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"Jeder darf eine Frage stellen und wir müssen beide darauf antworten." schlage ich vor.
"Finde ich gut. Ich fange an." Alec räuspert sich und überlegt kurz.
"Hobbies." Zu einfach.
"Lesen." sage ich und ernte einen skeptischen Blick.
"Das ist dein Job." sagt Alec. Achselzuckend schiebe ich eine Traube zwischen meine Lippen, das knacken der fruchtigen Hülle lässt den süßen Saft heraus in meinen Mund strömen. Alec starrt gebannt auf meine Lippen.
"Mein Hobby ist mein Beruf. Ich lebe meine Leidenschaft."
"Ich ebenso." flüstert er. "Dann hat sich meine nächste Frage erledigt."

"Du bist auch gar nicht an der Reihe." antworte ich keck.
"Mal überlegen. Das ist alles zu einfach und schon tausendmal gefragt. Lieblingsfarbe..."
"Dunkelblau."
"... oder das Lieblingsessen...:
"Gemüseauflauf."
"... Lieblingsgetränk ist auch ein alter Hut..."
"Sodawasser mit einem Spritzer Zitrone."
"Ich habs. Deine schönste Kindheitserinnerung." Die Antworten auf meine eigentlich nichtgestellten Fragen habe ich gehört und gespeichert. Dunkelblau. Alec trägt ein hellblaues Shirt. Es passt soviel besser zu ihm als rot.

"Da muss ich nicht lange überlegen. Es war Sommer. Ich war sechs Jahre alt. Izzy war fünf und Jace acht. Es war der Sommer bevor ich in die Schule kam. Hier, an dieser Stelle haben wir gepicknickt. Der Felsbrocken hatte noch nicht soviel Moos aber trotzdem war es für mich das schönste was ich je gesehen hatte. Es hatte etwas majestätisches, mystisches. Der Fels überragte mich und die Blätter der Eiche warfen geheimnisvolle Schatten. Sie tanzten über den Fels und das Moos, die Farben leuchteten und die Sonne schien so hell, dass es schon fast in den Augen schmerzte. Unsere Eltern waren noch glücklich miteinander. Jace und ich standen uns mit kleinen Holzschwertern in der Hand gegenüber und ich verteidigte das Leben meiner Prinzessin Lady Isabelle mit allem was ich hatte. Dad feuerte Jace an und Mum fiel theatralisch in Ohnmacht als ich den bösen Ritter Jonathan niederstreckte. Lady Isabelle jubelte und sprang mir in die Arme. Zusammen ließen wir uns in das weiche Gras fallen und schwörten, dass wir immer zusammen halten würden. Die Lightwood-Geschwister. Ein Jahr später trennten sich unsere Eltern. Wir lebten zwar noch ein paar Jahre zusammen unter einem Dach, aber die Liebe war nicht mehr da. Dad veränderte sich. Und Mum hielt es irgendwann nicht mehr aus." Ein seliges Lächeln umspielt Alecs Mundwinkel während seiner Erzählung. Nur der Teil mit der Trennung seiner Eltern legt einen leichten Schatten auf seine glänzenden Augen. Und das Lächeln wirkt auf einmal gezwungen. Nichts desto trotz ist es eine wirklich schöne Erinnerung.

"Jetzt du. Was ist deine schönste Kindheitserinnerung?" fragt Alec. "Toskana. Zitronenbäume und Zikaden. Das leise Flüstern meiner Eltern und die schützende Hand meines Vaters in meinen Haaren. Ich der friedlich einschlief und das glücklichste Kind auf diesem Planeten war." antworte ich und meine Worte katapultieren mich auf die Veranda der alten Finca zurück.
"Noch heute rieche ich den frischen aromatischen Duft der Zitronenbäume und höre das zirpen der Zikaden. Wenn ich meine Augen schließe, dann höre ich die leisen Stimmen meiner Eltern und spüre ihre Nähe und Geborgenheit. Fühle die Liebe zueinander und für mich. Dem sechsjährigen asiatischen Jungen mit den zu langen Beinen und dürrem Körper."

"Sonnengeküsste Haut und rabenschwarze Haare." flüstert Alec und ich öffne meine Augen. Er ist mir ganz nah und ich sehe das strahlende Blau, glitzernde Punkte die wild umher flackern. Sie finden keine Ruhe, wechseln zwischen meinen Augen und den Lippen hin und her. Genauso wie meine Augen den Weg zu den weingetränkten Lippen von Alec finden. Diese tragen einen rötlichen Schimmer vom süßen Traubensaft in unseren Gläsern, meine Zunge fährt über den Gaumen, nimmt den Geschmack von Süße, Säure und Tannin auf. Ein weiches, warmes und fruchtiges Aroma. Ich kann mir vorstellen wie seine Lippen schmecken.

"Magnus." haucht Alec und ich schlucke trocken. Das hier nimmt gerade eine Richtung an, in die wir uns nicht mehr bewegen wollten. Lautstark räuspere ich mich und Alec reißt erschrocken die Augen auf. Das verträumte ist aus seinem Blick verschwunden, zurück bleibt Enttäuschung.
"Hast du auch eine schlechte Erinnerung?" frage ich vorsichtig und begebe mich damit auf dünnem Eis. Denn wenn Alec mir auf diese Frage antwortet, muss ich es auch. Und gerade bin ich mir nicht sicher, ob ich dazu bereit bin.

What happened in Vegas - Plötzlich verheiratetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt