Kapitel 2 Das Santa Hörnchen

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Nachdenklich stand ich neben der Mikrowelle bei mir zu Hause. Verwirrt und versunken in Gedanken schaute ich meinem Essen zu, wie es seine Runden drehte, während ich ganz wo anders war.
Ob ich wirklich diese Stimmen gehört hatte?, dachte ich mir, doch schüttelte schnell meinen Kopf. Nein hast du nicht, denk nicht weiters darüber nach, sagte ich mir streng, als mir auf einmal auffiel, wie viel ich mit mir selber sprach.
Toll, jetzt bin ich stumm, verrückt und rede mit mir selber, kanns noch schlimmer werden?

Jedoch riss mich das 'Ping' der Mikrowelle aus meinen chaotischen Gedanken und genau in dem Moment hörte ich wie meine Mutter die Haustür aufsperrte und sofort rief:"Hallo Eli, ich bin zu Hause!" Verärgert über meinen von ihr so geliebten Spitznamen, verzog ich mein Gesicht, doch da ich sowieso nichts dagegen hätte sagen können, nahm ich mir nur mein dampfendes Essen und setzte mich an den kleinen Esstisch.

Meine Mutter kam nun auch in die Küche und verwundert bemerkte ich, wie sie freudig strahlte. Überschwinglich gab sie mir einen Kuss auf meine Stirn und ich blinzelte überrascht.
Wieso ist sie den so gut aufgelegt?

Schnell holte ich meinen kleinen dunkelblauen Notizblock, sowie einen Kugelschreiber aus meiner Tasche heraus und schrieb: Hallo Mom, wieso bist du denn so gut aufgelegt? Gibts irgendwelche gute News?
Freudig nickend antwortete sie mir:" Es gibt super tolle News! Stell dir vor, ich habe einen Mann kennengelernt und jetzt nach einigem Zögern, habe ich mich dazu getraut! Wir beide haben uns ein romantisches Essen zu Zweit ausgemacht! Gleich morgen!"

Wie ein Wasserfall sprach sie sprudelnt weiter, doch ich hatte mit dem Essen aufgehört und sah sie fassungslos an. Ich wollte etwas sagen, doch wie immer blieb ich nur stumm. Wie immer wurde es mir verwehrt meine Meinung zu sagen.

Doch sie schien es anscheinend von alleine zu merken, dass ich sie nicht gerade sehr fröhlich ansah und mit traurigem Blick sagte sie:"Freust du dich denn gar nicht für mich?". Am liebsten hätte ich ihr meine Meinung gesagt. Hätte getobt, wie sie an jemand anderen denken konnte, obwohl ihr Mann tot war. Wie sie ihn vergessen konnte. Wie sie so den Schmerz des Verlustes unterdrücken konnte.

Doch wie immer schwieg ich.

Aber in meiner Wut waren mir selber Erinnerungen an meinen Vater zurückgekommen und gegen meinen Willen, ebenso von dem Unfall.

Papa, wie er mit mir an der Hand in den Flieger steigt. Papa, wie er meinen Rucksack unter seinen Sessel legt. Papa, wie er mich beruhigt, weil ich Angst habe, da das Flugzeug so stark wackelt. Papa, wie er besorgt den hecktisch umher laufenden Stewardessen hinterher schaut. Papa, wie er mich beim Abstürzen mit panisch geweiteten Augen ansieht. Papa, wie er mich in den Arm nimmt und mit mir um unser Leben schreit. Papa, ... wie ... wie ... er alleine in die Dunklen des Ozeans verschwindet.

Gequält von den Bildern wollte ich einfach nur meine Augen schließen und sie verschwinden lassen, doch ich schaffte es nicht den Schmerz zu unterdrücken und drückte meine Hände schmerzhaft fest gegen meinen Kopf, sodass diese verdammten Erinnerungen doch endlich verschwinden würden.
Aber sie taten es nicht. Sie blieben vor mir, wie ein Albtraum der einfach nicht verschwinden wollte. Ein Albtraum der Vergangenheit war, doch durch das Erinnern noch zum Greifen nahe real war.

Wieder kammen die Selbstanschuldigungen. Die Fragen. Warum lebe ich noch und er nicht? Warum mussten wir auf dieses gottverdammte Flugzeug? Warum konnte ich ihm nicht helfen?

Tränen der Verzweiflung rannen mir an meinen Wangen herab und sanft spührte ich, wie meine Mutter mich auf einmal streichelte. Zurückhaltend sagte sie:" Es tut mir leid Elia. Ich hatte nicht bedacht, wie viel dir dein Vater bedeutet hatte und wie sehr dich das noch immer mitnimmt."
Was hatte sie denn geglaubt? Warum glaubte sie, dass ich noch immer nicht sprechen konnte, so sehr ich es auch wollte.

Dark AngelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt