Verschlafen

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Am darauffolgenden Morgen wachte ich dann doch von allein auf. Ich schlug nur kurz die Augen auf, um zu schauen, wie lange ich noch Zeit bis zum Aufstehen hatte. Genüsslich mummelte ich mich wieder ein, als ich geschockt aufschrak. Schon 10 Uhr?! Was zur Hölle?! Rasant sprang ich unbeholfen aus meinem Bett und wühlte schon in meinem Haufen von Klamotten nach etwas brauchbarem rum, während ich versuchte einen klaren Gedanken zu fassen und in mein Bad eilte... Der Wecker hatte seine Aufgabe nicht erfüllt! Scheiß E-bay... Da werde ich sicher nichts mehr bestellen! Eine gute Rezension konnten sie sich mal sowas von abschminken. Apropos schminken, wo ist eigentlich dieser doofe Concealer. Ohne den sah ich aus wie eine Untote! Zu allem Überfluss stolperte ich auch noch, als ich versuchte, mir zeitgleich die Hose anzuziehen, einen Apfel zu essen und ins Wohnzimmer zu rennen, wo irgendwo meine Unitasche sein musste, sodass ich wie ein Brett gegen die Kommode stieß. Das Resultat war ein schmerzender Schädel. Unwillkürlich musste ich aufkommende Tränen runterschlucken. Aua, war das hart. Jedoch hatte ich keine Zeit mehr mich großartig um die Beule zu kümmern und lies es dabei, ein Kühlakku auf den Weg zum Bus an meine Stirn zu drücken. Nachdem Ricky mir eine Nachricht schickte, dass sie und Pepe mich in dem Café, wo wir das letzte Mak schon waren, erwarteten, konnte ich es kaum noch erwarten, meine Lesungen hinter mir zu bringen, denn mein Schädel brauchte dringend eine Pause.

„Was hast du denn da in deinem Gesicht?", hörte ich Ricky schon von Weitem, als ich in das Café reingeschlurft kam. Oh man, wie schlimm war meine Beule denn bitte schön, wenn man sie aus 10 Metern Entfernung sah? Zwar hatte ich schon vorher Blicke auf mir bemerkt, aber da ich im Stress gewesen war, habe ich sie ignoriert und schob diese eher auf meine kilometerlangen Augenringe oder mein Vogelnest von Haaren, welches durch den Regen nicht besser wurde. Zu allem Überfluss saßen Pepe und Ricky dann noch nicht mal allein. Es waren noch vier andere Studenten versammelt. Genervt blieb ich kurz stehen und blickte frustrierend hoch. Vielen Dank dafür, Herr Tagzerstörer. Ja genau, ich meine dich, da oben im Himmel, Sie Spielverderber!

Ich setzte mich neben Pepe, der mich direkt in die Gruppe integrierte und mir die Anderen am Tisch sofort vorstellte. Wahrscheinlich hielten sie mich mit meinem Erscheinen für verrückt, aber das war mir egal als mich schon wieder ein Schub von Kopfschmerzen heimsuchte. Für diese verdammte Beule danke ich dem da oben natürlich auch, überlegte ich grimmig in meinen Gedanken.

„Komm wir bringen dich mal in Ordnung.", sagte Ricky nach einer Weile, hievte mich hoch, und schob mich Richtung Mädchenklo. „Sehe ich so schlimm aus?" „Süße, das wirst du gleich selbst sehen." Entgeistert ahnte ich nichts Gutes, doch Ricky beruhigte mich. „Keine Sorge, das kriege ich wieder hin."

Vor dem Spiegel angekommen, schrak ich vor meinem eigenen Bild zurück. Ich sah aus, wie aus Walking Dead entsprungen. Ricky hatte zum Glück Schminke mit und kommentierte dies mit dem Spruch, man müsse ja immer auf einen Notfall vorbereitet sein, der mich genau in diesem Moment anstarrte. „Was hast du denn gemacht? Du siehst furchtbar aus." „Danke dafür.", gab ich zurück und erzählte ihr von meinem Pech, während sie mein Aussehen versuchte, zu retten. Gerade als sie mein riesiges Horn überschminkte, zuckte ich vor Schmerzen zurück. Es tat scheiße weh. Nach kurzer Zeit war Ricky jedoch fertig und ich staunte über mein Spiegelbild: „Krass, das kannst du echt gut!"

Ich hatte zwar noch immer Anzeichen von einem Hügel auf meiner Stirn und meine Augenringe wiesen auf eine anstrengende Zeit hin, aber sonst war ich wie ausgewechselt. „Du siehst wie eine Elfe im frischen Morgentau aus", sagte Ricky stolz. Was war das denn für eine bescheuerte Metapher? Von einem Zombie zur Elfe? Ich musste ein Lachen unterdrücken. „Du kannst Maskenbildnerin werden. I mean, vorher sah ich wie eine verirrte Frau nach einer durchzechten Nacht aus, aber jetzt wirke ich wieder halbwegs menschlich." Da fiel mir plötzlich der Gegensatz von Menschlichkeit ein. „Ähm achso, was ich dich eigentlich noch fragen wollte. Hat Phillip dich eigentlich angeschrieben?" Glücklich diese Frage hinter mir zu haben, sah ich die verwunderte Ricky an: „Ne, wieso sollte er auch?" Verdutzt spielte ich die Frage runter. „Ach nur so..." Ich war mir nicht sicher was ich davon halten sollte. Warum wollte er so dringend ihren Namen, wenn er nicht mal nach mehreren Tagen seine Chance ergriff, sie durch meinen Insta Account oder so zu suchen und anzuschreiben?

Zurück bei den anderen bestellte ich dann ein Glas Wasser gegen die Kopfschmerzen, als ich die Jungs schräg gegenüber von unserem Tisch registrierte. Sie kamen mir bekannt vor. Manche schauten uns an und einer zwinkerte mir sogar zu, doch diese Tatsache vergaß ich direkt als ich Phillip zwischen ihnen erblickte. Na klar, es waren die Typen vom Campus, bei denen ich mich zum Trottel gemacht habe. Gerade bemerkte auch er mich und schaute mir direkt in die Augen.

Zum Glück hat Ricky mich noch retten können, bevor sie kamen und er mich so sah.

Warte was? Nein! Mir doch egal wie er mich zu sehen bekam, er sollte mir doch am Arsch vorbei gehen. Widerwillig wendete ich meinen Blick ab und versuchte mich am Gespräch zu beteiligen. Das stellte sich aber schwerer heraus als gedacht, denn ich erwischte mich immer wieder, wie mein Blick zu der Truppe glitt. Doch, nachdem Phil mich nach dem einmaligem Augenkontakt völlig außer Acht lies und ich mein Wasser gedankenverloren auf trank, hörte ich doch noch Rickys Freunden zu. Sie wirkten alle nett und luden mich sogar schon zu einer morgigen Party ein. Während Pepe mich aushorchte, was ich denn dort anziehen würde und schon austüftelte, dass wir vorher unbedingt noch shoppen gehen müssten (er war anscheinend genau so offen und modebegeistert wie Cat), um mich, Zitat: Zum Hingucker des Abends zu machen, standen Phillip und seine Kumpels auf. Sie gingen an uns vorbei und mein alter Nachbar fixierte mich erneut beim Vorbeigehen mit seinen wunderschönen Augen. So durchdringend, dass ich nicht wusste, ob meine Gänsehaut von der offenen Tür, oder ihm kam. Doch, sobald er sich abwendete, war dieser komische Moment vorbei. Das Ende der Truppe bildete ein schwarzhaariger Typ mit einem unglaublich süßen, strahlenden Lächeln, der zu uns herüberkam. Er war es gewesen, der mir auch vorhin zugezwinkert hatte, nun mit welchen aus Alys Truppe sprach und zum Ende hin „Wir sehen uns" sagte, während er in meine Richtung sah. Ich war ein bisschen verdutzt und schaute ihm nach, als er sich von uns abwendete.

