🌸6

190 23 10
                                    

In den letzten Tagen ist mir Jeongguk immer mehr auf die Nerven gegangen, aber ich habe inzwischen mein Verhalten angepasst.

Ich habe einen gesunden Mittelweg für mich gefunden, bei dem ich weder überfreundlich und mich damit selber ankotzen, noch abweisend und die anderen nerven muss. Ich rede mit ihm, gebe Antworten, aber bleibe dabei distanziert.

Denn als ich es letztens erneut mit meiner kalten Art versucht habe, bin ich auf die Schnauze geflogen. Wortwörtlich. Zum Glück hatte ich daran gedacht mir wertlose Klamotten anzuziehen, sodass ich die daraufhin demolierte Hose ohne schlechtes Gewissen wegwerfen konnte. Nur um mein armes Gesicht hab ich ein wenig getrauert, denn jetzt habe ich eine Schramme an der Wange und meine Lippe sieht auch ein wenig beschädigt aus. Beim Lächeln tut's weh. Gut, dass das sowieso nicht allzu oft vorkommt.

Naja, damit wäre ich jedenfalls klar gekommen, aber unsere Koreanischlehrerin hatte die brillante Idee uns alle Referate anfertigen zu lassen um "sich noch mal ein Bild von den Fähigkeiten jedes Einzelnen machen zu können". Wir sollen es in Zweiergruppen erledigen. Mir war natürlich sofort klar, dass dieses ganze Projekt einen anderen Zweck hatte, denn wie auf wundersame Weise sind statt ich und Yoongi, nun ich und Jeongguk ein Team.

Diese Freaks versuchen den Wing-man zu spielen und mir passt das gar nicht. Sie wollen mich zwingen außerhalb der Schule Zeit mit Jeongguk zu verbringen, und das bringt mein aufgesetztes Lächeln zum bröckeln.

Was für ein Klischee es doch eigentlich ist... nur dass es für mich nicht die Art von Klischee ist, die ich mir gewünscht hätte. Ein "dein Seelenverwandter wurde überfahren, jetzt musst du trauern" hätte es meiner Meinung nach auch getan.

Nun ist es aber leider wie es ist und mir steht ein Treffen mit dem Schnösel bevor. Noch habe ich ihn nicht darauf angesprochen und er scheint zu schüchtern zu sein, um es von sich aus zu machen, also werde ich früher oder später sowieso noch gezwungen werden es zu tun. Dann mache ich es lieber von alleine, als vorher "zufälligerweise" noch mal auf die Schnauze fliegen zu müssen.

Aber den Kleinen in der Schule abzufangen, ohne meinen Ruf auf's Spiel zu setzen stellt sich leider als schwieriger heraus, als erwartet. Er starrt mich zwar immer und überall an, schenkt mir seine Aufmerksamkeit, aber sobald wir eine Pause, oder sonst etwas bei dem ich ihn ansprechen könnte, haben, wird er von Mädchen und Jungs umscharrt, als sei er ein rohes Stück Fleisch im Löwenkäfig. Und mich durch diese Scharr durchzukämpfen, werde ich nicht einmal über meine Leiche tun. Immerhin habe ich noch etwas wie Würde.

Aber ich muss mir solangsam etwas überlegen, denn eine Woche ist um und gefühlt jeder Lehrer starrt mich warnend an. Ich verstehe nur nicht, warum die anderen Schüler es mir nicht vereinfachen wollen, wenn sie doch wissen, dass wir alle dadurch profitieren werden. Aber nein, sie scheinen es mir absichtlich erschweren zu wollen. Vielleicht amüsiert sie auch bloß der Anblick von dem kalten, abweisenden Einzelgänger, wie er sich bemüht sich einer Beliebtheit zu nähern. Oder es steckt mehr dahinter...

Im Augenblick haben wir Unterricht und Jeongguk verfolgt aufmerksam und brav das, was der Lehrer vorne erklärt.

"Das ist doch unfair", zische ich Yoongi zu. "Er findet immer Zeit mich zu nerven, aber sobald ich etwas Wichtiges mit ihm besprechen will", flüstere ich und meine die unangenehme Angelegenheit mit dem Referat, "tauchen plötzlich überall diese Kackbratzen auf", ich deute mit einer ausschweifenden Bewegung auf unsere Mitschüler. Yoongi hört meine Frustration raus, denn er scheint ein Lachen zu unterdrücken und mir mühevoll einen mitleidigen Blick zu schenken.

"Kopf hoch, das wird schon", flüstert er, während er weiter in sein Heft kritzelt. "Vielleicht haben sie ja Pläne. Vielleicht sollst du ihn romantisch fragen, auf die Knie gehen und ihm Rosen überreichen", sagt er und kann diesmal ein Kichern nicht unterbinden. Ich erstarre bei diesen Worten.

"Wer hat das gesagt?", frage ich sofort entgeistert. "Stimmt das?!"
Viele denken jetzt bestimmt meine Reaktion ist übertrieben, aber ich bin mir grade einfach nicht sicher, ob das ein unauffälliger Hinweis sein sollte, den diese Freaks meinem besten Freund gesteckt haben und den er mir überbringen sollte, oder ob er sich das wirklich nur ausgedacht hat. Denen hier traue ich alles zu und da wir sowieso nicht offen drüber reden können, ist auch alles möglich.

"Beruhig dich. Niemand sagt das", flüstert er und schenkt mir einen ernsten Blick, um mir das indirekt zu bestätigen. Ich atme kurz erleichtert aus, aber dann merke ich, dass die ganze Klasse leise ist. Nachdem ich mich umgeschaut habe, sehe ich, dass mich der Lehrer, sowie einige unverschämte Schüler anstarren. Ich räuspere mich und mache mich auf meinem Stuhl kleiner.

"Taehyung, Yoongi? Teilt euren bestimmt geistreichen Beitrag doch mit der Klasse", fordert Herr Park uns auf. "Ich bin mir sicher, dass wir alle dran teilhaben wollen." Eine Drohung.
"Schon gut, Herr Park. Wir sind jetzt leise", sage ich, aber meine Stimme ist kratzig. Ich werfe meinem besten Freund einen hilfesuchenden Blick zu, aber er schaut mich nicht mal an und bleibt stumm. So viel dazu.

"Sicher", sagt unser Lehrer. "Jimin, Taehyung, ihr tauscht Plätze", sagt er und ich könnte schwören den Anflug eines schadenfrohen Lächelns auf seinen Lippen zu erkennen, als ich merke, neben wem Jimin denn bislang saß.

Neben wem wohl...

~~
Lang lang ist's her.

𝐅𝐀𝐊𝐄 𝐖𝐎𝐑𝐋𝐃.Where stories live. Discover now