Kapitel 20

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"Keine Ahnung bestimmt oben" antwortet Kaan ihm.

Ich werde panisch und merke wie eine Gestalt sich ins Wohnzimmer gesellt. Ich blicke direkt in die Augen von Kaan, die mich auch sofort ansehen. Seine Augen werden groß und er scheint sichtlich schockiert zu sein, mich hier zu begegnen.

Schnell tue ich meinen Zeigefinger auf meinem Mund, als Zeichen das er nichts sagen soll und mache eine Handbewegung nach draußen, damit mein Bruder mich nicht auch erblickt. Er scheint sofort zu verstehen, was ich meine und nickt zögernd.

"Ey Kerem ich hab was im Auto vergessen, holst du es mir?" ruft er ihm zu und entfernt sich langsam vom Wohnzimmer.

"Warum holst du es dir nicht selber?" erwidert Kerem.

"Hol du doch, du bist näher dran" diskutiert er mit ihm und ich verkneife mir ein leises Kichern.

Wie ich diese Diskussionen unter Freunden oder Geschwistern zu gut kenne.. Ich vermisse so sehr die alten Zeiten und verfluche wieder Cem und Emir dafür, dass sie mir mein altes Leben aus den Händen gerissen haben.

"Was ein Konter echt, aber da ich nett bin hol ich es. Was hast du vergessen?" gibt Kerem nach.

"Meine Portmonee" sagt Kaan schnell und ich höre nur noch wie die Haustür geöffnet und wieder geschlossen wird.

Erleichtert atme ich aus und höre Schritte, die sich wieder dem Wohnzimmer nähern. Kaan steht jetzt dicht vor mir und blickt mich einfach nur stumm an. Ich werde nervös und frage mich was er wohl denkt. Wird er mich abstoßen? Vielleicht will er mich gar nicht hier haben und verpetzt mich Kerem?. Oder auch er beleidigt mich und lässt seinen Hass raus.

Ehe ich mir noch mehr Gedanken darüber machen kann, spüre ich schon wie zwei starke Arme meinen zierlichen Körper umschließen. Ich reiße leicht geschockt die Augen auf und bin erstarrt. Ich hätte mit allem gerechnet, aber nicht mit so einer Reaktion. Nicht mal Elif hat mich umarmt..
Langsam schließe ich auch meine Arme um seinen Körper und fühle mich geborgen. Ich habe mich lange nach einer Umarmung gesehnt, die ich endlich bekomme. Ich schließe für einen kurzen Moment die Augen und genieße den Moment.

Ich bin froh, dass Kaan immer noch einen Wert auf mich legt, da er und ich wie Geschwister aufgewachsen sind. Er ist so etwas wie ein zweiter Bruder für mich, der mich auch vor jeden beschützt.

"Ich bin so froh, dass es dir gut geht" haucht er und drückt mich noch fester an sich. "Ich glaube nicht daran, was du Kerem erzählt hast. Ich weiß, dass da was anderes hinter steckt."

Seine Wörter berühren mich und schockieren mich zu gleich auch. Woher wusste er das?. Während Kerem mein leiblicher Bruder mir direkt meine Lüge geglaubt hat, tut Kaan das Gegenteil. Ich schlucke hart und sage nichts dazu, da mir die Worte fehlen.

Langsam löst er sich von mir und blickt mir intensiv in die Augen. "Wenn du irgendwann die Wahrheit erzählen willst, bin ich da. Du kannst mir jeder Zeit vertrauen, das weißt du oder?." Fragend sieht er mich an und mein Herz erwärmt sich.

Er ist so ein liebevoller Mensch.

"Ja ich weiß" hauche ich und lächele dankbar.

In dem Moment kommt auch schon Elif die Treppen herunter gestürmt und blickt uns schockiert an. "Oh nein Kaan bitte petz es nicht Kerem" redet sie sofort drauf los und sieht ihn bettelnd an.

"Hatte ich nicht vor, keine Sorge. Jetzt geht hoch" scheucht er uns weg und drückt mich Richtung Treppe.

"Du bist der beste Bruder aller Zeiten" schleimt Elif und küsst ihn auf die Wange.

"Ich weiß" schmunzelt er arrogant.

