{16} - Ignoranz

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Ich weiß nicht, wie lange ich an der Tür gehockt und einfach vor mich hin gestarrt habe.
Irgendwann hat mich ein leises Klopfen zurück in die Welt geholt, doch meine Knochen waren schwer wie Blei, weshalb ich nicht aufstehen konnte.
»Maddie, mach die Tür auf.«
Es ist nicht Dannys oder Evelyns Stimme, sondern Betty, die nun mehrmals klinkt.
Schwach krieche ich von der Tür weg und sehe auf den Boden, als ihre Schuhe davor auftauchen.
»Och Süße...«
Betty kniet sich neben mich und nimmt mich in den Arm, weshalb meine Tränen erneut die Oberhand ergreifen und ich mich schluchzend an ihre Schulter lehne.
»Das tut mir so leid...«, flüstert sie und legt ihr Kinn auf meinen Kopf.
»Sind sie weg?«, krächze ich unter Schluchzern und warte gebrochen auf die Antwort.
Betty antwortet nicht, was ich als ein Ja verstehe.
Sie haben sich nicht mal mehr verabschiedet...
»Wollen wir nach Hause gehen?«, fragt Betty nach gefühlt ewigen Schweigen und ich nicke.
Murmelnd hilft sie mir auf die Füße und gemeinsam laufen wir zum Ausgang.

Der Tag heute ist, wie fast immer, total schön.
Die Sonne scheint hoch oben am Himmel und es ist keine einzige Wolke zusehen.
Kurzerhand entscheide ich mich gegen Zuhause und bleibe stehen.
Betty sieht mich verwirrt an und hebt eine Augenbraue.
»Kannst du mich auf den Flugplatz bringen? Ich will jetzt in die Luft.«
Unsicher verzieht sie das Gesicht, doch nickt, da sie weiß, dass nur Fliegen mir wirklich helfen kann.

×××

Auf der Fahrt erkenne ich an Bettys Gesicht die Angst, dass Evelyn und Danny auch dort sein werden, doch ich verdränge den Gedanken und sehe auf die vorbeiziehende Welt.

Der Flugplatz ist wie leergefegt, aber wie immer erkenne ich Gooz schon von weiten.
Nur diesmal steht er nicht an seinem Surfboard, sondern sitzt mit der tief gezogenen Mütze an einem Flugzeug gelehnt und schläft.
Ein kurzes Lächeln erscheint auf meinen Lippen.
»Soll ich noch mit hierbleiben?«
Mein Blick landet auf Betty und ich schüttle mit dem Kopf.
»Okay. Weißt du, wie du nach Hause kommst?«
»Ich glaube, Joe kann mich fahren.«, erwidere ich schulterzuckend und springe aus dem Fahrzeug.
Betty schenkt mir noch ein unsicheres Lächeln, bevor sie den Wagen wieder anschmeißt und auf dem Platz umdreht.

Noch wenige Minuten sehe ich zu, wie sie verschwindet, bevor ich auf Gooz zu gehe.
Grinsend stupse ich ihn an, sodass er zusammenzuckt und sofort die Mütze hochreißt.
Erschrocken sieht er sich um, doch beruhigt sich, als er mein bekanntes Gesicht sieht.
»Maddie, du hast mich erschrocken.«
Grummelnd rappelt er sich auf und sieht mich an.
»Du hast geweint, oder?«
Oh...Stimmt, meine Augen müssen aussehen, wie nach einer Pollenallergie.
»Nicht von Bedeutung. Kann ich hoch?«
Ich nicke zu den Maschinen, die vor einer der Garagen stehen und sehe Gooz durchdringlich an.
»Eigentlich wollte Danny die Maschinen wieder reinbringen, aber keine Ahnung, wo der Kerl steckt.«
Als er seinen Namen sagt, stellen sich meine Nackenhaare auf, doch ich bleibe ruhig.
»Also? Kann ich?«
Gooz sieht mich nachdenklich an, bevor er mit den Schultern zuckt und sich wieder hinlegt.
»Wenn du die Maschinen wieder reinbringst. Klar.«
Mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht gehe ich an ihm vorbei und steuere die Maschinen an.

×××

Meine Fingerspitzen kribbeln, als ich in einem Overall in den Sitz rutsche und die Schalter umlege.
Aus den Kopfhörern dringt Gooz kratzige Stimme in mein Ohr.
»Mache keine Scheiße und bleibe nicht zu lange oben.«
Lachend werfe ich ihm ein Lächeln durch die Scheibe zu.
»Sage doch einfach, dass du mich magst, Gooz.«
An der Garage kann ich ihn kurz lächeln sehen.
»Pass auf dich auf.«, sagt er zuletzt und erinnert mich irgendwie an meinen Vater.
Konzentriert werfe ich die Maschine an und rolle auf die Startbahn.

×××

Dank dem wolkenlosen Himmel erkenne ich zum ersten Mal richtig die Insel und fliege mehrere Bahnen.
Am Strand liegen Menschen wie kleine Ameisen in ihrem Bau und die Häuser sehen aus wie Muffins.

PERLE DER FLAMMEN ▹ 𝘥𝘢𝘯𝘯𝘺 𝘸𝘢𝘭𝘬𝘦𝘳Where stories live. Discover now