-9-

108 9 2
                                    

How does it feel
∙∘∙∘∙∘∙

„Deine Eltern sind nett.", lies Jimin den blonden wissen. Sie hatten zuvor ein ausgiebiges Gespräch geführt, in welchem Yoongis Eltern einige Fragen an Jimin hatten. Jimin hatte jede Frage ehrlich beantwortet und das freundliche Ehepaar hatte entschieden, Jimin dürfe bei Ihnen Wohnen, solange er ihnen keine zu großen Schwierigkeiten machte.
„Ja, das sind sie. Ich bin erleichtert, dass sie nicht anders reagiert haben. Es hätte deutlich schlimmer kommen können.", stimmte Yoongi zu.
Gerade lagen sie auf dem Bett und schauten über den an der Wand hängenden Fernseher in Yoongis Zimmer einen Film. Jimin hatte nur selten Filme geschaut, als er noch dachte, er würde zurecht kommen, wenn er versuchte normal zu leben. Er kannte sich so gut wie garnicht damit aus. Deshalb hatte Yoongi ihm die Auswahl gelassen und Jimin hatte sich schließlich für »Findet Nemo« entschieden.

„Früher musste ich immer weinen bei diesem Film.", argumentierte Yoongi die Handlung, welche daraus bestand, wie die Mutter starr in die grinsenden Augen des riesigen Hais schaute.
„Warum?", fragte Jimin. Er weinte nur selten und wenn, dann auch nur, indem seine Tränen stumm über seine Wangen liefen. Meist war er dabei in Gedanken gewesen, wie er sein Leben weiter verbringen sollte, wenn es ihm nicht gelang, die Augen für immer zu schließen. Er war einsam gewesen. Die Tatsache, dass dies nun nicht mehr der Fall war, hatte er Yoongi zu verdanken. Durch ihn hatte er Hoffnung auf eine Veränderung ins Positive, auch wenn Jimin nicht wusste, was diese Veränderung sein sollte.

„Wie fühlt es sich an, so richtig traurig zu sein?", traute sich der braunhaarige zu fragen. Yoongi seufzte und rieb sich über die Stirn. „Naja, man denkt, es könnte nun nichts mehr besser werden und meist hat man auf nichts Lust. Du fühlst dich leer und willst einfach nur schlafen aber deine Gedanken kreisen nur über dem, was dich traurig macht. Man weint viel und es ist echt anstrengend, wenn man oft weint, was einen nur noch fertiger macht. So geht es mir zumindest wenn ich wirklich traurig bin."
Jimin dachte über diese Worte nach. So richtig hatte er so eine Phase wohl noch nie erlebt. Sein Leben war durchgängig einsam und still.

„Hattest du schon häufiger solche Phasen in denen du traurig warst?"
Yoongi drehte den Kopf in Richtung Jimin und der braunhaarige befürchtete schon, er wäre zu weit gegangen. Doch Yoongi antwortete ihm, nachdem er sich enger in die Decke gekuschelt hatte: „Naja als es mit meiner letzten festen Freundin aus war, hatte ich so eine depressive Phase. Nicht weil ich sie noch geliebt hatte, sondern weil es schwer war, sich daran zu gewöhnen. Ich war fünf Monate mit ihr zusammen gewesen und es war eine schöne Zeit. Doch dann habe ich gemerkt, dass ich mich zu Jungs hingezogen fühle und war so mit mir und meinen Gedanken beschäftigt, dass ich sie vernachlässigte. Sie gab es schnell auf mir hinterherzulaufen und wir distanzierten und gegenseitig. Wir hatten uns wohl beide zu wenig geliebt, als das wir es noch weiter versuchen wollten."

Jimin zuckte zusammen. Wieder war da so ein Gedanke in seinem Kopf gewesen, der genauso schnell wie er gekommen war, wieder verschwand. Doch da es wohl eh keinen Sinn machen würde, nach diesem Gedanken zu fischen, beschloss er seinen Kopf weniger anzustrengen und den Film zu schauen.
In der nächsten Woche schauten sie öfters Filme. Am Sonntag, als Yoongi sich mit seinen Freunden getroffen hatte, hatte Jimin in einem Bücherregal ein Kreuzworträtselheft gefunden. Es stellte sich heraus, dass er die meisten Fragen mit Leichtigkeit beantworten konnte. Bei manchen Sachen wusste er selbst nicht mal, dass er die Lösung kannte. So wurde es zu seiner Lieblingsbeschäftigung, während Yoongi draußen oder in der Schule war.
Auch konnte Jimin, dem anderen viel bei Schulischen Aufgaben helfen. Er verstand schnell, obwohl er überhaupt keinen Anschluss zu den Themen hatte. Es machte Jimin Spaß, Zeit mit Yoongi zu verbringen. Er mochte den blonden und es machte ihm Angst, denn es war das erste mal, dass er einen Menschen so nah an sich heran ließ. Vor vielleicht 60 Jahren hatte er eine Junge Frau kennengelernt, die sich zu ihm auf eine Bank gesetzt hatte und Geschichten erzählt hatte. Sie dachte er wäre ein Armer Junge, der die Obdachlosigkeit nicht verdient hätte, also brachte sie ihm öfters etwas zu essen und etwas Kleidung. Das Essen musste er leider immer wegschmeißen, doch die Klamotten waren praktisch. Irgendwann hatte er die Frau nie wieder gesehen und hatte bis heute nicht versucht herauszufinden, was mit ihr passiert war. Es ging ihn ja auch nichts an.

Abends lag er mit Yoongi unter einer Decke in dem Warmen Bett und versuchte sich jedes einzelne Detail des Jungen anzusehen. Er war hübsch, dachte Jimin. Doch er wusste nichts weiter mit dem Gedanken anzufangen. Manchmal schloss er die Augen um seine Gefühle besser wahrzunehmen. Er dachte an verschiedene Sachen und merkte, wie sie ihn traurig, fröhlich, wütend machten, oder durcheinander brachten.
Und dann waren da noch diese Bilder in seinem Kopf, welche sich nie länger als wenige Millisekunden zeigen wollten. Das war es, was ihm an meisten fertig machte und er hatte dies auch vor Yoongi geheimgehalten. Er war sich zu unsicher, was dass alles bedeutete.

Lost Boy||YoonminWhere stories live. Discover now