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Und wieder fühle ich mich fremd in meinem eigenen Haus. Diese Aufmerksamkeit und Umsicht ist mir gänzlich neu. Früh habe ich gelernt auf eigenen Beinen zu stehen, selbstbestimmt. Julian war im Nachhinein betrachtet nicht der Mann, den ich in meinen Träumen an meiner Seite stehen sehe. Alec jedoch, macht genau all die Dinge, die ich mir von meinem Partner wünsche. Trotzdem bleibt ein fader Nachgeschmack. Alec ist nicht mein Freund. Er ist irgendein Kerl den ich mit vernebelten Sinnen bei einer Spontanaktion in Vegas heiratete.

Nach dem Frühstück mache ich mich fertig für den Tag und gehe in mein Büro um die Arbeit von gestern fortzusetzen. Durch das frühe Aufstehen habe ich noch genügend Zeit bis ich in die Redaktion muss. Ich atme tief ein, gehe zum Schreibtisch und stehe minutenlang einfach nur da und starre auf die hölzerne Platte. Alles ist wieder da wo es vorher war. Bevor Alec mich packte und auf eine Reise mitnahm, die auch heute ein wohliges Kribbeln in meinen Lenden hervorruft. Allein der Gedanke an seine dominante Art sich das zu nehmen was er begehrte, mich zu wollen, bringt mein Blut in Wallung und lässt mich schwer atmen.

Nur langsam klärt sich mein Verstand. Ob ich hier je wieder arbeiten kann ohne die Bilder von uns in meinem Kopf? Ich weiß es nicht.
Es ist auch nicht der passende Moment dies zu ergründen. Die Rezension wartet auf ihre Fertigstellung und die mahnende Stimme meines Redakteurs geistert durch meinen Kopf. Es ist bereits Mittag als ich meinen Text speichere und die Email in die Redaktion schicke. Mental bereite ich mich auf eine lange Besprechung vor und fülle den Vorrat an Nervennahrung auf. Eine Tüte Lakritzschnecken wandert gemeinsam mit Laptop und Notizblock in meinen Rucksack.

Die Gedanken an Alec und das kommende Gespräch verdränge ich erfolgreich. Für mich gibt es da nichts zu besprechen. Ich betrachte es als das was es war. Ein Abenteuer, ein One-Night-Stand.
Die Redaktionsbesprechung zieht sich wie Kaugummi in die Länge. Mein Vorrat an Nervennahrung ist fast aufgebraucht, als ich endlich an der Reihe bin. Mr Wayland ist ein Herr mittleren Alters. Mit seinen grauen Haaren und der kleinen runden Brille sieht er immer aus wie der freundliche Opa von nebenan. Aber das äußere Erscheinungsbild täuscht.

Oft saß er hier im großen Besprechungsraum mit rotem Kopf und weit aufgerissenen Augen. Die Hände zu Fäusten geballt und wild fluchend, weil die Konkurrenz mal wieder schneller war und die Schlagzeile des Tages vor uns veröffentlichte. Bis jetzt ist solch ein Ausbruch ausgeblieben. Vor einiger Zeit bekam Mr Wayland von einem Kollegen einen Spitznamen verpasst. Red angry bird. Besagter Kollege fand das äußerst witzig und sein schallendes Lachen hörte man im gesamten Büro. Mr Wayland fand das allerdings nicht so witzig. Er stand mit hochrotem Kopf und zusammengepressten Lippen in der Tür seines Büros und legte einen Wutausbruch par excellance hin. Ich brauche wohl nicht erwähnen, dass besagter Kollege mittlerweile in der Anzeigenannahme arbeitet und seither keine Artikel unter seinem Namen veröffentlichen darf.

Erleichtert atme ich auf als Mr Wayland meine Rezension abnickt und ein paar anerkennende Worte sagt.
"Gut gut. Sehr schön Magnus. Aber ihnen ist da ein Fehler unterlaufen." sagt er. Ich überfliege meine Kopie des Artikels und kann keinen Fehler entdecken. Was er wohl meint?
"Lightwood. Magnus Lightwood?" fragt er und ich spüre die fragenden Blicke meiner Kollegen bereits auf mir.
"Ja... Lightwood."
"Arbeiten Sie jetzt mit einem Pseudonym? Warum besprechen sie das nicht mit mir? Warum erfahre ich das erst jetzt?" Seine Stimmung ändert sich.
"Nein. Es ist kein Pseudonym." sage ich schnell. "Ich habe geheiratet. Irgendwie." entgegne ich. Ein Blick in die Runde offenbart mir die unterschiedlichsten Erkenntnisse. Die meisten schauen ungläubig zu mir. Ein paar wenige lächeln und einer sitzt mit wutverzerrtem Gesicht mir gegenüber. Ich ignoriere ihn und zwinge mich zu einem Lächeln.

"Überraschung." sage ich gespielt fröhlich und hoffe, dass mein Schauspiel nicht auffällt. Ich habe keine Lust, dass die ganze Redaktion von meinem Absturz und der Hochzeit in Vegas erfährt. Nur um Einen muss ich mich kümmern. Aber das verschiebe ich auf später.
"Wer ist denn der Glückliche?" fragt mein Chef und bevor ich antworten kann, redet er munter weiter.
"Nein sagen sie nichts. Bringen sie ihn einfach zur Firmenfeier mit. Dann können wir ihn kennenlernen. Herzlichen Glückwunsch Magnus. Der Name gefällt mir. Er passt zu ihnen."

Mr Wayland beendet das Meeting und alle Anwesenden verlassen fast fluchtartig den Raum. Ich packe in einer Seelenruhe meine Sachen zusammen und werfe verstohlene Blicke auf den Mann mir gegenüber. Er trommelt mit den Fingern auf der Tischplatte und wippt nervös mit seinem Bein. Ihm liegen alle möglichen Beleidigungen und Hasstiraden die er kennt auf der Zunge. Das sehe ich deutlich. Außerdem kenne ich ihn seit vielen Jahren nicht nur beruflich, sondern auch privat.
"Hast du mir etwas zu sagen Mark?" frage ich neutral.
Er antwortet mir nicht und ich blicke ihn ernst an. Seine Augen zucken hin und her und ich erkenne Wut in ihnen. Jeder Muskel seines Körpers ist angespannt.

"Stimmt das?" fragt er zornig. Ich kann es ihm nicht verübeln. Trotzdem gefällt mir sein Ton nicht.
"Ja." antworte ich knapp.
"Ich verstehe es nicht. Mein Bruder heult sich seit Wochen die Augen wegen dir aus. Und du kommst hier an und erzählst so nebenbei, dass du verheiratet bist. Du. Magnus-Mr-ich-heirate-niemals-und-schon-gar-nicht-dich-Bane." Er spuckt mir die Worte regelrecht vor die Füße und mit meiner Geduld ist es am Ende. Ich spüre die Hitze in mir aufsteigen, stützte mich auf der Tischplatte ab und funkele Mark zornig an. Er war immer auf der Seite seines Bruders.

"Hör mir jetzt gut zu Mark Blackthorn. Ich lass mich von dir nicht beleidigen. Du hast keine Ahnung. Du kennst mich nicht oder meine Beweggründe. Ich weiß, dass Julian nie darüber geredet hat warum ich nicht heiraten wollte. Und es geht dich auch nichts an. Julian weiß nichts von meiner Heirat. Und wenn du deinen Bruder liebst, dann bleibt das auch so. Wenn du ihm davon erzählst, musst du auch mit seinem seelischen Schmerz leben. Ich bin raus. Also lass mich in Ruhe. Schieb dir deine Wut sonst wo hin. Ist mir egal. Aber ich fahr jetzt in mein Haus und warte auf meinen Ehemann."

Mit diesen Worten lasse ich ihn allein zurück. Ich verabschiede mich von meinem Chef und den Kollegen. Das kommende Gespräch mit Alec schiebt sich wieder in meine Gedanken. Und meine Worte an Mark. Ich hab das nicht nur wegen mir gesagt. Auch wegen Alec. Denn Mark hat mit seinen Worten auch Alec angegriffen. Und das dulde ich nicht. Alec kann nichts dafür.

What happened in Vegas - Plötzlich verheiratetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt