∭ Kapitel 3 ∭

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Der bordeauxrote Mann war es auch, der am nächsten am Bedienelement neben der Tür stand und daher sofort anfing, den Notrufknopf zu suchen. Ein leises „Ah!" erklang, als er den Knopf gefunden hatte. Schnell war der Notruf betätigt.

Gebannt sahen alle in Richtung des Lautsprechers und warteten ungeduldig darauf, dass endlich von dort eine Stimme ertönte. Es dauerte auch nur wenige Sekunden, bis sich eine blecherne Stimme meldete und fragte, was passiert sei. Der junge Mann im Anzug blickte sich kurz um, ehe er sich wieder zu dem Lautsprecher wendete.

„Guten Tag. Ähm... wir brauchen Hilfe. Wir sind im Aufzug des Einkaufzentrums BigHit, und dieser ist gerade stecken geblieben." Kurz sah er hoch zu der Anzeigenleiste über der Tür. "Wir befinden uns irgendwo zwischen dem dritten und vierten Stockwerk. Ach, und hier sind sieben Personen anwesend. Könnten Sie bitte jemanden hierher schicken, der uns aus dem Fahrstuhl rausholt?"

Die blecherne Stimme fragte noch nach, um welche Aufzugnummer es sich handele. Unser Sprecher fand die Nummer am unteren Ende des Bedienfeldes und diktierte sie in das eingebaute Mikrofon., erklärte sie, dass Hilfe angefordert sei und sie sich noch einen Moment gedulden mögen. Daraufhin erklärte die Stimme, dass eine Wartungsfirma benachrichtigt worden sei und sie sicher bald erlöst würden. Bitte vielmals um Vergebung, blablabla ... Dann klickte es in dem Laufsprecher, und in der Kabine war es wieder ganz still. 

Also blieb Jungkook nicht viel übrig, als sich ein zweites Mal umzusehen und seinen ersten Eindruck von den anderen zu überdenken oder auszubauen. So konnte er wenigstens die lästige Wartezeit totschklagen.

Soviel dann dazu, dass er mit dem sonderbaren Fremden keine dreißig Sekunden in einem Raum sein würde. Wirklich. Dieser Tag war durch und durch sonderbar und hielt anscheinend noch so einige Überraschungen bereit.

„Gut, also in zwanzig bis dreißig Minuten sollte Hilfe da sein", überschlug der Anzugtyp die Mitteilung der blechernen Stimme, wendete sich höflich an alle und schenkte jedem ein aufmunterndes Lächeln. Der Mann in Bordeauxrot sah wirklich freundlich aus, seine Stimme hatte etwas Weiches, und für einen Mann war er wirklich unglaublich gutaussehend. Der Anzug saß trotz seiner ziemlich breiten Schultern wie angegossen und wirkte auch nicht gerade billig. Wahrscheinlich ein Maßanzug bei der Statur? Jungkook ging sofort davon aus, dass der Mann einen recht guten Job haben musste, vielleicht sogar in einer höheren Position. Seine gewählte Ausdrucksweise würde ebenfalls dafür sprechen.

Die erneut einsetzende Stille wurde sofort von einer hellen Stimme mit einem Schreckensruf wieder beendet. "So lange!?", stieß der grau-blauhaarige schüchterne Typ in der Ecke entsetzt aus. Erst jetzt hob er das erste Mal für längere Zeit den Kopf und blickte in die Runde.

Jungkook konnte nun erkennen, dass seine Haare aufwendig gestylt waren, zumindest soweit er dies mit seinem mangelnden Verständnis für Haarstyling beurteilen konnte. Außerdem er hatte allerlei Schmuck an und leichtes Make-up aufgetragen.

Moment...  Make-up? Als Junge?  Jungkook stutzte.

Es war dezent - aber ja, Jungkook war sich sicher, dass er wirklich geschminkt war. Selbst seine vollen Lippen waren mit einem dezent rosanen Lipbalsam geschmeidig gemacht und ließen sie frischer aussehen.

Reine, seltsame Männerrunde, korrigierte Jungkook sich gedanklich selbst, ehe er eine weitere Stimme vernahm.

„Ach, die gehen schnell rum!", mischte sich der freudig strahlende, junge Kerl in der Mitte ein.  Sogar seine Kleidung hatte etwas fröhlich-lässiges an sich, denn zu der Cargo-Hose trug er einen geringelten Hoodie mit Kapuze und darüber noch eine ausgebleichte Jeansjacke in blau und rosa. Er wirkte trotz der Umstände, in denen sie sich gerade befanden, selbst noch immer sorglos, fröhlich und energiegeladen. Beinahe so, als wäre dies nur eine wohlverdiente Mittagspause.

