Kapitel 1

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Migas p.o.v.

Meine Augen waren starr auf das Ziel gerichtet. Die letzten vier Bahnen musste ich noch überstehen und dann konnte ich mich endlich auf den Weg zu Taehyung machen. Ich konnte es kaum fassen. Endlich würde ich die Möglichkeit bekommen ihn wieder zu treffen und nicht nur hin und wieder mit ihm zu telefonieren. Unsere Zeitpläne waren sehr eng getaktet, wodurch alles eine Quälerei war. Ich hatte es noch nicht einmal geschaftt, seine Bandkollegen alle kennenzulernen. Er hatte mir einige Male von ihnen erzählt und etwas später nun würde ich sie persönlich kennenlernen. 

"Und los", rief unser Trainer und sofort sprangen wir ins Becken. Es gab diese kleinen Wettkämpfe immer unter uns Athleten. Wir sollten dadurch unseren Ehrgeiz steigern und die Wettkampfsituation proben. Wir schwammen 200 m Schmetterling. Eine Disziplin, die mir eigentlich lag, aber in diesem Augenblick hatte sich so viel Vorfreude bei mir eingeschlichen, die ich einfach nicht unter Kontrolle bekam, sodass ich erst als Dritte am Beckenrand anschlag.

"Dankeschön. Das wars für heute. Ich wünsche euch ein schönes Wochenende", meinte er und lächelte uns freundlich an. Die anderen stiegen schwer atmend aus dem Becken und ich folgte ihnen. Ich hoffte, dass ich mit der Gruppe der anderen Mädels verschwinden konnte, aber dann hielt mich unser Trainer Hwang Jiho zurück, der erst seit fast einem Jahr unser Trainer war, nachdem unser alter Trainer sich aus dem Schwimmsport zurückgezogen hatte, indem er sagte: "Miga, könntest du noch eine Minute für mich entbehren?"

Ich sah sehnsüchtig auf die Uhr. Es war bereits 17:23 Uhr und ich musste meinen Zug um 18:02 Uhr erreichen, damit ich gegen 20:01 in Seoul war. Er hatte sowieso schon 23 Minuten meiner kostbaren Zeit geklaut. Angespannt begann ich zu nicken. Er sollte mir möglichst nichts von meinem Stress anmerken. 

"Was ist denn los? Normalerweise bist du bei Schmetterling mit Abstand die schnellste, aber heute? Mit dieser Form habe ich keine Wahl als dich aus dem Kader für Olympia zu streichen"

Meine Augen sahen panisch hin und her. Was sollte ich denn jetzt machen? Ich hatte seit Jahren von Olympia geträumt und jeden Tag für mein Ziel gearbeitet.

"Ganz ruhig, Miga. Du weißt, dass du mich jederzeit umstimmen kannst. Nimm dir das Wochenende und denke darüber nach, was du tun willst. Noch ist dein Platz nicht weg. Du musst mich nur überzeugen, dass du es kannst", meinte er ruhig und ich begann zu schlucken. 

"Ich werde darüber nachdenken", antwortete ich und wollte mich schon umdrehen, um zu gehen, als er aufmunternd meine Hände nahm und sie fest in seinen hielt. 

"Miga, enttäusche mich bitte nicht. Du bist ein großes Talent, aber ohne den Startplatz wird es dabei bleiben"

Ich spürte wie alles Leben aus meinen Körper schwand und es mich mit einem leeren Blick zurückließ. Sobald er meine Hände losließ und ging, begann ich wieder etwas tiefer zu atmen und schaffte es schließlich mich unter die Dusche zu drängen, obwohl mich immer noch der Schock fest in seinen Klauen hielt. Sumi und Juhee schafften es jedoch mich etwas zu befreien und fuhren mich danach zum Bahnhof. 

Die beiden waren meine besten Freundinnen, die ich im koreanischen Schwimmteam getroffen habe. Juhee war schon dort gewesen, als ich als kleine 17 Jährige erstmals dort teilnehmen durfte. Sie wurde von den Medien vor mir immer als das größte koreanische Schwimmtalent jemals bezeichnet, was mich umso glücklicher stimmte, dass sie mich deshalb nicht hasste. Der Druck, unter dem wir standen, hätte sie zu so einem Menschen werden lassen können. Aber sie war noch immer voller positiver Energie und zu allem bereit. Sie würde sich für uns in jede Schlacht begeben und war mir durch ihre durchsetzungsfähige Ader sofort aufgefallen. In manchen Situation hätte ich gerne etwas von ihrer Durchsetzungsfähigkeit und Stärke, um nicht immer zu unterliegen.

