Kapitel 1 Montage des Grauens

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Ganz in mein Buch vertieft saß ich im Bus. Es war Montag in der Früh und somit war das öffentliche Fahrzeug rappelvoll mit anderen Jugendlichen und Kindern. Alle drängelten und schubsten sich aneinander und ich freute mich ein Plätzchen gefunden zu haben. Langsam ließ ich mein Buch 
Der Bus war voller Stimmen aller Art, ob quietschig, tief, laut oder leise, jeder sprach. Egal ob am Handy oder mit seinem Freund. Nur wenige standen einfach nur da und schauten aus den Fenstern hinaus. 

Ich war eine der wenigen die nichts sagten, doch nicht aus Absicht.

Nein, ich würde liebend gerne mit jemanden plaudern, egal ob mit einem Wildfremden oder einem Freund. Doch ich war stumm und hatte keine Freunde.
Ich weiß, ich weiß, jetzt sollte die Nummer kommen wo ich mich selbst bemitleidete oder so, aber so ist es nicht. Meine Stummheit war einfach Teil meines Lebens und basta.
Gut, mein Leben war dadurch nicht gerade sehr beneidenswert, aber ich hatte auch meine Freuden! Zum Beispiel, wenn ich mir ein neues Buch kaufte. Bücher ließen mich der Realität entfliehen, wenn auch nur für einige Zeit. Dennoch stellte ich mir dabei vor, wie ich als Hauptperson sprechen, singen, lachen und konnte. Schon alleine das beflügelte mein Herz.

Plötzlich wurde ich vom Lesen unterbrochen, als die Bustüren quietschend aufgingen und alle Jugendlichen hinaus stürmten und sich gegenseitig anrempelten. Ich packte schnell mein Buch in meine Tasche ein und ging auch hinaus.
Just peitschte mir der Wind mein langes haselnussbraunes Haar ins Gesicht und leicht zitternd vor der Kälte vergrub ich mein Gesicht noch tiefer in meinen roten Schal. Da sah ich endlich meine Schule vor mir auftauchen und beschleunigte meine Schritte, um schneller ins Warme zu kommen.

Angekommen tat ich das was ich jeden Morgen machte: In der Aula unseren Hausmeister Mister Tycock grüßen.
Ich wusste selbst nicht wieso, aber ich hatte es einfach schon immer gemacht, seitdem ich hier an der Schule war.
Wie ich es erwartet hatte, winkte er mir freudig lächelnd zurück und moppte anschließend den Flur weiter.

Danach ging ich den Gang zu meinem Spind entlang und wollte ihn gerade öffnen, als mich jemand von hinten anrempelte und ich hart auf den Boden knallte.
Hämisch lachend hörte ich die Stimme von meiner Klassenkameradin Caroline:" Ups, ich habe dich gar nicht gesehen. Hättest vielleicht was sagen sollen, dass du hier stehst." Die Mädchentruppe um Caroline begann dümmlich zu lachen, doch ohne ihnen einen Blick zu schenken stand ich auf und hob meine Tasche vom Boden. Zu meiner Erleichterung verschwanden die Mädchen danach so schnell wie sie aufgetaucht waren und ich öffnete stumm seufzend meinen Spind. Ich schaute auf meinen aufgepinnten Stundenplan und sah, dass wir erste Stunde Physik haben würden.
Oh Gott, gab es eine größere Qual als am Montag in der ersten Stunde Physik zu haben?, dachte ich mir missmutig und holte die Bücher mühevoll aus meinem Spind.

Genervt wollte ich gerade meinen Spind wieder schließen, als mich jemand von hinten anredete." Entschuldigung? Weißt du vielleicht wo das Sekretariat ist?"

Ehrlich jetzt? Es gibt hier so viele Leute die in den Gängen herum wandernten und genau der muss die einzig stumme Person in diesem Laden erwischen?, dachte ich mir zynisch, drehte mich aber dennoch um.
Ich wollte demjenigem zeigen, dass ich stumm war, doch dann stockte mir auf einmal der Atem. Vor mir stand ein 18-jähriger Junge mit stylisch gegeelten blonden Haaren, Lederjacke und Sonnenbrille (obwohl es November war...). Könnte ich noch sprechen würde ich jetzt nur noch scheiße stammeln.

Er hob seine Augenbraue und fragte:" Ist alles in Ordnung?" Ich löste mich aus meiner Starre und zeigte mit meinen Händen hinunter zur Treppe, denn da war schließlich auch das Sekretariat. Er bedankte sich bei mir und verschwand. Leicht enttäuscht seufzte ich und huschte unbemerkt in meine Klasse. Dort sah ich was ich jeden Montagmorgen sah. Mädchengruppen, die wahrscheinlich über die neuste Boyband redeten und Jungsgruppen, die entweder über Sport oder Shooterspiele redeten. Niemand begrüßte mich oder bemerkte auch nur, dass ich da war. Aber sind wir mal ehrlich, das war mir auch lieber.

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