Kapitel 13

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Meine Gedanken schwirrten zurück zum letzten Abend: Lord Haverforth, der mich leise fragte, ob ich Lil sagen könnte, dass sie immer mit ihnen reden konnte. Die Nachricht, die mitschwang, dass sie sie immer akzeptieren würden.

"Lil, das ist doch großa-" Ich brach ab. "Es ist doch gut gelaufen oder?" Kurz durch zuckte mich die Angst, Salz in die Wunde gestreut zu haben.

Ihr Gesicht verfinsterte sich, sie sah auf den Boden.
"Oder?" Hackte ich noch mal nach, meine Stimme schon leicht panisch. Oh Gott, nein, nein, nein, nein, bitte nicht, bettete ich, doch Lil hob nur den Kopf, grinste mich an.

"Ja, war es."

Es war als würde mir nicht nur ein Stein, sondern ein ganzer Steinbruch vom Herzen fallen. Ich boxte sie leicht gegen ihre Schulter. "Mach das nicht noch mal, ja?!" Ich nahm mir einen Moment, um den Schock zu verarbeiten.

"Und wie war es?"

"Richtig gut. Sie müssen es schon geahnt haben, sie waren eigentlich gar nicht geschockt."

Ich griff nach ihrer Hand und drückte sie einmal. "Ich freue mich so für dich."

"Ja, endlich kein Verstecken mehr." Sie seufzte.

"Also ich finde ja, das schreit nach..." Ich zog bedeutungsvoll meine Augenbrauen hoch.

"Ash, nein, du meinst doch nicht..., oder?"

"Doch", grinste ich erhob mich dann langsam.

"Aber, das können wir doch nicht machen." Ich hatte mich schon umgedreht und ging zur Tür. "Ash", zischte sie mir noch hinterher.

An der Tür drehte ich mich um. "Was ist? Kommst du jetzt oder nicht?"

"Oh man, wir werden so einen Ärger kriegen!"

"Das ist es Wert." Und dann schlüpfen wir in den Gang und liefen los.

"Mrs Miller? Haben sie noch was von dem..?" In der Tür zur Küche war ich stehen geblieben, Lil hinter mir. Ich setzte meine beste klein Mädchen Stimme auf und sah sie treuherzig an.

"Ach Schätzchen, du machst das wirklich zu oft.", murrte sie, griff jedoch nach zwei kleinen Löffeln, ging zum Kühlschrank und holte die Dose heraus.

"Sie sind ein Schatz" grinste ich sie an, nach dem sie uns die Dose in die Hand gedrückt hatte.

Auf Umwegen schlichen wir zurück in mein Zimmer.
"Ash wir sollten wirklich -", doch da war es schon zu spät.

In voller Lautstärke fing Britney Spears an durch mein Zimmer zu schallen.

Einen Moment verharrten wir noch reglos, dann setzte der Gesang ein und wir konnten uns beide nicht zurück halten. Wie zwei Bekloppte begannen wir durch den Raum zu tanzen und hin und wieder genehmigten wir uns einen Löffel von dem Eis, das wir illegal in mein Zimmer geschmuggelt hatten.

Als wir beide keinen Atem mehr hatten, ließen wir uns auf das Sofa fallen, beide mit einem fetten Grinsen im Gesicht.

"Läuft bei uns, oder?" Ich drehte meinen Kopf, der auf der Lehne ruhte, zu ihr.

"Sieht ganz so aus." Sie grinste mich an.

Wir blieben noch eine Weile liegen und ich musste Lillian alles über den gestrigen Abend erzählen. Sie wollte wirklich alles wissen. Jedes kleinste Detail, jede Bemerkung seinerseits, jede Berührung, jeder Laut der über seine Lippen gekommen war. Ich erzählte es ihr bereitwillig, nur die Begegnung im Arbeitszimmer ließ ich gekonnt aus.

Nach einer Weile standen wir auf und begaben uns zurück in  den Salon, in dem wir wie erwartet auf unsere Mütter stießen. "Na ihr beiden", begrüßte Mrs. Haverforth uns lächelnd und drückte Lillians Hand, die sie ihr auf die Schulter legte.

"Ashley?" Die Stimme meiner Mutter war kalt wie immer. Kerzengrade saß sie auf einem der Ledersessel und balancierte eine Teetasse auf ihrem Bein. Sie sah nicht so aus, als hätte sie daraus getrunken.

"Ja, Mutter?"

"Dein Vater und ich werde mit Mr. und Mrs. Haverforth am Freitag zu einer Gala in Paris aufbrechen. Wir werden dort einige Tage bleiben." In meiner Brust begann es verräterisch zu kribbeln.

Sie. Würde. Wegfahren. Am Freitag.

Besser konnte es doch gar nicht werden. Ich spürte Lillians Blick auf mir ruhen, doch ich sah sie mit Absicht nicht an. Sonst hätte ich mein Grinsen wahrscheinlich nicht zurückhalten können.

"In Ordnung", sagte ich stattdessen.

"Ich möchte, dass du in dieser Zeit den Empfang für den König und die Königin vorbereitest. Du weißt, dass sie in drei Wochen vorbeikommen werden?"

"Natürlich, Mutter!" Sie hatte mir eine ganze Woche damit in den Ohren gelegen. Wie sollte ich das vergessen?

Meine Mutter nickte nur und richtete sich schließlich auf. "Nun denn", sagte sie, ihre Stimme mit einem Mal wieder freundlich und warm. "Sollten wir die Männer wohl nicht allzu lang warten lassen. Ich bin sicher, sie stehen schon mit scharrenden Füßen vor der Salon Tür."

Mrs. Haverforth lachte. "Das ist mehr als nur gut vorstellbar." Wir verabschiedeten uns, Lillian umarmte mich noch einmal und flüsterte mir zu, ich solle mich bei ihr melden, wenn es passiert wäre und ich nickte. Auch Mrs. Haverforth zog mich in eine Umarmung, was meine Mutter mit einem missbilligenden Blick quittierte. Sobald die Haverforths unser Anwesen verlassen hatten, machte meine Mutter auf dem Absatz kehrt und verschwand in ihrem Arbeitszimmer. Vater lächelte mich einmal traurig an, dann zog auch er ab und ich war wieder allein.

"Ich rufe an. Also denk bloß nicht, du müsstest dich nicht darum kümmern." In einen dicken Mantel und einen langen Rock gehüllt stand meine Mutter vor mir, einen fertig gepackten Koffer neben sich.

Ich neigte den Kopf. "Natürlich, Mutter." Und jetzt dreh dich um und verschwinde endlich.

Sie betrachtete mich noch einmal, nickte und griff dann nach ihrem Koffer um sich auf den Weg zum Wagen zu begeben. "Enttäusche mich nicht noch einmal!", rief sie mir noch über die Schulter hinweg zu, dann schritt sie auch schon die große Treppe am Eingang unseres Anwesens hinunter. Mit einem Kopfnicken bedeutete ich den beiden Bediensteten, die Tür zu schließen.

Wir waren allein. Nicht nur ich entspannte mich sichtlich, auch die Wachen und Amy, die neben mir stand, schienen aufzuatmen. Ich drehte mich zu meiner Zofe und legte ihr eine Hand auf die Schulter. "Machen Sie etwas Schönes. Ich werde mich etwas ausruhen."

Sie nickte lächelnd und verschwand dann in Richtung Küchentrakt. Ich ging zurück in auf mein Zimmer. Die Bücher, die ich die Woche über gelesen hatte, lagen noch überall verstreut auf dem Boden, sodass ich mich auf Zehenspitzen zu meinem Sofa vorkämpfen musste. Erschöpft ließ ich mich auf das weiche Polster sinken.

Es war Freitag. Meine Eltern waren weg und in meiner Brust regten sich schon wieder die kleinen Schmetterlinge, die jedes Mal zum Leben erwachten, sobald ich an ihn dachte.

Ruckartig setzte ich mich auf. Wir hatten nichts verabredet. Wir hatten nichts ausgemacht. Keine Uhrzeit, kein Ort. Nichts. Ich konnte ihn nicht einmal erreichen! Die Schmetterlinge schrumpften zusammen und ließen ein dumpfes Gefühl der Enttäuschung zurück.

Es wäre auch zu schön gewesen, hätte es tatsächlich funktioniert. Wäre alles perfekt nach Plan gelaufen. Vielleicht wäre es das, wenn wir einen gehabt hätten. Jetzt würde ich den ganzen Abend hier sitzen, allein und mir vorstellen, was hätte sein können.

Ich hätte schreien können, doch ein leises Geräusch riss mich aus meinen Gedanken. Ich sah auf. Da war es wieder. Pling. Pling. Etwas flog gegen meine Fensterscheibe, etwas kleines, dunkles. Leicht unsicher stand ich auf und ging zu der riesigen Glasfront hinüber. Da erkannte ich die kleinen Kieselsteine, die gegen die Scheibe prallten. Und ich erkannte, wer sie nach oben geworfen hatte.

Ich stütze mich am Rahmen ab und sah hinunter und dann setzte mein Herz kurz aus. Ganz ohne mein Zutun breitete sich ein Lächeln auf meinen Lippen aus. Er lächelte zurück und schnell drehte ich mich um, um nach unten zu eilen und ihm die Tür auf zumachen.

Und die Nachtigall singt | Tom Holland ffWhere stories live. Discover now