Sumi war mir ebenso ans Herz gewachsen. Sie versuchte immer ihre Limits zu überschreiten und hatte so oft schon mit dem Druck ihrer Eltern zu kämpfen. Sie erwarteten, dass sie die erste Koreanische Schwimmerin war, die bei den 200m Brust eine olympische Medaille holte, am besten natürlich die goldene. Aber sie brannte nicht so sehr für diesen Sport, weshalb es ihr bisweilen schwer fiel eine Chance bei unserem Trainer zu bekommen. Er verkörperte die koreanischen Ideale der Arbeitseinstellung zu hundert Prozent und forderte das vor allem von uns. Wer das nicht schaffte, hatte bereits verloren. 

Die beiden wünschten mir viel Spaß und Erholung an diesem wettkampffreien Wochenende, auf das ich seit einigen Wochen sehnsüchtig wartete. Ich hatte ihnen von Taehyung erzählt. Also nicht, dass er der Kim Taehyung war, der bei BTS, der international vermutlich erfolgreichsten K-Pop Band, ein Mitglied war. Nur die Seiten von Taehyung, die ich noch aus unseren Kindertagen kannte. Bevor er zum angehimmelten Idol wurde und ich zu der Schwimmerin, die ich heute versuchte zu sein. 

Ich erreichte glücklicherweise noch rechtzeitig den Zug und lies mich erschöpft auf einen Platz nieder. Meine große Tasche stellte ich auf den Boden und verschafte mir schweifend einen Überblick über den Zug. Danach nahm ich mein Handy zur Hand und sah, dass mein Bruder mir geschrieben hatte:

Wann bist du hier? Dann kann ich dich vom Zug abholen und mit zu den Jungs mitnehmen.

Ich schmunzelte und dachte über meinen Plan nach. Ich wollte vorerst noch eine Kleinigkeit für Taehung und die Jungs besorgen, die mich netterweise bei ihnen im Haus schlafen ließen. Ich hatte in Gwangju keine Zeit für solche Gedanken gehabt, weil mich das vom Training abgehalten hätte und das war so kurz vor Olympia einfach unmöglich. Es war mein Traum schon seit ich ein kleines Kind gewesen war.

Oder möchtest du doch lieber vor erst in ein Hotel? Ich könnte das gut verstehen. Die Jungs sind manchmal völlige Trottel.

Ich schmunzelte bei seiner erneuten Nachricht und antwortete dann sofort:

Wie es euch besser gefällt. Ich kann auch zuerst in ein Hotel gehen. Die Hauptsache ist, dass wir endlich wieder Zeit zusammen verbringen können.

Kaum wenige Sekunden später kam seine Antwort:

Was das angeht, wir sollen am Sonntag zu einem Festival. Aber da kannst du gerne mitkommen. Ich kümmere mich um die ganzen formalen Sachen und spreche mit dem Management. Da können die mir nichts sagen.

Taehyung war so ein Quatschkopf manchmal, sodass ich schon bezweifelte, dass er wirklich der Ältere von uns beiden war. Aber die Daten lügen nicht. Mein Geburtstdatum der 14.06.1999 lag nun einmal ganze 3 1/2 Jahre hinter seinem. Und dennoch standen die Zahlen teils im Konflikt mit dem Erscheinungsbild. Wie sich das wohl wirklich verändert hatte? Zwar hatte ich viele Videos gesehen, aber in echt sah er bestimmt noch größer und hübscher aus als in diesen.

Ich bin bei allem dabei, wo ich dabei sein darf. Ich möchte jede verfügbare Minute mit dir verbringen können, bevor uns wieder mehrere hundert Kilometer trennen.

Mein Blick schweifte nach draußen in die Dunkelheit und ich versuchte meine Gedanken etwas fließen zu lassen, bis mich just das Einkommen einer Nachricht meines Bruders störte.

Alles klar. Ich kläre alles ab. Wann genau soll ich dich jetzt abholen?

Ich antwortete ihm nicht. Ich wollte mir etwas überlegen, was ich ihnen mitbringen könnte. Etwas, das weder kitschig noch unanständig war. Das keinerlei falsche Gedanken hervorrief, aber auch keine sichere Nummer wie Pralinen war. Angestrengt überlegte ich und beschloss dann noch etwas in meinem Buch zu lesen. Ich hatte schließlich noch fast zwei Stunden, um mir eine geeignete Lösung auszudenken.

SAVE ME- BTS FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt