Kapitel 11

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Tom griff nach meiner Hand und küsste ihre Innenseite. "Ein sehr weiser Mann, dein Vater."

Ich lachte leise auf. "Naja, dass war aber vermutlich auch das einzig Weise, das er je von sich gegeben hat. Zumindest in meiner Gegenwart."

Seine Hand schob sich unter mein Kinn und er hob es leicht an, sodass ich ihm in die Augen sehen musste. Er sagte nichts und ich konnte mich auch nicht daran erinnern, mehr erzählt zu haben. Trotzdem lag in seinem Blick so viel Mitgefühl, dass ich das Gefühl hatte, er würde es ganz genau wissen. Wie sehr ich meine Mutter hasste, wie sehr ich mich in der letzten Zeit allein gelassen fühlte und wie sehr mir alles über den Kopf gewachsen war - er wusste alles. Und es brauchte nur einen Blick in meine Augen, um mich all das wissen zu lassen.

Ich lächelte. "Ich schätze wir sollten zurück gehen. Sonst suchen sie wieder nach uns und das ist dann wahrscheinlich recht auffällig."

Er nickte, entließ mich aus seiner Umarmung und zog sich sein Jackett wieder über. Einmal durch die Haare gefahren und er sah wieder so tadellos aus wie zuvor. Ich wollte gerade die Tür öffnen, als ich ihn sagen hörte: "Ash warte!"

Ich drehte mich noch einmal um. "Was ist denn?"

"Ich werde die Woche über reichlich zu tun haben. Mein Vater... sagen wir, er findet, jede Minute die ich nicht bei irgendwelchen Räten oder Schießübungen verbringe ist verschwendete Zeit. Und Mutter... nun sagen wir mal, sie ist nicht unbedingt anders."

Ich sah ihn mitfühlend an, wusste aber nicht so recht, worauf er hinauswollte.

"Am Wochenende haben wir wieder einen Empfang für die Familie des US-Präsidenten, aber wie wäre es mit Freitag Abend?" Er sah mich erwartungsvoll an. Da begriff ich.

"Ein Date?" Die Frage rutschte einfach so raus. Ich konnte es nicht zurückhalten.

Und auf einmal wurde er richtig nervös. Er fasste sich in den Nacken, biss sich auf die Lippe und verlagerte sein Gewicht. War das niedlich! "Ja, so dachte ich mir das."

Er sah mich nur kurz an und betrachtete dann den Boden vor seinen Füßen. Ich ließ die Tür los und kam noch einmal zu ihm. Vorsichtig legte mich meine Hände um sein Gesicht und brachte ihn dazu mich anzusehen.

"Nichts würde ich an einem Freitagabend lieber machen!" Ich sah ihm ernst in die Augen.

"Ja?", kam es hoffnungsvoll über seine Lippen.

"Ich zähle die Stunden." Ich drückte noch einmal sanft und kurz meine Lippen auf seine. Ihm blieb nicht einmal mehr die Zeit, den Kuss zu erwidern, da löste ich mich schon wieder von ihm.

Ich erlaubte mir nicht, ihn noch einmal anzusehen, denn sonst wäre ich nie gegangen, also wandte ich mich um und lief - ja, ich lief, schnell - aus dem Raum. Ich hatte die Tür schon erreicht, sie aufgezogen, doch als ich praktisch schon im Korridor war, drehte ich mich doch noch einmal um und erlaubte mir einen letzten Blick auf ihn.

Er stand noch immer in der Mitte des Raumes, sah mir nach.

Der perfekt sitzende Anzug, dieser Körper, sein Gesicht, seine Arme. Ich genoss den Anblick und als meine Augen wieder auf seine trafen, biss ich mir auf die Lippe, um das Grinsen zu unterdrücken. Es gelang mir nicht so richtig, also zwinkerte ich ihm noch mal zu und trat endgültig in den Korridor. Dachte ich...

Ich war erst drei Schritte gegangen, als jemand nach meinen Handgelenk griff. Ich konnte mich nicht einmal richtig umdrehen, da hatte Tom mich schon an sich gezogen und küsste mich wieder. Nur kurz, dennoch blieb mir die Luft weg.

"Tut mir leid, aber das musste einfach sein. Dein Lächeln eben war einfach viel zu süß."

Bei seinen Worten wurde mir warm ums Herz. Ein Glück war der Gang leer.

Und die Nachtigall singt | Tom Holland ffWhere stories live. Discover now