N E U N

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Vorsichtig klopfte ich drei Mal an die Tür der Vertrauenslehrerin. Sie war mal wieder nicht zu unseren wöchentlichen Gesprächen im Musiksaal erschienen. Aus diesem Grund hatte ich kurzerhand entschieden, nachzusehen, ob sie in ihrem Büro war.

Im Inneren blieb es ruhig und ohne darüber nachzudenken, drückte ich die Türklinke herunter. Zu meiner Überraschung war die Tür nicht verschlossen, sodass ich in den winzigen Raum eintreten konnte. Keine Minute war ich hier drinnen und spürte bereits das bekannte Unwohlsein in mir hochkommen. Ich schob das ungute Gefühl sofort bei Seite und richtete meinen Blick auf den Schreibtisch.

Ms Kane hatte ihren Kopf auf ihre verschränkte Arme gelegt und schlief. Ihr leiser, gleichmäßiger Atem verriet sie. Ihr blondes, halblanges Haar verdeckte einen Teil ihres Gesichts, sodass ich den friedvollen Ausdruck darin nur erahnen konnte.

Es war immerhin nicht das erste Mal, dass ich die Vertrauenslehrerin schlafend an ihrem Schreibtisch vorfand. Und ich glaubte, es würde nicht das letzte Mal sein. Sie gab sich zwar die Mühe es zu verstecken, aber ihre ständige Müdigkeit konnte sie nicht verbergen, war man erstmal darauf aufmerksam geworden.

Das letzte Mal war ich einfach gegangen, was Ms Kane nicht hatte auf sich sitzen lassen. Deshalb entschied ich, ihr dieses mal eine kurze Nachricht dazulassen. So hätten wir beide etwas davon. Sie könnte weiterschlafen und ich konnte endlich ins Wochenende und musste nicht erst eine halbe Stunde mit Reden vergeuden.

Mein Vorhaben platze in dem Moment, als ich behutsam nach einem Post-it auf ihrem Schreibtisch griff und dabei geradewegs einen Behälter mit Stiften mit meiner Tasche umwarf. Erschrocken sah ich zu, wie die Stifte klirrend zu Boden fielen.

„Oh, verdammt!", war meine darauffolgende, nicht ganz so leise Reaktion. Mein Blick wanderte automatisch zu Ms Kane. Diese hob langsam den Kopf und als ihre hellen, blauen Augen mich erblickten, wirkte sie zunächst verwirrt.

„Ms Callahan?" Sie richtete sich vollständig auf und strich sich die dunkle Bluse zurecht, die während des Schlafs verrutscht sein musste. Zwei der oberen Knöpfe waren geöffnet und so erhaschte ich für den Bruchteil einer Sekunde einen Blick auf ihr Dekolleté. Mir schoss augenblicklich das Blut zu Kopf, obwohl es dafür nicht den geringsten Grund gab.

„Ich habe unser Treffen verpasst, nicht wahr?" Ihre vollen Lippen formten sich zu einem entschuldigenden Lächeln.

„Nur die Hälfte. Wir haben noch fünfzehn Minuten." Warum hatte ich das gesagt? Hatte ich nicht eigentlich vorgehabt, zu gehen? Desto schneller ich aus diesem kleinem Raum kam, desto besser würde es mir gehen.

„Wenn das so ist, würde ich die verbliebene Zeit gerne noch nutzen, um etwas auszuprobieren", sagte sie mit einem Ausdruck in den Augen, den ich nicht wirklich deuten konnte. Anstatt auf eine Reaktion meinerseits abzuwarten, erhob sie sich aus ihrem Stuhl und deutete auf ihn. „Setzten Sie sich."

Wortlos folgte ich ihrer Bitte oder war es doch ein Befehl gewesen? Die Situation verwirrte mich zunehmend. Da saß ich also im Schreibtischstuhl meiner Musiklehrerin und hatte nicht die geringste Ahnung was in diesem Moment durch deren Kopf ging.

„Und was genau wollen Sie jetzt ausprobieren?", wollte ich von ihr wissen.

Ohne eine Wort zu sagen, trat Ms Kane auf mich zu und setzte sich rittlings auf mich, sodass wir uns gegenseitig ansehen konnten. Im stehenden Zustand war sie etwas kleiner als ich, aber jetzt befanden wir uns beinahe auf Augenhöhe. Sie sah mir direkt in die Augen und bedachte mich mit einem liebevollen Lächeln. Und ich? Ich war nicht in der Lage, mich zu rühren. Mein Körper war wie festgefroren.

Scherbenherz [TxS / GxG]Tempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang