Ubiytsa

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P.o.V Erzähler

"Bucky?",
sagte Beth und schaute die Person an, von der sie nie geglaubt hatte, sie je wieder zu sehen.

"Wer zum Teufel ist Bucky?",
kam nur eine kühle und abwertige Antwort zurück.

Diese Kälte ließ Beth einen Schauer den Rücken runterlaufen. Das war nicht der Bucky, wie sie ihn kennen und lieben gelernt hatte. Sie erkannte diese stahlblauen Augen, doch ihr freudiger Glanz fehlte. Die weichen Züge in seinem Gesicht waren starr geworden. Kein langes Haar mehr, das sein Gesicht umrahmte. Sie erkannte ihren Freund, ihren Partner, doch nicht so, wie sie es sich wünschte.

Immer noch erschrocken stand sie in der Tür und ihr Gegenüber wurde langsam ungeduldig.

"Steh hier nicht so rum. In deinem Zimmer liegen Sachen für dich. Zieh dich um und dann hole ich dich zum Training ab."

Kein Lächeln, kein liebevoller Ton. Nur kalte, harte Worte. Sie würde nicht nur körperlich leiden müssen.

Doch sie zwang sich Mut auf. Sie stellte sich aufrecht auf und schaute ihn trotzig an. Dann ging er voraus zu ihrem Zimmer. Oder eher 'Zelle'.
Dort lagen tatsächlich Sachen auf ihrer Matratze. Hinter ihr wurde die Tür angelehnt. Bucky, oder wie auch immer er hier genannt wurde, wartete also draußen, bis sie sich umgezogen hatte. Zu Beth's Überraschen waren es ganz normal Sportsachen. Eine Leggings, ein etwas weiter geschnittenes Shirt und Turnschuhe. Es fühlte sich tatsächlich gut an, sich mal umzuziehen, da sie ja immer noch ihr Nachtzeug von jener Nacht anhatte, worauf sogar noch trockenes Blut klebte.

Sie band sich noch die Schuhe zu, erhob sich und atmete tief durch. Kurz zitterte sie. Natürlich hatte sie Angst. Außerdem war sie noch erschöpft und hatte gerade einen geliebten Bekannten wiedergesehen, der eigentlich tot sei sollte.

Abwesend ging sie auf die Tür zu und öffnete diese. Bucky stand mit verschränkten Armen davor.
Missbilligend schaute er auf sie herunter und lief dann voran durch die Gänge.
Wieder vorbei an grauen Türen und Wänden. Ihr Vordermann lief zielstrebig voraus. Wie lange er wohl schon hier war? Es war über ein Jahr her, daß er 'starb'. Wie hatte er überlebt? So viele Fragen und sie würde keine Antwort bekommen.

La Bête wurde aus ihren Gedanken gerissen, als Bucky plötzlich vor einer Tür stehen blieb und sie in ihn hineinlief. Genervt schaute er auf sie herunter. Unter diesem harten Blick schrumpfte Beth regelrecht zusammen. Nie hätte sie erwartet, daß sie nochmal so eine große Angst vor ihm haben würde.

"Wie heißt du eigentlich?",
fragte Beth zögerlich, da er sich ja nicht als Bucky identifizierte.

"Ubiytsa."

"Und das heißt?",
fragte sie vorsichtig, da sie den russischen Akzent hörte.

"Assassine."

Wieder nur eine knappe Antwort.
Er war nicht mehr der, der er mal war und sie wusste nicht, ob er sich auch nur ein kleines Bisschen an sie erinnerte.

Wenigstens hielt er ihr dir Tür auf. Nervös ging sie in den Raum und sah sich um. Hier war es eindeutig heller als im Gang oder ihrer Zelle. Außerdem befand sich auf dem Boden eine Art Teppich und an der Wand standen Geräte und Schränke mit wahrscheinlich noch mehr Sport- und Kampfgeräten.

