𝐅𝐀𝐊𝐄 𝐖𝐎𝐑𝐋𝐃.

11🌸

"Naja, egal, manchmal sind meine Gedanken wohl einfach seltsam", lächelt er zurück. Und ich kichere gezwungen, aber diesmal ist das Gefühl, das zurückbleibt nicht ein genervtes, sondern ein bedrücktes.
Ich fühle mich schuldig.
Überlege schon, was ihn etwas aufheitern würde, schaue auf seine Wange, und überlege, ob er einen kleinen Schmatzer überleben würde, oder das schon zu viel wäre, aber dann reiße ich mich aus meinen Gedanken. Werde ich jetzt wie alle anderen auch nach seiner Pfeife tanzen?
Nein, nein, nein, ich habe meine Prinzipien. Und meinen Stolz.

Aber da das schlechte Gewissen sich dadurch nicht abwimmeln lässt, lehne ich meinen Kopf leicht an seine Schulter, was bei unserem Schritttempo nicht mal allzu störend ist und hoffe, dass ihm das ein paar Glücksgefühle bescheren wird. Mehr werde ich jetzt aber nicht freiwillig machen, aber das reicht anscheinend schon, denn er erwidert die Geste kurz, doch dann normalisieren wir unsere Wirbelsäulen wieder und gehen "normal" Arm in Arm weiter.

"Also, was würdest du machen, wenn du alles machen könntest, was du willst?", frage ich plötzlich und will mir auf die Zunge beißen, sobald ich es ausgesprochen habe, denn das könnte ihn wahrscheinlich auf seltsame Gedanken bringen, ihn nach Sachen verlangen lassen, die er sich nie erträumen lassen hat. Es ist fast schon lustig, wie ich innerhalb von wenigen Stunden Sachen zerstört habe, die sich sein Umfeld jahrelang mühevoll aufgebaut hat.
Aber das ist andererseits gefährlich für das ganze Projekt also auch für mich und meine Familie, weswegen mir das Lachen im Hals stecken bleibt.

"Wenn ich alles dürfte?", fragt er und bleibt in Gedanken ohne es wohl zu bemerken stehen. Mir fielen tausend Sachen ein, aber da er nichts kennt außer seine, bildlich gesprochenen, vier Wände, muss er lange überlegen. Also können seine Vorstellungen wohl nicht so weit gehen.

"Keine Ahnung", sagt er erwartungsgemäß, "mich in einen dieser Busse setzen und sitzen bleiben, bis ich an einem Ort mit viel grün angekommen bin. So grün wie unser Park hier, oder sogar mehr. Vielleicht sogar mit Tieren. Tieren wie im Zoo, aber sie sollten frei sein und rumlaufen dürfen... Frei sein..."
Ein Wald schießt es mir sofort durch den Kopf. Dann lacht er plötzlich.  
"Wie absurd ich klingen muss", er lacht halbherzig, "meine Mutter sagt oft, dass ich eine blühende Fantasie habe." Ich lache gezwungen mit, aber insgeheim finde ich das traurig. Er wäre total überfordert in meiner alten Welt. Ob er dort überhaupt überleben würde? Sie haben ihm hier praktisch ein Handycap gegeben.

"Ah wir... wir sind da", stottert Jeongguk plötzlich wieder so schüchtern wie eh und je, als uns der Parkeingang mit dem Duft von herbstlichen Blättern, die in ihrem orangenen Ton zu Boden rieseln begrüßt. Es ist fast schon zu romantisch da jetzt reinzuspazieren, denn die ganze Atmosphäre scheint einfach zu perfekt.

Natürlich tut sie das, denke ich aber sofort danach, denn die Art wie die fallenden Blätter schimmernd einen Pfad für uns bilden und sich unauffällig ein Weg durch den ganzen Park andeutet, ist bestimmt kein Zufall. Und dass der Park fast leer ist, bis auf einige wenige Leute, die in der Ferne spazieren und den bloßen Sinn haben den Ort etwas belebter wirken zu lassen bestimmt auch nicht.

Ich seufze.
"Was ist los? Möchstest du zurück?", fragt mein unsicheres Gegenüber sofort. Ich blinzele überrascht.
"Nein, es ist nur so schön hier" beruhige ich ihn und er schaut zufrieden lächelnd auf den Boden.
Und da schleicht sich plötzlich auch ein Lächeln auf meine Lippen.
Es kam so unangekündigt und so hinterhältig schleichend, dass ich es kaum bemerkt hätte. Aber für einen Moment stört es mich nicht einmal, ich überlege sogar, dass es gar nicht so schlimm ist, die volle Aufmerksamkeit einer Person zu genießen.
Dass mir das gefehlt hat... irgendwie. Denn in letzter Zeit war keine Aufmerksamkeit die mir geschenkt worden war, abgesehen von der, die von meinen Eltern ausgeht, gut gemeint.

Vielleicht auch früher nicht.. wird mir plötzlich bewusst. Früher waren zwar immer Leute besorgt um mich, aber es ging dabei eben meistens um den Bankbetrag meiner Eltern. Fast jedes Lächeln das mir geschenkt wurde, hatte das im Hinterkopf.
Mir wird klar, dass die Leute früher sich mit mir wohl genauso gefühlt haben müssen, wie ich mich jetzt mit Jeongguk und plötzlich widert mich das an.

Die ganzen Leute die nur auf Geld aus waren, das Geld an sich, und sogar ich selbst.
Und dann denke ich zurück an das naive Ding neben mir. Alles was er sagt, alles was er tut, ist so gemeint, wie er es zeigt. Er weiß wahrscheinlich nicht einmal wie man hinterhältig handelt oder lügt.
Und wie von selbst bleibe ich plötzlich mitten im Park stehen und zwinge ihn wegen unserer verhakten Arme automatisch auch dazu.

Mir kommen Zweifel, aber jetzt habe ich schon zu auffällig gehandelt, um einen Rückzieher zu machen, also stelle ich mich nun doch leicht auf Zehenspitzen und beuge mich vor, um dem Jungen vor mir einen federleichten Kuss auf seine Wange zu geben.

Dann bleibe ich für den Bruchteil einer Sekunde vor ihm stehen, und schaue ihm in die Augen, ehe ich ihn lächelnd und stumm zum weitergehen auffordere. Nur widerwillig stolpert er mit und wir bleiben für den Moment beide unabgesprochen still.
Ich grinsend, er eher erstaunt, wenn nicht sogar geschockt.
Also wenn er sich bis jetzt nichts romantisches zwischen uns vorgestellt hat, dann hat sich das spätestens jetzt geändert...

Die Kontrollfreaks sollten doch jetzt außerordentlich stolz auf mich sein oder?
Es kommt nur leider keine Antwort oder gar Reaktion von ihnen, sodass wir unseren Spaziergang einfach fortsetzen.

"Ich mag dich", erfüllt plötzlich die Luft zwischen uns...

*~°♡°~*
Ich wollte mal nicht allzu lange auf ein Update warten lassen. Wie ist eure Corona-Zeit verlaufen beziehungsweise, wie sind eure Ferien?(falls die bei euch schon angefangen haben haha)
Ich fand's ein bisschen stressig hehe