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"Taehyung? Würdest du bitte in meinem Unterricht aufpassen?"

Taehyung P.o.V.

Es ist insgeheim eine Warnung. Eine versteckte Warnung an mich, mich zu benehmen. Sie beobachten mich. Beobachten jede meiner Handlungen, jeden meiner Schritte, jedes Anzeichen, jeden Atemzug.

Und genau das bringt mich dazu ihn umso böser anzufunkeln. Es ist im Grunde seine Schuld und dass er gleichzeitig nichts dafür kann, treibt mich förmlich zur Weißglut. Es gibt keinen, dem ich die Schuld zuschieben kann und doch sind alle daran beteiligt. Sogar ich selbst.

Er dreht sich mit gerunzelter Stirn wieder nach vorne und scheint verwirrt zu sein. Ja, klar, außer mir würde sich auch niemand trauen ihm einen Gefallen abzuschlagen, sei es auch etwas noch so simples wie ein Lächeln. Immerhin sind alle auf diese Welt angewiesen. Ich aber nicht.

In meinem früheren Leben drehte sich alles um mich. Ich war der beliebteste in meiner Klasse und kassierte das größte Lob der Lehrer, obwohl ich damals erst 11 war. Meine Eltern verwöhnten mich, schenkten mir die neusten Sachen, die auf den Markt kamen und lasen mir jeden Wunsch von den Lippen ab.

Wir sind nicht wegen Geldproblemen hier, im Gegensatz zu anderen "Mitspielern", wie zum Beispiel Jimin. Er kam damals aus sehr ärmlichen Verhältnissen, ohne Mutter, ohne Vater und aus diesem Grund meiden ihn viele in dieser Welt. Jedenfalls die, die neidisch darauf sind, dass ein armes Straßenkind den gleichen Lebensstandard bekommt, wie sie selber, obwohl sie einst aus angeseheneren Kreisen stammten. Die Lehrer hier zum Beispiel.

Ich gehöre nicht dazu. Geld hatte für mich immer nur einen materiellen Wert. Was mich stört, ist die fehlende Aufmerksamkeit. Ich war daran gewöhnt, dass alle auf mein Wohlergehen achteten, dass alle nach meiner Meinung fragten, nach meiner Pfeife tanzten. Und nun stehe ich auf der anderen Seite der Planke und darf erfahren, wie unausstehlich es hier ist. Unausstehlich, sich bei einem anderen einschleimen, ihm in den Arsch kriechen zu müssen, nur um sein Leben normal fortführen zu dürfen. Wie es viele Menschen damals bei mir und meinen Eltern tun mussten.

Bis es ihnen zu Kopfe gestiegen ist und eines Tages eine 'anonyme' Gruppe Menschen versucht hatte mich nach der Schule abzufangen und zu kidnappen. Sie hatten sogar schon einen Erpresserbrief an meine Eltern geschickt, in dem ein erhebliches Lösegeld gefördert wurde. Bedauerlicherweise, oder wohl eher zu meinem Glück, bauten sie an diesem Tag einen Autounfall und so konnte die Polizei mich ohne weiteres aus ihren Klauen befreien, als sie feststellten, dass ich der vermisste Sohn der bekannten Firmenbesitzer unserer Stadt war. Die 'anonymen' Kidnapper stellten sich als Angestellte bei eben dieser Firma heraus.

Meine Eltern hatten natürlich einen halben Herzinfarkt und entschieden sich, dass es dort nicht sicher genug für mich war. Und wo wäre es sicherer als in einer kleinen Welt, in der jeder gleichgestellt ist und alles überwacht wird?

Und so sind wir hier gelandet... Naja, ob mir das gefallen würde, hat damals keiner gefragt, und so musste ich mich zunächst umgewöhnen. Denn hier bin ich nichts besonderes. Hier bin ich nur einer von vielen, bin gleich viel wert wie jeder andere. Und das machte mir anfangs zu schaffen, aber inzwischen habe ich mich daran gewöhnt, als Einzelgänger durch die Flure der Schule zu streifen.