Elif verdreht daraufhin nur die Augen und packt mich dann an die Hand, um mich hoch in ihr Zimmer zu zerren. Ich blicke mich um und auch hier hat sich nichts geändert. Wir setzen uns auf ihr Boxspringbett, vorher hat aber Elif zu Sicherheit die Tür abgeschlossen, damit kein Kerem hier herein spaziert.

"Na los ich will alles wissen. Aber bitte die Wahrheit" unterbricht dann Elif die Stille und blickt mich abwartend an.

Ich nehme tief Luft und spiele nervös mit meinem Finger. Was wenn sie mir nicht glaubt?. Weil das alles was ich zu erzählen habe, klingt doch verrückt und unglaubwürdig. Als wären wir in irgendeinem Film oder Serie...
Ich seufze leise und sammele dann meinen ganzen Mut zusammen und erzähle ihr dann alles von Anfang an mit Cem und den zwei Mädchen. Das Hayat erschossen wurde vor meinen Augen, dann dass mich ein Mann für eine Millionen gekauft hat und bei sich zu Hause eingesperrt hat...
Ich lasse nur den Part raus, das mein Entführer Emir ist, denn ich weiß ganz genau das Elif Emir kennt, da sie auch in der Firma von Kerem arbeitet.

Das ist alles so ein Teufelskreis. Wem werde ich das je anvertrauen können?.

Beim erzählen klappt Elifs Mund immer weiter auf und ihre Augen sind weit aufgerissen. Manche Dinge hat sie mit "was?", "Oha", "Ich glaub's nicht" kommentiert.

"Warte und er hat dich einfach so gehen lassen, nach dem seine Mutter erzählt hat, dass du sie geschlagen hast?". Sie blickt mich unglaubwürdig an und ich zucke mit den Schultern.

"Ja hat er" murmele ich und spiele mit meinen Fingern, dabei blicke ich auf den Boden.

"Du scheinst aber grad nicht sehr glücklich zu sein" bemerkt Elif und legt langsam eine Hand auf mein Oberschenkel. "Bedeutet er dir vielleicht was?."

Sofort reiße ich meine Augen auf und schüttele den Kopf. Emir und mir was bedeuten? Wer's glaubt.

Aber wieso fühlt sich trotzdem mein Herz so schwer an, an dem Gedanken, das er mir nicht geglaubt hat?.

"Er bedeutet mir rein gar nichts, er ist ein Mörder Elif!". Ich schaue sie an und sie nickt langsam verständnisvoll.

"Schon aber deinem Herz kannst du so etwas nicht sagen. Es macht was es will."

Ich seufze laut frustriert auf und weiß, dass sie recht hat aber trotzdem habe ich keine Gefühle für ihn. Mein Körper ist nur sehr von seinem angezogen, mehr nicht.

"Es ist nicht so wie du denkst" murmele ich. "Ich mag es nur nicht, wenn man mir Unrecht tut, das weißt du auch. Ich denke einfach, dass ich etwas enttäuscht bin, mehr nicht."

"Das hoffe ich". Nachdenklich sieht sie mich an. "Die Hauptsache ist aber, dass du frei bist. Nur warum haust du von deinem Bruder ab? Du könntest ihn doch jetzt die ganze Wahrheit erzählen."

"Ich wünschte es wäre so einfach" erwidere ich frustriert. "Cem würde was meinem Bruder antun, ich kann es nicht riskieren. Ich werde ihm irgendwann gegenüber treten, aber noch fühle ich mich nicht bereit. Ich brauche etwas Zeit und hoffe, dass er mir verzeiht"

Traurig sieht sie mich an und streicht mir behutsam über meine Schulter, um mich dann in die Arme zu schließen. "Es tut mir leid, dass ich grad so reagiert habe, ich wusste nicht, dass du all das erlebt hast" schnieft sie und sofort drücke ich sie fester.

Ich konnte es nie leiden, wenn andere weinen. Erst recht nicht, wenn sie wegen mir weinen.

"Du hast keine Schuld, ich hätte auch so reagiert." beruhige ich sie. "Ich bin euch unendlich dankbar, dass ihr mich aufgenommen hat."

Langsam lösen wir uns und Elif lächelt mich liebevoll an.

Ich bin verdammt froh so eine Freundin wie sie zu haben.

Dieses Kapitel war nicht so spannend, aber das nächste wird spannender versprochen 🤗

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