Während Beth sich noch weiter umschaute, startete Ubiytsa, wie man ihn nannte, einen Überraschungsangriff. Man hätte ihn nicht gehört, doch Beth's gutes Gehör warnte sie. Alarmiert drehte sie sich um und konnte gerade noch einem Faustschlag ausweichen. Der Schlag ging also ins Leere, doch der Schläger nicht. Der setzte bereits zum nächsten Schlag an.

Diesmal reagierte Beth's innerer Kampfinstinkt; sie griff nach dem Handgelenk des metallenen Armes, drehte sich um die eigene Achse und warf ihren Angreifer über die Schulter.

Keuchend landete dieser auf dem Rücken. Erschrocken von ihrer Handlung wich Beth zurück.
Sie stand so unter Schock, daß sie bald an die Wand stieß und sich nicht mehr bewegte.

"Na, sieh mal einer an. Das funktioniert ja schon mal gut.",
murmelte Ubiytsa als er sich erhob und zu Beth ging.

Diese stand immer noch schweratmend an der Wand und schaute nun ängstlich auf. Vor ihr stand eine ihr unbekannte Person, die schadenfreudig lächelte. Sie würde wieder mit Bucky trainieren, nur würde es keinen Spaß machen.

Das Training war mehr als nur anstrengend. Da Beth sämtliches Zeitgefühl verloren hatte, konnte sie nicht sagen, wie lange sie gequält wurde. Als man sie endlich gehen ließ, fiel sie fast schon bewusstlos auf ihre Matte. Ihr Bauch schmerzte höllisch, genauso wie sämtliche andere Körperteile und Muskeln. Erschöpft wickelte sie sich also in die kratzige Filzdecke und schlief nur unruhig ein.

Als sie das nächste Mal geweckt wurde, fühlte sie sich, als hätte sie nur 3 Stunden Schlaf gehabt. Das laute Quietschen der Tür ließ sie aufschrecken, was ihrem Muskelkater gar nicht zugute kam. Im schwachen Licht erkannte sie Johnson mit einem Tablett. Er stellte es wortlos vor sich auf den Boden, schob es etwas in den Raum rein und verschwand dann wieder.

Beth musste erstmal das Geschehene verarbeiten, ehe sie sich erhob, um sich das Tablett zu holen.
Darauf lagen zwei Scheiben Brot, etwas, was wie Brei aussah und ein Glas Wasser.
Mit der Gabel stocherte Beth argwöhnisch im Brei herum und probierte diesen. Er schmeckte nach nichts und das Brot war auch nicht mehr das frischeste.

Aber sie hatte Hunger. Also verschlang sie hungrig das 'Essen' und störte sich nicht mehr an dem Geschmack.
Kurze Zeit später wurde auch schon wieder ihre Tür geöffnet.
Ubiytsa stand dort und sie wusste sofort, daß sie nun wieder gequält werden würde.

Nicht das härtestes Training der Welt könnte Beth so schwer quälen, wie der Gedanke, daß ihr Trainer sich nicht an sie erinnerte und ihr Folterer war.
Mal wieder atmete sie tief ein und aus und folgte dann ihrem 'Lehrer' in den Trainingsraum.

Das harte Training strapazierte ihren Körper und ihren Geist. HYDRA wusste von ihrer vorherigen Beziehung zu Bucky und nutzte dies schamlos aus. Man machte sich nicht die Mühe, ihr das Gedächtnis zu löschen, auch wenn das gerade ihr größter Wunsch war.

Doch langsam war es nicht mehr nötig. Sie verlor ihr Zeitgefühl komplett und langsam auch sich selbst. In manchen Zeiten vergaß sie, wer sie war und auch, wer Ubiytsa war. HYDRA verzichtete auf einen kurzen Schmerz des Vergessens. Sie wollten sie leiden sehen. Sie wollten sehen, wie sie langsam und Stück für Stück sich selber verlor.

Reviens à moi!Where stories live. Discover now