„Ist er nicht heiß! Er ist so eine Augenweide und ich könnte glatt dahin schmelzen, wenn er seinen heißen Hintern schwingt! ABER leider fischt er nicht in meinem Gewässer!" Pepes Worte verwirrten mich. „Du bist schwul?" „Ähm, entweder hat dich die Kommode wirklich schwer erwischt, oder dein Radar tickt nicht ganz richtig?!" Das interpretierte ich dann mal als ja. Belustigt über seine Worte und auch beeindruckt, wie locker er mit seiner Sexualität umging, schaute ich Pepe grinsend an und gab ihm dann recht. Der schwarzhaarige Typ war sexy, doch sein selbstbewusstes Verhalten erinnerte mich leider viel zu sehr an jemand Anderen...

Als auch wir aufstanden und uns auf den Weg nach Hause machen wollten, nahm ich Pepe spontan mit und wir liefen nach einem kurzen Abstecher bei mir zum Shoppingcenter. Meine Schmerzen versiegten auch endlich, da ich nach einer Menge von Medikamenten, die man wahrscheinlich noch nicht mal alle zusammennehmen durfte, meine Beule für ein paar Stunden vergessen konnte. Pepe und ich klapperten viele Läden ab und stöberten jede Ecke durch. Er war großartig und beriet mich perfekt. Wir beiden waren schon jetzt ein gutes Team. Eine Ewigkeit später, waren wir dann mit unserer Shoppingtour fertig und ich war ein Partyoutfit reicher. Es bestand aus einem schwarzen Paillettentop, einer mir schmeichelnden Jeans und schönen High-Heels. Geschafft von unserem Tag, entschieden wir uns, als krönenden Abschluss, für einen Kinoabend bei ihm. Zwar hatte ich wieder schlimme Kopfschmerzen, doch ich schrieb das nun auf den anstrengenden Tag zurück. Pepe wohnte in einer wundervollen Wohnung und wir verwöhnten uns mit Eis für die Seele und Masken für das Gesicht, während wir kitschige Liebesfilme sahen und von den heißen Schauspielern schwärmten. Da es wegen Timothée Chalamet spät wurde, übernachtete ich spontan bei ihm und fiel rasch in einen unruhigen Traum.

Mich weckte ein Rütteln an meinen Schultern. Man, ich wollte weiterschlafen. Doch es hörte nicht auf. Also öffnete ich widerwillig die Augen und Pepe sah mir besorgt entgegen. „Süße, du hast schon 12 Stunden geschlafen, geht es dir gut?" Verwirrt rieb ich mir müde den Schlaf aus den Augen. „Echt jetzt? Komisch." Vorsichtig strich ich dann über meine neue Beule und zuckte vor Schmerz zusammen. Wahrscheinlich hat sie mir mehr Energie gekostet als gedacht.

Zum Glück hatte ich heute eh keine Lesung und Pepe ließ mir zuliebe seine Kurse ausfallen. Er hatte angeblich eh keine Nerven für den heutigen Lernstoff übrig. Stattdessen gönnten wir uns Rührei zum Frühstück, oder besser gesagt Mittagessen, und bereiteten uns nach einer Weile mit allem Drum und Dran für die heutige Party vor. Da Pepe unbedingt Cat und Aly kennen lernen wollte, gingen wir vorher noch zu mir und überredeten die Beiden spontan mitzukommen. Aly fand es zwar unangenehm, einfach ungeladen auf die Party zu gehen, aber Cat freute sich umso mehr einen Grund zu haben, ein bisschen feiern zu können.

Dann machten wir uns zu viert auf, und fuhren zu dem Haus, wo die Party geschmissen wurde. 

Warum immer du ?Where stories live. Discover now