∭ Kapitel 12 ∭

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"Erstmal möchte ich aber noch ein bisschen was darüber erfahren, wie du auf die Idee mit dem Tanzstudio gekommen bist. Was ist dein Motor? Welche Geschichte steckt dahinter?", fragte Seokjin, nachdem er sich bereits einige Gedanken zu Jungkooks Vorschlag gemacht hatte. Hoseok sah ihn verständnisvoll lächelnd an. Kurz biss er sich auf die Unterlippe, ehe er dem Ältesten der Runde einen fragenden Blick zuwarf. "Ich hole was weiter aus, ja?"

"Na klar", grinste der Älteste daraufhin. "Ich denke mal, Zeit ist grade unser geringstes Problem."

Kollektives Seufzen erklang in der Kabine, bevor die ganze Runde in Gelächter ausbrach. Denn ja, wenn Ihnen eines grade ausreichend zur Verfügung stand, dann war es endlos vertrödelte Zeit.

Hoseok setzte sich aufrechter hin und machte dabei den Rücken so gerade, wie es ging, jedoch verharrte er weiterhin im Schneidersitz. Man sah, wie er innerlich Anlauf nahm, seine ganze Geschichte zu verraten.

Und dann begann er davon zu erzählen, wie sein Leben ihn an diesen Punkt geführt hatte. Er hatte glänzende Augen, als er ausmalte, wie er mit seinem älteren Bruder eine recht unbeschwerte Kindheit hatte. Das einzige, was die vierköpfige Familie belastete, waren Geldsorgen und das Viertel, in dem sie wohnten. Es war nicht unbedingt das, wo man Kinder drin aufwachsen sehen wollte und doch war Hoseok immer zufrieden gewesen. Er hatte in den angrenzenden Seitenstraßen viele Freunde gefunden, manche älter, manche jünger als er. Auch in einem alten Mietshaus und auf einem schmutzigen Bürgersteig kann man mit ein bisschen Phantasie tolle Spiele erfinden. Und manchmal hatte er sogar Glück, dass sein vier Jahre älterer Bruder ihn mitnahm. Zu den coolen, großen Kids der Straße, wo die "Kleinen" alleine nie hin durften.

"Aber irgendwann änderte sich das alles", kam es irgendwann nur noch geflüstert über Hoseoks Lippen. Er schien plötzlich sehr nachdenklich und in sich gekehrt bei seinen Erinnerungen. Er brauchte einige Sekunden, um sich wieder zu sammeln und sich die nächsten Worte zurecht zu legen, die ihm sichtlich schwer über die Lippen kamen.

"Je älter mein Bruder wurde, desto tiefer schien die Kluft zwischen uns zu werden. Ich kannte ihn nicht mehr richtig, verlor ihn sozusagen vor meinen Augen aus den Augen. Er nahm mich nicht mehr mit, er redete kaum noch mit mir und irgendwann beschränkten sich unsere Worte auf das Nennen der Tageszeit. Ich wusste zu dem Zeitpunkt nicht mehr, was ihn bewegte, womit er sich die zeit vertrieb ... Und am wenigsten habe ich geahnt, dass er da bereits die ein oder anderen Drogen konsumiert hatte."

Während Hoseok nun stockend mit seiner Erzählung fortfuhr, lagen die betroffenen Blicke der anderen auf der sonst üblichen Frohnatur. Damit hatten sie nicht gerechnet. Nie hätten sie hinter der fröhlichen Fassade so viel Einsamkeit und Haltlosigkeit erwartet.

"Was ist dann passiert?", traute sich Jungkook schließlich zu fragen, nachdem einige Zeit nichts mehr von Hoseok gekommen war. Er wollte wissen, wie es ihm ergangen war, wollte aber auch nicht zu aufdringlich sein.

Als Antwort darauf holte Hoseok tief Luft, schloss einen Moment lang die Augen und richtete dann den traurigen Blick gegen die mickrige Notstrombeleuchtung des Aufzuges, als schaute er ins Nichts.

"Meine Eltern haben das irgendwann raus gekriegt und ihm verboten, sich weiter mit seinen Kumpels zu treffen. Und auch ich habe versucht, ihn davon zu überzeugen, den Mist sein zu lassen. Ich liebte ihn noch immer und hatte einfach Angst um ihn. Aber er war bereits viel zu tief drin in der ganzen Scheiße und ist kurz darauf einfach abgehauen. Wir haben fast ein halbes Jahr nichts von ihm gehört, so sehr wir auch gesucht haben. Bis ... wir einen Anruf bekamen. Von einem Arzt. ... Dass er mit einer Überdosis im Krankenhaus läge."

"Hat er es geschafft?", fragte Jimin leise und wirkte dabei selbst völlig mitgenommen. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie grausam es sein musste, so etwas miterlebt zu haben. Und als er von Hoseok nach einer schrecklich langen Stille nur ein zaghaftes Kopfschütteln als Antwort bekam, konnte er nicht mehr anders, als die einstige Frohnatur tröstend in seine Arme zu ziehen.

𝗲𝗹𝗲𝘃𝗮𝘁𝗼𝗿ᵗᵃᵉᵏᵒᵒᵏ|ʸᵒᵒᶰᵐᶤᶰWhere stories live. Discover now