Der erste Tag

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Als ich mit vollem Magen zurückkam, war Phillip gerade unter der Dusche. Helen hatte für alle Tortellini gemacht und danach spielten wir, die unten waren, Rommé. Nun war es aber kurz vor Mitternacht und ich brauchte noch immer Schlaf. Da das Bad aber versperrt war, schnappte ich mir genervt meine Waschsachen und machte mich bei meiner Mom fertig. Sie hatte wie Helen das zweite Einzelzimmer. Als ich die Beiden fragte, warum sie nicht das dritte Doppelzimmer nehmen könnten, meinte Helen nur, dass meine Mutter einfach viel zu viel schnarchte, sodass ich es endgültig aufgab, eine andere Schlafmöglichkeit für Phillip zu suchen. Nach einem Gutenachtkuss von Mom, ging ich daher wieder rüber in „unser" Zimmer, wo Phillip schon auf seiner Seite des Bettes lag, und irgendetwas las. Dass er das überhaupt konnte, war ein Wunder. Wir ignorierten uns beide in stillem Einvernehmen, aber ich beobachtete ihn trotzdem heimlich. Er trug ein schwarzes T-Shirt und seine untere Körperhälfte war von Laken bedeckt. Hoffentlich hatte er Boxershorts an... Zum Glück gab es aber zwei einzelne Decken. Angespannt legte ich mich dann auf meine Seite des Bettes, drehte mich von ihm weg und knipste meine Nachttischlampe aus. Nach kurzer Zeit ging auch das andere Licht aus und es wurde still im Raum. Mich wunderte noch, dass er nichts mehr dazu sagte, dass ich auf dem Boden schlafen solle, aber ich war nur froh drüber. Lauschend hörte ich seinen Atem. Es hatte irgendwas Beruhigendes an sich, wodurch meine ganze Anspannung mit der Zeit verflog, und nach einer gefühlten Ewigkeit konnte ich erstaunlicherweise in seiner Nähe wegdriften.

Von draußen hörte man ein Lachen und die warmen Sonnenstrahlen weckten mich aus einem komischen Traum. Langsam fand ich wieder zu mich, als ich das Auf und Ab meines Kopfes registrierte. War ich etwa auf einem Schiff? Doch dann bemerkte ich auf einmal einen warmen Arm um mich herum. Erschrocken öffnete ich die Augen. Mein bewegliches Kopfkissen war gar kein Kissen. Ich lag verflucht noch mal auf Phil! Ach du scheiße! Er hatte fest seinen Armen um mich geschlungen, unsere Beine waren miteinander verknotet und wie ich jetzt bemerkte, hatte er verdammt noch mal kein T-Shirt mehr an! Wir hatten doch nicht... Hektisch schaute ich auf mich hinab und sah erleichtert, dass ich meine Schlafsachen noch alle anhatte. „Beweg dich nicht so. Ich schlafe noch Kleines." kam es dann auf einmal von ihm, der seinen Arm nun noch fester um mich schlang. Entsetzt sah ich zu ihm hoch, aber er hatte seine Augen noch geschlossen. Für was hielt er sich eigentlich?! Sofort befreite ich mich wütend aus unserer Umarmung und brachte so viel Abstand wie möglich zwischen uns, als ich das Ende des Bettes erreichte. Phillip stöhnte. „Großartig, jetzt bin ich wach." Verschlafen öffnete er die Augen und streckte sich gelassen, während ich ihn entgeistert dabei zu sah. „Was hatte das zu bedeuten Phillip?!" fragte ich ihn, als er mir endlich seine Aufmerksamkeit schenkte, indem er mich ansah. „Was hatte was zu bedeuten?" War er jetzt von allen Geistern verlassen?! Mit großen Gestiken zeigte ich auf uns und das Bett und was weiß ich nicht was. „Wieso wache ich auf und liege in deinen Armen!?" „Komisch, wenn ein Mädchen sonst in meinen Armen aufwacht, regt es sich normalerweise nicht so hysterisch auf." „Entschuldige mal, aber ich bin nicht einer deiner nächtlichen Bekanntschaften, also erkläre mir gefälligst, warum du kein T-Shirt mehr an und mich gehalten hast!" Phil sah mich so an, als wäre ich eine Halluzination. „Du gibst doch jetzt nicht etwa mir die Schuld, oder? Wenn ich mich recht erinnere, warst du diejenige, die auf einmal auf meiner Bettseite lag." Entgeistert starrte ich an, doch.... Scheiße..., wir haben wirklich auf seiner Hälfte des Bettes gelegen... „Und was ist dann mit dem Shirt passiert? Habe ich es dir etwa ausgezogen, oder was?!" Er lachte auf. „Da hätte ich nichts gegen gehabt, aber nein. Eigentlich wurde es mir nur zu heiß, als mich plötzlich eine Frau als ihr persönliches Kissen benutzt hat. Also habe ich es ausgezogen." „Ach, und dann dachtest du dir so, dass du mich einfach weiterschlafen lässt? Du hast mich voll ausgenutzt!" „ICH habe dich ausgenutzt?! Du hast sie doch nicht mehr alle. Ich wollte dir einfach den Schlaf lassen, weil du gestern total fertig aussahst, aber es tut mir leid Madame, wenn ich was falsch gedeutet habe. Nächste Mal wecke ich dich natürlich!" Genervt stand er auf und verschwand ins Bad. „Das solltest du auch!" rief ich ihm noch hinterher, aber wir wussten beide, dass ich die doofe in dem Spiel war und nicht er. Warum hatte ich mich auch zu ihm gelegt??? Scheiße war das peinlich. Gereizt ließ ich mich wieder in die Kissen fallen und rieb meine Schläfen. Das konnte doch nicht wahr sein...

Am Vormittag half ich Helen die Tischdeko noch mal durchzugehen und sie fragte mich aus, wie ich mit meinem Studium weitermachen wollen würde. Es war schon fast ein Verhör, doch ich ließ es über mich ergehen, da ich wusste, dass ich so ihren Sohn nicht sehen müsste. Er würde niemals zu einem Frauengespräch gehen. Nachmittags war es aber schon schwieriger ihm aus dem Weg zu gehen, denn meine Mom wollte unbedingt, dass wir alle zusammen American Football spielten. Früher waren alle männlichen Anwesenden in einem Team der Schule gewesen und Mom hatte es geliebt, ihnen bei einem Spiel zuzusehen. Ich dagegen war schon immer von dieser Sportart gelangweilt gewesen und zugegebenermaßen hatte ich es noch nie so mit Bällen gehabt, sodass ich Mom nun zu überreden versuchte, dass ich nur zusehe. „Ach komm schon Eveline. Das macht viel Spaß." kam es von Jennifer, die gerade mit dem Ball in der Hand auf uns zu kam. Wir standen alle auf dem riesigen Garten des Grundstücks und Taylor teilte gerade die Gruppen ein. „Ich möchte aber nicht mitspielen. Ich glaube ich wäre nur ein Schwachpunkt meiner Gruppe." jammerte ich vor mich hin, als ich auf einmal Phillips Aufmerksamkeit, der bis jetzt nur mit seinem Handy blöd rumgestanden hatte, bekam. „Ich glaube sie hat Recht. Sie würde nur nerven." Böse funkelte ich ihn an. Meine Mom schickte ihm einen tödlichen Blick zu. „Das stimmt überhaupt nicht! Du spielst mit. Keine Wiederrede!" Ich stöhnte auf. Dann war Taylor bei mir angelangt. „Dann kommst du halt in mein Team. Du wirst bestimmt großartig spielen." Wir wussten beide, dass das eine Lüge war, doch ich wusste, dass er mich von Phillips fieser Bemerkung ablenken wollte. Dankend lächelte ich ihn an und war froh, als ich merkte, dass das Arschloch im gegnerischen Team war.

