∭ Kapitel 2 ∭

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Jungkook fand die Reaktion des Fremden ziemlich ungewöhnlich, aber er wollte nicht länger darüber nachdenken. Manchmal gab es eben einfach seltsame Menschen.

Apropos...

Jungkook ließ seinen Blick durch die Runde schweifen und stellte fest, dass neben ihm und dem seltsamen Fremden schon weitere fünf junge Männer im Aufzug gestanden hatten.

Na super. Reine Männerrunde, schmollte Jungkook gedanklich. So ein Aufzug bot die optimale Gelegenheit für einen harmlosen Flirt. Zumindest, wenn sich eine hübsche junge Frau darin befand und es vielleicht auch ein bisschen enger war. Jungkook schämte sich nicht dafür, dass er dies manchmal tat. Die Schönheiten, die darauf einstiegen, wollten das ja in der Regel selbst so.

Immerhin erhielt er so die Bestätigung, dass die Frauenwelt ihm gegenüber nicht ganz abgeneigt war. Bis jetzt hatte sich eigentlich keine von ihm abgewandt oder uninteressiert gezeigt. Und da Jungkook zwar rein äußerlich gut gebaut war und mit wohl definierten Muskeln aufwarten konnte, dafür aber ein recht schwaches Selbstbewusstsein hatte, nutzte er diese kleinen Flirts, um etwas für sein Ego zu tun. Seiner Meinung nach sprach nichts dagegen, auch wenn er dafür schon den ein oder anderen Seitenhieb von seiner Schwester erhalten hatte.

Man spielt nicht mit den Gefühlen einer Frau, hätte sie ihm nun wahrscheinlich vorgeworfen. Aber da weder sie noch sonst eine Frau anwesend war, war das heute sowieso egal. Trotzdem konnte er sich ein innerliches Schmunzeln nicht verkneifen. Wie es sich für vorbildliche Geschwister gehörte, waren sie wie Tag und Nacht und trotzdem unzertrennlich. Selbst, wenn sie ihn manchmal ganz schön in die Verzweiflung trieb. So wie heute zum Beispiel.

Partner fürs Leben.

Er hatte immer noch nicht die leiseste Ahnung, was er denn nun besorgen sollte, und für einen winzig kurzen Moment überlegte er, die anderen Anwesenden zu fragen, was sie an seiner Stelle machen würden.

Aber das verwarf er schnell wieder, als er sich umsah.

Rechts neben ihm, also direkt in der Ecke an der Aufzugstür, stand der hübsche, aber seltsame junge Mann, mit dem er draußen gewartet hatte. Ihm gegenüber in der anderen Ecke stand einer von zwei Anzugträgern. Er hatte in der Hand eine Aktentasche, die ihn ziemlich wichtig aussehen ließ, während er etwas unruhig auf die Armbanduhr an der anderen Hand schaute.

Neben ihm stand der andere Anzugträger. Im Gegensatz zu dem Bordeauxroten Anzug des ersten war seiner in einem schlichten Schwarz gehalten. Er war gerade dabei, angestrengt etwas auf seinem Handy zu tippen, ehe er es ziemlich genervt wieder wegsteckte. Entweder hatte er etwas wichtiges zu erledigen und genau so viel Zeitdruck wie Jungkook, und sein Handy hier drin dummerweise keinen Empfang, oder aber seine Freundin hatte grade am Mobiltelefon mit ihm Schluss gemacht, und er konnte hier drin nicht so reagieren, wie er gerne wollte.

Jungkook ließ seinen Blick weiter schweifen. Mit einer großzügigen Lücke neben den beiden wohl ein bisschen älteren Anzugträgern stand ein blauhaariger Typ, schätzungsweise wieder in seinem eigenen Alter. Er hatte sich in die hinterste Ecke des Fahrstuhls gedrückt und schien sich nicht unbedingt wohl zu fühlen mit all den Menschen um sich herum.

Jungkook hatte Mal gehört, dass man den Charakter eines Menschen bereits daran erkennen könne, wie er sich in einem geschlossenen Raum platzierte. Wenn es danach ging, war dieser Junge entweder ziemlich schüchtern oder einfach kein Menschenfreund.

Jungkook betrachtete ihn etwas genauer. Seine Haare hatten eine wirklich außergewöhnliche Farbe, kein sattes Blau, sondern eher ein gräuliches Blau. Das stand ihm wirklich gut und sprach eigentlich für ein gutes Selbstbewusstsein. Sowieso schien er ziemlich viel Wert auf sein Äußeres zu legen. Aber trotz des auffälligen Aussehens schaute er permanent auf den Boden. Wenn er mal für einen winzigen Moment den Kopf hob und einen der anderen ansah, dann nur ganz kurz. Sobald einer den Blick erwiderte, wendete er seine Augen sofort wieder ab.

Definitiv Schüchtern, bestätigte Jungkook seine Vermutung in Gedanken.

Jungkooks Aufmerksamkeit wurde nun auf den Typ, der in der Mitte stand, gelenkt. Der schlanke Mann in den jugendlich nachlässigen Klamotten schien der einzige zu sein, der Gefallen am Aufzugfahren hatte, denn sein Gesicht war mit einem breiten Lächeln geschmückt, während er eine Hand lässig in der Tasche seiner schwarzen, zerschlissenen Cargo-Hose stecken hatte. Jungkook war sich sicher, dass er einer dieser immer fröhlichen, energiegeladenen Personen war, die nichts und niemand erschüttern konnte. Da er in der Mitte stand und keinerlei Probleme damit zu haben schien, von den anderen umgeben zu sein, schloss Jungkook darauf, dass er ein geselliger Mensch war und schnell Freundschaften knüpfte.

Und dann gab es da noch einen letzten jungen Mann links neben ihm, in der letzten verbliebenen Ecke des Fahrstuhls. Er war ganz in Schwarz gekleidet, hatte platinblond gefärbte Haare, die Arme vor der Brust verschränkt und mit einem äußerst genervten Gesichtsausdruck die Augen geschlossen. Auf diesen ersten Blick wirkte er nicht besonders freundlich. Er war wahrscheinlich der typische Einzelgänger und Menschenfeind und total angenervt von dieser Masse an Kerlen um ihn drumrum. Aber auch da konnte Jungkook nur wieder spekulieren. Immerhin hatte er weder ihn noch die anderen jemals zuvor gesehen.

Und das sollte auch so bleiben.

Nach diesem ersten Rundblick traute er so auf Anhieb niemandem der Anwesenden zu, dass der ihm bei seinem Geschenkproblem helfen konnte oder wollte. Er musste sich also notgedrungen wirklich selbst etwas überlegen.

Er war gerade dabei, einige erste Ideen auf seiner imaginären Liste im Kopf zu sammeln, als der Aufzug von einem plötzlichen Ruckeln erschüttert wurde und fast noch im selben Moment einfach stehen blieb.

Der Aufzug ist aber jetzt grade nicht wirklich steckengeblieben, oder? dachte Jungkook genervt, während er sich frustriert mit der Hand über die Augen rieb bei diesem Gedanken. Wenn er eins jetzt nicht brauchte, dann war das noch eine weitere Verzögerung.

„Scheiße! Der Aufzug ist jetzt nicht wirklich stecken geblieben!?", warf der Junge mit den blaugrauen Haaren die Frage in den beengten Raum, als habe er Jungkooks Gedanken lesen können. Aber anscheinend hatten sie sich das grade alle gefragt.

Es war der Mann im bordeauxfarbenen Anzug, der als erster eine Antwort darauf fand.

„Sieht ganz so aus." Daraufhin zuckte er mit den Schultern und verstummte wieder.

𝗲𝗹𝗲𝘃𝗮𝘁𝗼𝗿ᵗᵃᵉᵏᵒᵒᵏ|ʸᵒᵒᶰᵐᶤᶰWhere stories live. Discover now