Allerdings nicht mehr lange, denn der grimmig drein schauende Mann in der linken Ecke zog alle Aufmerksamkeit auf sich, weil er plötzlich losgrummelte. „Mit solchen Spinnern wie dir wird die Zeit sich ziehen wie zu lang gekautes Kaugummi."

Jungkook konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, auch wenn er es nicht richtig fand, wie der genervte Schwarze den fröhlichen Bunten anpöbelte. Er mochte schlagfertige Menschen - wahrscheinlich, weil er immer zu ihnen aufgeblickt hatte. Allerdings ebbte die leise Bewunderung schnell ab, als er dessen Blick sah. Etwas an seinem Ausdruck sagte Jungkook, dass man sich besser nicht mit ihm anlegte, denn das schien sein voller Ernst zu sein.

Und sein Blick strahlte wirklich eine Menge Verachtung aus. Das hatte nichts mehr mit Schlagfertigkeit oder Selbstbewusstsein zu tun. Das war einfach total unhöflich und unnötig.

Das fröhliche Lachen des Unbekannten in der Mitte erstarb darum augenblicklich, und er drehte sich zu dem blonden Meckerer um.

"Was ist dir eigentlich für 'ne Laus über die Leber gelaufen?", fragte er spitz und erntete dafür nur ein abfälliges Lachen. "Dein dummes Gelaber reicht schon, um mir den Tag zu versauen."

Die zwei Streithähne fixierten sich mit ihren Blicken und wollten sich gerade weiter in ihre Auseinandersetzung reinsteigern, als sie von einer kräftigen Stimme unterbrochen wurden.

"Haltet den Mund jetzt, ihr Zwei! Das macht die Situation auch nicht besser", kam es von dem Mann im schwarzen Anzug.

Okay, der Kerl hatte irgendwas an sich, dass Jungkook faszinierte. Er wirkte wie der geborene Anführer, streng aber gerecht. Seine Körperhaltung war selbstsicher, jedoch nicht arrogant. Jungkook hatte sich neben seiner älteren Schwester immer einen großen Bruder gewünscht und dieser Mann verkörperte seltsamerweise alles, was er an einem großen Bruder hätte haben wollen. Zumindest auf den ersten Blick.

Er war gerade dabei, sich auszumalen, wie es mit einem großen Bruder wie diesem an seiner Seite wäre und wie dieser mit ihm zusammen verzweifelt nach einem passenden Geschenk suchte, als der Mann die Stimme ein weiteres erhob.

"Außerdem sollten wir lieber zusehen, dass wir ihm helfen. Das ist grade viel wichtiger." Jungkooks Wunsch-Bruder zeigte auf den jungen Mann an Jungskooks rechter Seite, der mit ihm zusammen eingestiegen war. Vor lauter Leute beobachten und analysieren hatte er nicht mal mitbekommen, dass dieser sich gerade unsicher auf den Boden sinken ließ. Seine Beine zog er ganz nah an den Körper ran. Und mit seinen fahrigen Händen raufte er sich die schwarzen, leicht welligen Haare. Erschreckt musste Jungkook feststellen, dass der schöne, stille Typ gar nicht gut aussah.

Nicht, weil er nicht hübsch war - was dachte er denn da? - sondern weil er kreidebleich war, am ganzen Körper zitterte und sein Gesicht von Angstschweiß bedeckt war.

Jungkook tat es leid, den nervösen Jungen so zu sehen, und darum ging er direkt neben ihm in die Hocke. Er schaute ihn mitleidig an, doch der Fremde schien nicht viel davon mitzubekommen. Zu sehr war der in seinen hektisch geflüsterten Monolog vertieft. Und erst da erkannte Jungkook, dass die Atmung des Jungen viel zu unregelmäßig und schnell war. Für ihn sah das alles verdächtig nach einer Panikattacke aus.

„Hey, was ist mit dir? Geht's dir nicht gut?", fragte Jungkook vorsichtig nach und erntete im nächsten Moment einen verwirrten Gesichtsausdruck von dem Jungen, den zweiten an diesem Tag.

Sofort wurde Jungkook von seinem schlechten Gewissen heimgesucht. Er hatte ihn dazu gedrängt, mit in den Aufzug zu steigen, also trug er mehr oder weniger Mitschuld daran, dass es dem Fremden nun so ging.

Hätte er ihn besser mal nicht gedrängt, mit einzusteigen!

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Okay, ich gebe zu, es ist echt nicht leicht, die Personen ohne Namen zu beschreiben XD
Aber ich hoffe, es liest sich trotzdem nicht allzu holprig.

Wisst ihr schon wer wer ist? ^^'

𝗲𝗹𝗲𝘃𝗮𝘁𝗼𝗿ᵗᵃᵉᵏᵒᵒᵏ|ʸᵒᵒᶰᵐᶤᶰWhere stories live. Discover now