Wir spielten eine ganze Weile und ich hatte keine Lust mehr. Wie sich herausstellte, war ich wirklich schlecht, aber meinem Team machte das nichts aus, denn im anderen Team war meine Mom, die sich noch ungeschickter anstellte. Insgesamt hatte ich nur fünf Mal den Ball gehabt, obwohl wir nur vier Leute pro Team waren. Tommy spielte wegen seinem Alter nicht mit. Der kleine Yakari Fan wurde heute Morgen von seinen Großeltern abgeholt, die zwei Stunden von hier weg wohnten. Er würde mit ihnen auch erst an der Hochzeit zurückkommen, damit Helen genug Zeit hat, die Organisation zu kontrollieren. Die Hochzeitsplanerin tat mir jetzt schon leid. Versunken in meinen Gedanken stand ich einfach auf dem Feld und achtete gar nicht auf meinem Umfeld, als ich mit einem Mal von der Seite umgeschmissen wurde. Mit voller Wucht kam ich auf dem Boden auf und wurde von einer auf mir liegenden Mutter zerquetscht. „Ach, das tut mir jetzt aber leid mein Schatz! Geht es dir gut?" „Hast du keine Augen im Kopf oder wieso takelst du mich um?!" „Schatz, tut mir leid. Ich wollte den Ball fangen, aber ich habe dich nicht gesehen... Andererseits wollte ich schon immer mal jemanden im Spiel umtakeln. Das war voll der Adrenalinkick!" Stöhnend stand ich auf. Mein linker Oberschenkel hatte jetzt wahrscheinlich einen riesigen, blauen Fleck. „Das macht es nicht gerade besser Mom." meckerte ich sie an. Alle um uns herum lachten und begutachteten, wie wir uns beide das Gras abwischten. Ich blickte unabsichtlich in Phils Augen und mir sah ein spöttisches Grinsen entgegen. Na toll, erst liege ich morgens auf ihn und dann blamiere ich mich auf dem Feld. Ganz großartig Eveline! Schnell stiefelte ich zum blöden Ball und schmiss ihn Taylor zu, der es als Aufforderung verstand, weiterzumachen. Als ich dann fünf Minuten später wieder den Ball in der Hand hatte, wollte ich ihn am liebsten so weit wie möglich wegschmeißen, doch da fiel mir auf einmal was auf. Wer so blöd über mich lachte, der hat es nicht anders verdient. Ohne groß drüber nachzudenken, warf ich den Football in Jennifers Richtung, die meiner Meinung nach, das Spiel viel zu ernst nahm. Doch der Ball landete nicht in ihren Händen, sondern auf etwas viel Besserem. „AUA!" Erwischt! Es drehte sich ein saurer Phil zu mir um, der sich an seinen Kopf fasste. „Spinnst du?" „Oh sorry. Eigentlich wollte ich zu Jenny werfen, aber du standest leider dazwischen." Er starrte mich missbilligend an. „Das hast du doch extra gemacht!" Ich tat auf empört. „WAS?! Nein, ich bin einfach viel zu schlecht für dieses Spiel. Du meintest ja selbst, dass ich lieber nicht mitspielen sollte. Hätten wir mal auf dich gehört." Ich hob mit halb ausgestreckten Armen die Schultern hoch und formte mit meinem Mund das Wort SORRY. Er sah mich misstrauisch an, doch als Jennifer ihm auf die Schulter klopfte, wandte er sich ab. „Alles gut Eveline. Da kannst du nichts für", sagte seine Schwester lächelnd. „Vielleicht ist es das Zeichen, besser aufzuhören." sagte auch Rory und ich tat noch immer auf bekümmert, während ich mir ein Lachen verkniff. „Ja, ich glaube das ist das Beste für alle." stimmte ich zu.

Warum immer du ?Where stories live. Discover now