Nur zu Hause bin ich immer noch der behütete Goldschatz, dem die größte Aufmerksamkeit geschenkt wird. Wie jedes Einzelkind. Das alles hat nur einen Vorteil für mich, und zwar, dass meine Eltern endlich mehr Zeit für mich und für uns als Familie einplanen können. Und um ehrlich zu sein, will ich mich darüber nicht beschweren. Ich bin ja nicht undankbar.

Aber dass ich jetzt statt die Aufmerksamkeit meiner Mitmenschen zu genießen, nach der Pfeife eines anderen, eines eigentlich mir unwürdigen Menschen tanzen soll, passt mir gar nicht in die Tüte. Und das zeige ich auch.

Nur leider gefällt das den Wissenschaftlern hier nicht. Ich kriege in letzter Zeit immer häufiger unauffällige Drohungen im Alltag, wenn ich mich nicht wunschgemäß benehme. Wie der Aufruf der Lehrerin vorhin. Es ist nicht so, als wäre sie nicht eine ausgebildete Berufsperson mit Abschluss für Lehramt. Aber seien wir ehrlich, es wäre keinem normalen Lehrer, mit normalen menschlichen Sinnen und Fähigkeiten aufgefallen, dass ich in diesem Augenblick nicht an die Tafel geschaut habe. Sie hat es bestimmt über irgendein Hörgerät von einem dieser Überwachungs-Freaks gesteckt bekommen. Am Ende zwingen die mich noch den Schnösel zu umarmen, urgh...

Ich wende mich also wieder dem Unterricht, aber dann bemerke ich, dass mich alle anschauen. Alle außer unser Hauptdarsteller, er kriegt nichts mit. Sogar sein bester Freund und meiner. In ihren Augen liegt eine Drohung. Es ist als würden sie mir auch alle sagen wollen, mich zu benehmen. Alle stecken unter einer Decke, jeder hier weiß Bescheid. Und wenn es nicht um mich gehen würde, würde ich wahrscheinlich genau das gleiche tun. Und zwar den einen inkompetenten Mitspieler drohend anschauen, weil er nicht die jahrelange Leistung vieler Menschen in Trümmer hauen soll.

Aber hier geht es nun mal um mich und deswegen kann und will ich mich nicht meinem Schicksal erlegen, mich einschleimen zu müssen. Das lag noch nie in meiner Natur. Wenn ich jemanden nicht mag, dann zeige ich ihm das auch. Das hier ist eine Herausforderung für mich. Und die ganze Aufmerksamkeit auf mir, die leider nur negativ gemeint ist, macht mich nervös, überfordert mich. Bis meine Ohren anfangen zu fiepsen und es mir zu viel wird.

Ich melde mich. Die Lehrerin schaut mich überrascht an. "Ja, Taehyung?", ruft sie mich auf. "Ich will auf die Toilette", sage ich gedämpft. Ihr Blick verdüstert sich. "Aber sicher...", sagt sie kühl, aber nur ich scheine den vielsagenden Unterton rauszuhören. Oder jedenfalls ignorieren ihn alle anderen.

Wie auf ein Stichwort springe ich auf, stolpere fast über meine Tasche am Boden und flüchte raus in die Freiheit.

Bislang wird nicht einmal etwas von mir verlangt und es überfordert mich jetzt schon. Wie soll das in Zukunft ablaufen?

Natürlich gehe ich nicht auf die Toiletten, sondern statte dem Schulpark einen Besuch ab. Mir ist bewusst, dass sie mich sehen können, aber da es sich hier nun mal in erster Linie nicht um eine Schule, sondern um ein Experiment handelt, wird mir schon keiner Vorwürfe machen. Solange ich jedenfalls kein Störfaktor bin.

Sobald ich die Tür nach draußen aufdrücke, nehme ich einen tiefen Atemzug und genieße die Stille hier draußen, an der frischen Herbstluft. Klar, ich bin nicht alleine, aber es ist das Maximum an Einsamkeit, das man hier erwarten kann. Und das bringt einen psychisch förmlich zum durchdrehen.

Mein einziger Fehler war vielleicht nur  dabei die Uhr aus den Augen zu verlieren...

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Iwie mag ich die idee lol

𝐅𝐀𝐊𝐄 𝐖𝐎𝐑𝐋𝐃.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt