F Ü N F Z E H N

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Ich war fertig!‌ Fertig mit all dem, was mir das Leben erschwerte. Fertig mit Jasper und vor allem fertig mit Ms Kane! Dass ich diese zwei Menschen einfach aus meinem Leben streichen konnte, war natürlich Wunschdenken. Beiden würde ich in den nächsten eineinhalb Jahren entweder in den Schulfluren oder Klassenräumen begegnen. Sie solange zu ignorieren wäre schlichtweg unmöglich.

Also tat ich das einzig Vernünftige. Ich konfrontierte Jasper und mich mit der Wahrheit. Es war kurz vor Schulbeginn und Jasper und ich standen nun hier hinter den Kunstkontainern und starrten uns an.

Dunkle Ringe langen unter seinen Augen. Wahrscheinlich hatte er genauso wenig Schlaf wie ich in den letzten zwei Tagen gefunden.

„Es tut mir leid, Mel", war es Jasper, der das Eis zwischen uns brach. Seine vertrauensvollen, braunen Augen sahen mich reuevoll an. „Ich hätte Blair nicht küssen sollen."

Blair hieß sie also. Passte irgendwie. Ich verzog angewidert das Gesicht. Von Küssen konnte kaum die Rede gewesen sein. Rumgeknutscht hatten die beiden, während diese Blair es sich auf dem Schoss meines Freundes gemütlich gemacht hatte.

„Ich hab zu viel ge-"

„Ich mach Schluss, Jasper", brachte ich ihn mit meinen Worten zum Verstummen. Kurz und schmerzlos, das war mein Plan gewesen. Aber eine Jahrelange Beziehung zu beenden, war nie schmerzlos. Da hatte ich mir etwas vorgemacht.

„Und es tut mir leid, dass du erst fremdgehen musstest, damit ich begreifen konnte, dass ich schon vor Wochen hätte unsere Beziehung beenden müssen."

„Mel, das kannst du doch unmöglich ernst meinen. Du und ich gehören zusammen. Das weißt du."‌ Jaspers Worte kamen schnell und verzweifelt über seine Lippen. Und als er einen Schritt auf mich zumachte, machte ich einen zurück.

„Ich hab Abstand genommen, Jasper. Von dir, von unserer Beziehung. Und das schon vor Wochen. Sogar Penny ist es aufgefallen. Und dir auch, sonst hätte es diesen Ausrutscher nie gegeben."

„Mel ...", hauchte er und mit einem Mal war er direkt vor mir.

Meine Lippen bebten - sei es vor Trauer, Enttäuschung oder Wut - und ich spürte, wie mir langsam die Tränen in die Augen stiegen. Ich wollte nur weg hier. Weg von Jasper. Weg von diesem furchtbar beklemenden Gefühl in meiner Brust.

Ohne ein Wort der Erwiderung, drehte ich mich zum Gehen um. Jaspers Hand, die sich auf einmal um mein Handgelenk legte, verhinderte dies allerdings.

„Mel, du kannst nach dieser Ansprache jetzt nicht einfach gehen!"

„Doch, kann ich. Und ich das werde ich!", stieß ich verärgert aus, dann riss ich mich von Jasper los. Dieser sah mich total erschrocken an. Vielleicht verstand er nicht, wie ernst meine Worte gemeint gewesen waren. Ich konnte es nicht sagen.

Als ich mich wieder zum Gehen umdrehte, hielt mich Jasper nicht noch einmal auf. Zum Glück, denn ich hätte nicht gewusst, wie die Situation sonst geendet hätte. Egal, wie weh Jasper mir getan hatte, ich wollte ihn nicht verletzten. Dafür war er mir zu wichtig.

In meinem Kopf herrschte ein gewaltiges Chaos. Mein Bauch spielte ebenfalls verrückt. Und da ich in diesem Zustand unmöglich dem Gerede von Ms Holder zuhören konnte, schwänzte ich die erste Stunde. Konsequenzen hin oder her.

Zur zweiten Stunde saß ich schließlich pünktlich im Unterricht. Jasper war zum Glück in einem anderen Kurs. Dafür war es Kevin nicht. Die gesamte Stunde ruhte sein besorgter Blick auf mir. Er fragte nicht, ob alles in Ordnung war, wofür ich ihm unendlich dankbar war. Die Augenringe hatte ich zwar mit Makeup überdenken können, aber die vom Weinen geröteten Augen verrieten mich. Es ging mir alles andere gut und nur ein Blinder würde das nicht sehen.

Nach einem gefühlt endlos langem Tag, hatte ich mich endlich so weit beruhigt, dass ich mich auch Ms Kane stellen konnte. Ich hatte lange darüber nachgedacht, ob es eine gute Idee sei und war zum Entschluss gekommen, dass ich Antworten brauchte.

Als ich jedoch an ihrem Büro ankam, war die Tür verschlossen. Erst dachte ich, sie wäre bereits nach Hause gegangen, aber wie sich am Tag darauf heraustellte, würde sie die gesamte Woche fehlen. Allem Anschein nach war sie wieder krank.

Unweigerlich musste ich daran denken, dass sie am Sonntag ebenfalls Kopfschmerzen gehabt hatte. Vielleicht waren sie doch nicht so aushaltbar gewesen, wie sie mir zu verstehen gegeben hatte.

Mit jedem weiteren Tag, der verging, merkte ich wie der Ärger über Ms Kanes Verhalten, immer weniger wurde. Ich sollte eigentlich böse auf sie sein, dass sie bei mir Zuhause angerufen hatte, aber ich konnte nicht.

Grund dafür war dieses eine Gefühl, dass sich immer wieder bemerkbar machte, wenn ich an die junge Vertrauenslehrerin dachte. Sorge. Ich machte mir tatsächlich Sorgen um sie.

Es war ja nicht so, als hätte ich nicht auch so schon genügend anderes, um das ich mir den Kopf zerbrach. Penny und Kevin waren mir da zum Glück eine große Hilfe, in dem sie versuchten, mich abzulenken. Und das war gar nicht so einfach. Immerhin sah ich Jasper jeden Tag in der Schule.

Ich ignorierte ihn. Er ignorierte mich. Innerhalb eines Tages hatte sich herumgesprochen, dass es aus zwischen uns war. Niemand unserer Mitschüler, bis auf Daniel und Blair wusste den Grund dafür. Und das wiederum sorgte dafür, dass sie sich eigene zurechtlegten.

Hätte ich nicht bereits so viel Übung darin, das Gerede meiner Mitschüler auszublenden, ich wäre aus der Haut gefahren. So aber ging es geradewegs an mir vorbei. Ganz im Gegenteil zu dem Berg an Gefühlen, wenn ich Jasper zu Gesicht bekam.

Am folgenden Montag wagte ich einen zweiten Versuch und kopfte bei Ms Kane an. Zwar wollte ich sie noch immer auf die Sache mit dem Anruf ansprechen, aber insgeheim wollte ich einfach sicher gehen, dass es ihr wieder besser ging.

Aber auch an diesem Tag war sie nicht zur Schule gekommen. Und in den nächsten drei Wochen war das ebenfalls nicht der Fall. Langsam sprach sich schon das Gerücht herum, dass sie an eine andere Schule versetzt worden war. Damit musste man wohl rechnen, wenn nicht einmal die Direktorin klarstellen wollte, weshalb Ms Kane fehlte.

An einem Abend lag ich in meinem Bett und konnte mal wieder nicht vermeiden, dass meine Gedanken zu der blonden Musiklehrerin schweiften. Ich gab es nicht gerne zu, aber in den letzten Wochen hatte sie immer mehr Platz in meinen Gedanken eingenommen und damit die Trauer um Jaspers und meine Trennung verdrängt.

Penny und ich hatten kurz zuvor miteinander telefoniert und als sie auflegte, blieb mein Blick für einen kurzen Moment nachdenklich an meinem neuen Handy hängen. Und bevor ich richtig darüber nachdenken konnte, hatte ich Ms Kanes Nummer herausgesucht und ihr folgende Nachricht geschrieben.

Hallo Ms Kane. Sie waren jetzt schon länger nicht mehr in der Schule. Deshalb hoffe ich, dass es Ihnen gut geht und Sie bald wiederkommen.

Liebe Grüße, Melia


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So ... ein neues Kapitel ist online. Nicht sehr spannend, aber dennoch wichtig für den weiteren Verlauf der Geschichte. Hoffentlich gefällt es euch. :)

LG, Aura

Scherbenherz [TxS / GxG]Where stories live. Discover now