43 ⇴ Cold

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In der darauffolgende Woche hing ich mit Zach ab. Will hatte sich entschieden vorläufig nicht mit mir zu reden und da Zach sich auf meine Seite stellte, ignorierte Will ihn auch. Ich war seit dem Vorfall selten zuhause. Oft verbrachte ich die Zeit einfach mit Zach, der mich wie eine Mutter beschützte. Wenn ich mal zuhause war, war es oft ruhig. Mom und Dad haben am Anfang immer nachgebohrt und gefragt was zwischen Will und mir vorgefallen war. Doch diese Frage beantworteten wir ihnen einfach nicht. In der Schule hatte Will auch nicht mit mir geredet und auch nicht an unserem Tisch gesessen. Er hatte sich mit irgendwelchen Leuten angefreundet und seitdem nichts mehr mit mir und Zach zu tun gehabt.

Ava ging mir auch aus dem Weg. Sie fuhr morgens immer alleine mit Will in die Schule, während Zach mich abholte. Sie hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht mit mir zu reden und zu fragen, warum ich ihr nichts erzählt habe. Sie war jetzt nur noch bei Ocean und Trenton. Sie schien ihre Angst gegenüber Trenton, Ocean zuliebe, überwunden zu haben und saß in der Kantine immer bei ihnen.

Was Trenton anging wollte ich eigentlich gar nicht erst ansprechen, da ich immer noch dieselbe Wut verspürte, wie an dem Tag, als er erzählte, dass er mir nicht mehr helfen würde. Er hatte mir tausende Nachrichten auf meinem Handy hinterlassen und hatte mehrmals versucht anzurufen. Ich hatte aber jedes mal geflissentlich seine Anrufe weggedrückt und ihn nachher sogar geblockt. Als meine innere Stimme mir sagte, dass es zu viel sei, hatte ich ihn wieder entblockt. Wenn wir uns sahen und hatte er immer versucht mich anzusprechen. Ich war dann einfach weggelaufen. Irgendwo in meinem Herzen tat es weh ihn abzublitzen, aber ich versuchte dieses Gefühl so gut es ging zu unterdrücken.

Diese Woche lebte ich wie ein Roboter. Mein einziger Trost war Zach, der nach wie vor mich zu verstehen schien. Obwohl ich nicht wusste, ob er auf meiner Seite war, weil er mich verstand oder weil er Mitleid mit mir hatte. Ich war öfters versucht gewesen ihn zu fragen, hatte mich aber dann doch nicht getraut, da ich Angst vor der Antwort hatte. Hätte er gesagt, dass er mich verstand, hätte ich gedacht, dass er log und wenn er gesagt hätte, dass er Mitleid mit mir hatte, hätte mein Verstand es nicht mehr aufnehmen können. Ich wollte seinen Mitleid nicht. So oder so - ich wäre enttäuscht gewesen. Deswegen ließ ich es.

Ich versuchte fast alle Gefühle zu unterdrücken wenn ich Trenton, Will oder Ava sah. Und komischerweise geling es mir auch ziemlich gut - dank dem Roboter-Ich.

Roboter-Ich war es nicht nur egal, dass Trenton und ich kein Paar mehr waren, sondern kam auch damit klar, dass Will und Ava mich wie Luft behandelten. Selbst als ich Harper sah und sie in Begriff war mich tückisch anzulächeln und mir warscheinlich zu sagen, dass es eine gute Sache war mit Trenton Schluss zu machen, schob ich sie mit einer Handbewegung zur Seite und lief geradeaus weiter. Ich war mir ziemlich sicher, dass Harper mich nur verdutzt angestarrt hatte, denn es kam kein Wort aus ihr heraus. Ganz sicher war ich mir dabei aber nicht, weil ich mich nicht mehr umgedreht hatte, um zu sehen wie sie aussah. Roboter-Ich hatte sich danach innerlich auf die Schulter geklopft und dem echten Ich, die sich fast wieder an die Oberfläche gekämpft hatte, gesagt dass alles gut so war, wie es bisher gelaufen war und Echtes-Ich jetzt nicht alles zunichte machen sollte. Daraufhin war Echtes-Ich wieder verstummt und Roboter-Ich hatte wieder Führung genommen.

Im Traum aber hatten mich immer wieder diese Schuldgefühle geplagt. Ich hatte immer wirres Zeug geträumt und als ich aufwachte verspürte ich diesen Schmerz, das ich eigentlich empfinden sollte, aber vollkommen abblockte. Das waren die einzigen Momente an denen Roboter-Ich versagte und Echtes-Ich zum Vorschein kam. Es vergingen nur ein paar Sekunden und dann hatte Roboter-Ich schon wieder übernommen.

In den Englischstunden an denen Trenton und ich nebeneinander saßen gab Roboter-Ich auch fast nach und ich hätte fast mitten in der Englischstunde angefangen zu weinen. Genau zu dem Zeitpunkt als Mr. Darren uns aus einem Buch vorlaß und bei dem Zitat "A Million Tears may not be enough" eine Kunstpause hielt. Ich hatte die Luft angehalten und schon gespürt, wie sich Tränen anbahnten, aber noch in der letzten Sekunde weggeblinkt. Zu meinem Glück, denn wäre das passiert hätte ich mich sehr warscheinlich an Trentons Brust geschmissen und leise geweint. Natürlich mehr als eine million Tränen. Die Versuchung war ziemlich groß, da er direkt neben mir saß. Schlimm genug, dass er während Mr. Darrens Vorlesung mir ständig Zettelchen schrieb. Es war schwer mich im Griff zu halten, aber ich öffnete kein einziges. Nach Stundenschluss hatte ich extra getrödelt. Nachdem fast alle draußen waren hatte ich mich unauffällig umgeschaut und die Zettelchen heimlich eingepackt. Zuhause zählte ich nach. Es waren 7 Stück. Ich legte sie sorgfältig auf mein Schreibtisch, traute es mir aber nicht zu diese zu öffnen.

Trenton selber hatte es nach drei Tagen aufgegeben mich ständig anzurufen. Irgendwie hatte ich gehofft, dass er nicht aufhören würde. Doch da ich nichts mehr fühlte, oder zumindest versuchte nichts mehr zu fühlen verwarf ich diesen Gedanken schnell und redete mir ein, dass ich nur in dem Versuch meine Gefühle zu unterdrücken wahnsinnig geworden bin.

Ich wusste, dass ich so nicht für immer leben könnte, obwohl es sich nett anfühlte nichts mehr zu spüren. So, als wäre ich in meinem eigenen Schneckenhaus. Zach schien es auch zu merken, denn wenn wir in der Cafeteria saßen hielt er immer eine Rede davon, wie ich mich ihm öffnen sollte. Er sagte immer das Reden half. Aber ich brachte es nicht über mich meine Gefühle freien Lauf zu gewähren. Wer wusste was dann geschehen würde. Vielleicht würde es mir sogar schlechter gehen. Ich sagte dann immer, dass es mir zur Zeit ganz gut tat nicht zu reden und dass ich bloß ein bisschen Zeit brauchte. Halbwahrheit. Ich glaubte wirklich, dass es mir gut tat nicht zu reden, aber ich glaubte, dass ich mehr als nur ein bisschen Zeit brauchen würde, bis ich mich wieder normal verhielt.

In der Schule verblasste langsam das Gesprächsthema Trenton-Will-und-Cara. Stattdessen hat die Schule angekündigt dieses Jahr einen Winterball zu geben. Seitdem hängen überall Poster von diesem dämlichen Winterball herum und fordert die Schüler dazu auf sich Karten zu kaufen. Jetzt suchten alle einen Partner mit dem sie dort hin gehen könnten.

Die Poster schienen mich dagegen hämisch anzulächeln und mich daran zu erinnern, dass meine Beziehung mit meinem Freund den Bach herunterging. Naja eher, dass die Beziehung nicht mehr existierte. Es war auch einer meiner schwachen Momente gewesen, als ich diese Poster bitterböse anstarrte. Das Pärchen, dass auf dem Bild tanzte schien streitlustig zurück zu starren. Meiner Meinung nach sah deren Lächeln so aus, als würden sie auf eine gemeine Art mich auslachen. Als ich Zach davon erzählte sagte er, dass ich verrückt wurde.

"Ich meine ja nur" hatte ich dann gesagt und mit den Schultern gezuckt.

Und obwohl Zach versuchte verständlich mir gegenüber zu sein, hatte er in dem Moment angefangen laut zu lachen. Ich hatte daraufhin ihm einen bösen Blick zugeworfen, wusste aber, dass er ja recht hatte. Ich hatte mich viel zu lange in meinem Selbstmitleid besudelt und das sollte jetzt aufhören. Das war der Moment in dem Roboter-Ich verschwand und das Echte-Ich wieder zum Vorschein kam.

Ich merkte selber, wie ich gar nicht mehr Trauer oder ähnliches spürte, sondern Wut. Gegenüber allen. Natürlich außer Zach. Ich meinte mit allen einfach bloß Ava, Will und Trenton. Und den Winterball.

Zach hatte recht gehabt, als er sagte, dass ich Ava als Freundin nicht alles erzählen musste. Das war nur blödes Mädchengetue.

Will sollte einfach verstehen, dass ich Trenton liebte.

Und Trenton sollte als mein Freund mich unterstützen.

War das denn zu viel verlangt?

Als Zach meine Trauer nicht mehr aushielt, schlug er vor, dass er mit mir zum Ball gehen würde. Ich schlug ihm diese Idee wieder aus, war das mich wieder nur krankhaft daran erinnern würde, dass ich einsam war und weder Freunde, noch einen Freund hatte.

Drive Fast | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt