Kapitel 8 Dunkle Wälder

8.2K 463 66
                                    

Nur kurz konnte ich meine Erinnerungen an letzte Nacht auskosten, denn als mein Blick auf meinen Wecker fiel, traf es mich wie ein Schlag. Ich komme zu spät!

In Rekordzeit zog ich mich um, ließ mich halbwegs annehmbar aussehen und stürmte schon, zusammen mit meinen sieben Sachen, aus der Tür hinaus. Es schüttelte mich zwar sofort, nachdem ich aus unserer Wohnanlage hinaus getreten war, da ich mich viel zu leicht angezogen hatte, aber egal. Ich hoffte mal einfach, dass ich keine Erkältung bekam.

Ich konnte es kaum glauben, als ich sah, dass ich die Busstation perfekt erreichte und den Bus, nicht wie sonst knapp verpasste. Ganz im Gegenteil, durch meine Überpünktlichkeit musste ich sogar kurz warten, doch da bog das Gefährt schon gemütlich tuckernd in meine Straße ein und die Türen öffneten sich quietschend mehr schlecht als recht. Innerlich jubelnd, dass das Fahrzeug beheizt war, lächelte ich kurz und ging zufrieden zur letzten Reihe des Bus.

Endlich nicht mehr so frierend, warf ich mich auf einen Sitzplatz und kramte meine ramponierten Kopfhörer plus Ipod heraus, um den letzten Hauch Müdigkeit zu vertreiben. Die Fahrt dauerte nicht lange und ich starrte währenddessen nur gedankenverloren aus dem Fenster hinaus. Nur nebenbei beobachtete ich die Außenwelt, an der ich vorbei fuhr. Nach einigen Minuten Fahrt erkannte ich gerade noch richtig, dass mein Stop kam und schnappte mir schnell meine Tasche, damit ich mit der Horde von Leuten aussteigen konnte.

Kaum hatte ich einen Fuß aus dem Fahrzeug gesetzt, erreichte mich wieder die Kälte, die draußen herrschte und ich verfluchte mich selber. In meinem Alter sollte ich eigentlich wissen, wie man sich richtig anzuziehen hat, dachte ich mir grummelig und versuchte den Kragen meiner Jacke höher zu ziehen. Eine weitere eisige Böe - die aber wahrscheinlich nur psychisch war - umkam mich, als ich sah, wie Caroline nur wenige Meter vor mir aus ihrem VW-Käfer stieg.

Ich hatte echt keine Lust darauf von ihr lächerlich gemacht zu werden, weil ich mir noch immer den Führerschein und erst recht nicht ein neues Auto, leisten konnte. Doch genau deswegen kannte ich seit Jahren schon einen passenden Umweg und ging geradeaus in das kleine Waldstückchen, welches an unserer Schule angrenzte.
Es war nicht sonderlich groß, gut betreut und ich hatte längst aufgehört den Mist und die Spritzen am Erdboden zu zählen, doch als Abkürzung und Flucht vor einer unangenehmen Konfrontation war es genau richtig.

Natürlich war es Schülern nicht erlaubt den Wald zu betreten, da es eben keinen offiziellen Weg durch ihn hindurch gab und jeder wusste, dass dort immer wieder Obdachlose schliefen und sich öfters Dealer trafen. Ob es wirklich dermaßen ungut war den Wald zu betreten, konnte ich nicht sagen, da ich noch nie eine andere Menschenseele hier angetroffen hatte.

Doch es war mir ehrlich gesagt auch herzlich egal und so ging ich weiter über morsche Äste und die leichte Schneeschicht knirschte unter meinen Schuhen. Riskieren wollte ich dafür dennoch nichts und steckte meine Kopfhörer lieber in meine Jackentasche ein, damit ich meine Umgebung gut hören konnte.

Sofort nahm ich wahr, wie zwei Vögel ein kleines Liedchen trällerte und sah hinauf in die Baumwipfel, wo die beiden saßen. Es hörte sich schön an, doch gleichzeitig wunderte ich mich.
Sollten die beiden nicht schon im Süden sein und nicht hier, wo es nur arschkalt war? Unbewusst blieb ich stehen, lauschte den beiden und versuchte mein Wissen über Vögel abzurufen, welches - nicht sehr überraschend - kaum vorhanden war.

Ein weiteres Knirschen von Schnee hinter mir, ließ mich wieder zurück in die Realität kommen und ich drehte mich schnell um, um zu sehen, wer noch diese Abkürzung nutzte. Zu meiner Verwunderung war es Noel, der mich aus weit aufgerissenen Augen ansah.

„Elia, was machst du hier?", fragte er mich mit einem Hauch Panik in seiner Stimme und ich hob meine Augenbraue argwöhnisch. Da ich weder Notizblock auf die Schnelle dabei hatte, noch Gebärdensprache konnte (vielleicht sollte ich sie doch langsam lernen), zeigte ich ihm, dass ich zur Schule ging, indem ich in die richtige Richtung zeigte.

Dark AngelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt