∭ Kapiel 6 ∭

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„Okay. Wer ist der nächste?", fragte der Mann in Bordeaux und blickte in die Runde. Der andere Anzugträger zuckte daraufhin mit den Schultern. Da sich sonst keiner dazu bereit erklärte, beschloss der, nun selbst weiter zu machen, bevor die Streithähne wieder anfangen würden, aufeinander los zu gehen.

„Also gut, dann mache ich mal weiter. Mein Name ist Kim Namjoon. Ich bin hier, weil ich eigentlich auf dem Weg zu einem Vorstellungsgespräch war, das vor fünf Minuten in diesem Gebäude beginnen sollte. Naja. Ich denke mal, dass sich das jetzt erledigt hat. Und der Job damit auch."
Bei dem anderen bildete sich ein feines Lächeln auf den Lippen. "Wie witzig!" unterbrach er Namjoon. "Ich hätte nämlich vor fünf Minuten ein Einstellungsgespräch gehabt. In diesem Gebäude."

„Du ... also ich meine ... Sie sind aber nicht zufällig Herr Kim Seokjin?", fragte Namjoon entsetzt und sah schon seine Felle davon schwimmen. An so viele Zufälle konnte er nicht wirklich glauben. Und er konnte überhaupt nicht einschätzen, was für einen Eindruck von sich er dem anderen bisher vermittelt hatte.

„Doch, in der Tat, das bin ich. Sag bloß, dass du mein Bewerber bist?"

Namjoon wusste das natürlich nicht und zuckte, immer noch mit schockierten Gesicht, nochmal mit den Schultern. Doch Seokjin ließ das nun keine Ruhe. Er hatte es noch nie mit Namen gehabt, nicht wenn er sie sich nicht unbedingt merken musste. Die meisten Namen seiner Bewerber vergaß er direkt wieder, zumal die Wenigsten sich wirklich so geschickt anstellten, dass über eine Anstellung nachzudenken bereit war. Kurzum stellte er seine Aktentasche auf den Boden, und fing an, in den einzelnen Fächern nach einem Papier zu kramen. Er öffnete eine dünne Mappe und studierte den Inhalt.

„Da!", stieß er aus und hielt mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck das Blatt in die Höhe. „Tatsächlich. Hier steht es, Kim Namjoon. Ja, sowas! Freut mich, dich kennen zu lernen." Er steckte die Mappe mit dem Papier wieder weg und hielt Namjoon die Hand hin.

„So klein ist die Welt", grinste Namjoon nun unbeholfen und schlug in Jins Hand ein. Es war doch wirklich ein witziger Zufall, dass sie sich gerade hier begegneten. Und das unter diesen seltsamen Umständen.

„Krass! Dann könnt ihr ja direkt die Zeit nutzen, um das Bewerbungsgespräch gleich hier zu machen", lachte die Frohnatur, während er Namjoon brüderlich auf die Schulter klopfte. Er war der einzige, dessen Namen sie immer noch nicht wussten. Aber das würde sich ja sicher bald ändern.

Seokjin räusperte sich wichtig und machte eine ernste Miene zu diesem Vorschlag. „Bewerbungsgespräche unterliegen üblicherweise bestimmten gesetzlichen Richtlinien. Und die besagen, dass jeder Bewerber die Chance haben muss auf ein persönliches Gespräch, und das findet nun mal in der Regel unter vier Augen statt. Es tut mir sehr leid, wenn ich dich enttäuschen muss, aber dieses Gespräch findet ganz sicher nicht in einem stecken gebliebenen Aufzug mit einer Horde pubertierender Testosterongestörter Jungs statt."

Gut gekontert, dachte Jungkook, der sich das Lachen nun nicht mehr verkneifen konnte.

„Schade eigentlich", lachte nun auch Namjoon. Er hätte jetzt sicherlich eh keine Chance mehr gehabt. Denn diese ganze bescheuerte Situation hatte ihn in den wenigen Minuten schon so einige Male aus der Haut fahren lassen. Im besten Licht hatte er sich jedenfalls bis jetzt nicht präsentiert. Aber wer hätte auch ahnen können, dass einer der Anwesenden sein Chef in Spe sein könnte.

Er jedenfalls nicht.

„Wir finden sicherlich einen neuen Termin", versuchte Seokjin nun, Namjoon aufzumuntern, und schenkte ihm ein freundliches Lachen. Er war wirklich freundlich, es war ja fast schon gruselig, dass er bei alledem trotzdem noch so cool blieb. Aber das gehörte sicherlich dazu, wenn man als Chef arbeitete und für eine Menge Angestellter zuständig war.

Mit einem Schmunzeln klopfte Jungkook sich in Gedanken selbst auf die Schulter für seine treffsichere Einschätzung. Ach ja, so schlecht war er gar nicht, was das Analysieren von Menschen in steckengebliebenen Aufzügen anging. Er wusste gar nicht, dass er so viel Menschenkenntnis besaß.

„Darf ich Sie ... also dich ... trotzdem etwas fragen?", zögerlich erklang Namjoons Stimme noch einmal. Er war sich nicht sicher. Immerhin war dies, wenn er denn so viel Glück hatte und Seokjin einem weiteren Bewerbungsgespräch nicht abgeneigt war, sein vielleicht baldiger Vorgesetzter. Und den zu duzen, fühlte sich nun doch ziemlich seltsam an. Unangenehm.

Seokjin schien das nicht verborgen geblieben zu sein, denn im nächsten Moment streckte er wieder seine Hand nach ihm aus und meinte lässig, dass es völlig okay sei, wenn Namjoon ihn weiterhin duzen würde.
„Also, was willst du mich fragen?"

„Ich habe gelesen, dass du dich aus persönlichen Gründen vom Geschäft zurückziehen willst. Heißt das, dass du den Job in nächster Zukunft ganz aufgeben wirst? Bist du auf der Suche nach ... einem Nachfolger? Oder einer Art ... Entlastung?"

„Nein. Nicht direkt. Ich habe ziemlich viel Schweiß, Geld und Herzblut in diese Restaurantkette gesteckt. Und Überstunden. Ohh, was habe ich viel Zeit darin investiert, bis es endlich so gut lief, wie es jetzt eben läuft. Und ich bin auch wirklich dankbar dafür, dass ich ein solches Glück habe und alles so gut läuft. Trotzdem habe ich einfach das Gefühl, dass es noch nicht alles ist. Ich möchte einfach etwas Verantwortung abgeben, damit ich..." Seokjin machte eine Pause, in der er ziemlich angestrengt überlegte, ehe er seinen Satz vervollständigte. „...etwas finden kann, was mich wirklich glücklich macht. Ja, das ist es."

Namjoon nickte verständnisvoll. Er konnte das ganz gut nachvollziehen, denn auch er hatte sich bereits mit diesem Thema auseinandergesetzt. Das Leben musste einfach noch mehr zu bieten haben als einen guten Job, Geld und ein Eigenheim.
Das war letztendlich auch der Grund, weswegen er aus seinem jetzigen Beruf aussteigen und noch einmal etwas völlig Neues ausprobieren wollte. Der Grund, dass er sich bei Kim Seokjin beworben hatte. Auch er wollte sich verändern. Namjoon entspannte sich etwas.

Jungkook wurde nachdenklich, als er den beiden so zuhörte. Ursprünglich hatte er nur Taehyung beruhigen und ablenken wollen, indem er auf Jimins Vorschlag eingegangen war und die anderen zu dieser Vorstellungsrunde aufgefordert hatte. Jetzt war er froh, dass er das gemacht hatte, denn neben der Tatsache, dass Taehyung sich wieder vollständig gefangen hatte, hatten sie sich alle etwas besser kennen gelernt. Und dabei doch ziemlich interessante Dinge voneinander erfahren.

Mit einem zufriedenen Lächeln erhob sich Jungkook wieder vom Boden und streckte auch Taehyung auffordernd die Hand hin. Jetzt wo der sich beruhigt hatte, gab es doch keinen Grund mehr, weiter auf dem Boden zu sitzen. Glücklicherweise nahm der Schwarzhaarige die Hand dankend an und richtete sich ebenfalls auf, während Jungkook ihn dabei nicht aus den Augen ließ. Jungkook fragte ihn fürsorglich noch zweimal, ob es wieder ging. Taehyung nickte, während ein sanftes Lächeln seine Lippen umspielte.

Eines, dass Jungkook zugegeben etwas aus dem Takt brachte.

„Ich ... finde es toll, dass du nicht nur auf Geld aus bist, Seokjin", meldete sich Taehyung daraufhin das erste Mal ohne Panik in seiner Stimme zu Wort.

Und wow. Jungkook musste sich leider eingestehen, dass Taehyung ihn immer mehr faszinierte. Neben seinem charismatischen Lächeln fand er, dass auch seine Stimme unglaublich gut klang. Sie war ähnlich wie sein Gesicht. Maskulin und trotzdem weich und samtig.

Die Stimme war unerwartet tief, und trotzdem hatte sie etwas Unschuldiges an sich.

Das nimmt langsam seltsame Ausmaße an, Jungkook! ermahnte er sich ein weiteres Mal, doch über die Faszination, die Taehyung auf ihn ausübte, kam er so schnell nicht hinweg. Er konnte sich dem nicht entziehen. Wie schon vorhin beim Warten auf den Aufzug ertappte er sich selbst dabei, dass er Taehyung einfach einen Moment lang anstarrte. Erst als ihm diese Tatsache auffiel, konnte er den Blick von ihm lösen und sich den anderen wieder zuwenden.

Und dann fiel Jungkook noch etwas auf.

Langsam veränderte sich die Stimmung. Je mehr sie über die anderen Eingesperrten erfuhren, desto harmonischer wurde ihr Miteinander. Sogar Yoongi hatte sich diesmal zurück gehalten, dabei hätte er, wenn er gewollt hätte, auch bei Taehyung einen blöden Spruch bringen können. Sogar er schien diese friedliche Stimmung jetzt angenehmer zu finden.

Vielleicht gab es ja doch noch eine Chance, dass die nächsten Minuten des Wartens nicht so katastrophal weitergingen, wie sie angefangen hatten.

𝗲𝗹𝗲𝘃𝗮𝘁𝗼𝗿ᵗᵃᵉᵏᵒᵒᵏ|ʸᵒᵒᶰᵐᶤᶰWhere stories live. Discover now