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"Es tut mir leid." sage ich schluchzend. Mit zittrigen Händen und tränenfeuchtem Gesicht sitze ich auf dem klebrigen Boden des Pandemoniums und weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Alles dreht sich und der Schweiß läuft mir eiskalt den Rücken hinunter. Mir ist unglaublich übel und am liebsten würde ich mich in das nächste Erdloch stürzen und nie wieder rauskommen wollen. Ich fühle mich wie auf einem schlechten Trip. Die Musik ist zu laut und der fehlende Sauerstoff im Club nimmt mir die Luft zum Atmen. Angst und Panik fressen sich durch meine Eingeweide. Jede Faser meines Körpers wird durchflutet von der Reaktionskette meines Organismus. Mein Herz schlägt viel zu kräftig und mein Puls schnellt in die Höhe. Der Druck in meiner Brust ist so unsagbar groß. Mit jedem viel zu schnellem Schlag erhöht sich die Kraft und ich spüre die Schmerzen ganz deutlich. Es zerreißt mich von innen heraus und versucht meinen Brustkorb zu durchdringen. Meine Atmung geht stoßweise und viel zu viele Dinge prasseln gleichzeitig auf mich ein. Andrew der unaufhörlich mit mir spricht, Raphael der mich beschützend im Arm hält und versucht mich zu beruhigen, die viel zu laute Musik und der fehlende Sauerstoff in meinen Lungen. Alec der mich belogen und verlassen hat. Meine Wut und Enttäuschung ist noch immer riesengroß. Aber der Schmerz in meiner Brust und die Sehnsucht in meinem Herzen sind umso vieles größer.

"Ich habe ihn verloren. Es ist meine Schuld." sage ich schluchzend und lasse den zuvor unterdrückten Tränen freien Lauf. Es ist befreiend und löst den Kloß in meinem Hals. Aber das Weinen lindert nicht den Schmerz in meiner Brust. Im Gegenteil. Immer mehr heiße Tränen verlassen meine Augen und benetzen mein erhitztes Gesicht mit einem Rinnsal der Verzweiflung. Jeder Tropfen der aus meinen Augen perlt, hinterlässt einen stechenden Schmerz im Herzen. Tausend kleine Nadelstiche und ein Messer mit scharfer Klinge stecken tief im kräftig und viel zu schnell schlagenden Muskel.
"Was hab ich nur getan?" frage ich eher an mich gewandt und blicke gleichzeitig in das tränenfeuchte Gesicht von Andrew. Er schüttelt leicht seinen Kopf und streichelt unablässig über meinen Handrücken.
"Was hattest du denn vor? Wolltest du dich wirklich von diesem Kerl ficken lassen?" fragt er. Raphael hinter mir zieht zischend die Luft ein. Diese Vorstellung jagt einen kalten Schauer der unangenehmen Art über meinen Rücken.
"Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich. Aber ich habe die ganze Zeit an Alec gedacht." antworte ich schuldbewusst. Andrew hat recht, das hätte Alec mir nie verziehen. Aber es ändert nicht die Tatsache, dass ich den größten Fehler in einer Beziehung begangen hätte. Diese Schuld lastet schwer auf mir.

"Ich denke ständig an Alec. Auch jetzt. Was ist nur los mit mir? Ich hasse ihn doch." jammere ich.
"Du liebst ihn." entgegnet Raphael. "Manchmal ist der Übergang zwischen Liebe und Hass etwas schwammig. Magnus, du hast viel zu verarbeiten. Aber bitte tu nichts Unüberlegtes. Du würdest es ewig bereuen." Raphael hält mich fest im Arm und ich lasse mich fallen, genieße die Nähe und die starke Umarmung meines Kindheitsfreundes. Es ist so viele Jahre her, als wir zuletzt in dieser Position saßen. Mitten auf dem Flur der onkologischen Station. Als mein Verstand realisierte was soeben geschehen war und all die Anspannung meinen Körper verließ. Auch damals hielt Raphael mich im Arm als meine Beine das Gewicht meines Körpers nicht mehr trugen und ich einfach auf dem kalten Boden des Krankenhauses zusammensackte. Andrew hielt genauso wie jetzt meine Hände in seinen und gemeinsam weinten wir über den zu frühen Tod eines geliebten Menschen.

"Warum macht ihr das? Warum tut ihr euch das immer wieder an? Ich bin ein mieser Freund und ein noch schlechterer Ehemann." Andrew sieht mich liebevoll an und Raphael vergräbt sein Gesicht in meiner Halsbeuge.
"Weil wir dich lieben." flüstert er und ein heftiges Beben geht durch meinen Körper. Seine Worte erfüllen mich mit Wärme und Glück. Jedoch sind es Andrews Worte, die wieder einmal sämtliche Dämme brechen lassen.
"Weil du unser Freund bist. Und weil Freunde zusammen halten. Auch wenn das Leben eine Schlampe mit einem bösartigen Sinn für Humor ist. Wir sind für dich da. Immer. Wir lieben dich Magnus. Es ist so unfassbar schwer mit anzusehen, wie du dein Glück mit Füßen trittst." erwidert Andrew und ich bin froh, dass diese Ecke der Lounge geschützt vor fremden Blicken ist. Sonst würden wir eine prima Show für die übrigen Besucher des Pandemoniums abgeben. Und darauf kann ich echt verzichten. Nur langsam versiegen meine Tränen, aber das beklemmende schmerzende Gefühl in meiner Brust lässt einfach nicht nach. So liege ich weinend in den Armen von Raphael und wünschte, er wäre Alec.

What happened in Vegas - Plötzlich verheiratetWhere stories live. Discover now