herab, allerdings nicht lange.
Meine beiden Glocks zeigten in unterschiedliche Richtungen und hielten so Bennys Männer in Schach, bis der Rest meines Teams eintraf.

Der Ohrstöpsel tief in meinem Gehörgang summte. »Voraussichtliche Ankunft zehn Sekunden, Jeon. Gute Arbeit.«
Der Chef meines Teams, Henry Givens, sprach ziemlich leise. Er wusste so gut wie ich, dass mit Bennys Tod alles vorbei war.

Ein Dutzend Männer, mit Schnellfeuergewehren und von Kopf bis Fuß in schwarz gekleidet, rannten herbei, und ich ließ meine Waffen sinken. »Das sind nur Schutzgeldeintreiber. Schafft sie verdammt noch mal weg.«
Nachdem ich meine Pistolen weggesteckt hatte, riss ich das Klebeband von meinen Händen und stapfte die Stufen hinauf. Oben erwartete mich Namjoon, dessen Trenchcoat und Haare vom Gewitter durchnässt waren.

»Du hast getan, was du tun musstest«, sagte er und folgte mir zum Wagen. »Bist du okay?«, fragte er und berührte den Riss über meiner Augenbraue.

Ich hatte zwei Stunden lang auf diesem Holzstuhl gesessen und mich prügeln lassen, während Benny mich ausquetschte. Sie hatten mich am selben Vormittag aufgespürt - das war natürlich Teil unseres Plans -, aber am Ende seines Verhörs hätte seine Verhaftung stehen sollen, nicht sein Tod.

Meine Kiefer mahlten heftig. Ich hatte die Phase, in der ich die Beherrschung verlor und jeden zusammenschlug, der meinen Zorn erregte, eigentlich längst hinter mir gelassen. Aber innerhalb von Sekunden war meine ganze Ausbildung nutzlos gewesen, und Benny hatte nur seinen Namen erwähnen müssen, damit das passierte.

»Ich muss nach Hause, Joon. Ich war jetzt wochenlang weg und wir haben Hochzeitstag...«
Ich riss die Autotür auf, aber Namjoon packte mein Handgelenk. »Du musst erst noch durch Debriefing. Schließlich hast du Jahre auf diesen Fall verwendet. So ein Einsatz muss nachbesprochen werden!«
»Vergeudet. Ich habe Jahre vergeudet.«
Namjoon seufzte. »Das willst du doch nicht mit nach Hause nehmen, oder?«
Jetzt seufzte ich. »Nein, aber ich muss los. Ich habe es ihm versprochen.«
»Ich werde ihn anrufen und es ihm erklären.«
»Du wirst ihn belügen.«
»Das gehört zu unserem Job.«

Die Wahrheit war immer hässlich. Namjoon hatte recht. Er hatte mich zwar praktisch großgezogen, aber ich hatte ihn nicht wirklich gekannt, bis mich das FBI rekrutierte. Als Namjoon aufs College ging, dachte ich, er würde Werbung studieren und später erzählte er uns, er sei leitender Angestellter in einer kalifornischen Werbeargentur. Er war so weit weg von uns, dass es ihm leicht fiel, seine Tarnung aufrechtzuerhalten. Rückblickend verstand ich jetzt, warum Namjoon einaml ohne besonderen Anlass nach Hause gekommen war - an dem Abend, als er Jimin kennenlernte. Als er damals anfing, Benny und dessen zahlreiche illegale Aktivitäten zu durchleuchten, war es purer Zufall gewesen, dass sein kleiner Bruder sich in den Sohn von einem der Schuldners Bennys verliebt hatte. Noch besser war es, dass wir am Ende über Chiron sogar in seine Geschäfte verwickelt waren.

Sobald ich meinen Abschluss in Strafrechtspflege in der Tasche hatte, war ich für das FBI so interessant, dass man mich kontaktierte. Was für eine Auszeichnung das war, begriff ich erst im Nachhinein. Weder mir noch Jimin war klar, dass das FBI pro Jahr Tausende Bewerbungen erhielt und seine Leute üblicherweise nicht aktiv rekrutierte. Aber ich war eben für eine Undercoveraktion wie geschaffen, da uch bereits eine Verbindung zu Benny hatte.
Meine jahrelange Ausbildung und viel Zeit fern von zu Hause gipfelten darin, dass Benny tot am Boden lag, die Augen starr an die Decke dieser Tiefgarage gerichtet, und dass das halbe Magazin meiner Glock nun in seinem Lein steckte.

Loving Disaster | JikookWhere stories live. Discover now