Kapitel 19

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"Hey, Ash", meldete sie sich fröhlich.

Ich musste schlucken. Man, ich war noch nie gut im Schauspielen gewesen. Wenn jetzt bloß Tom hier wäre...
"Hey, Layla! Schön dich zu hören!", sagte ich und hoffte, dass das Telefon etwas von meiner Unsicherheit verschluckte.

"Das kann ich nur erwidern! Was ist los, dass du mich zu so später Stunde noch anrufst?"

Nervös fuhr ich mir mit meiner Hand über den Hals. Verdammt, ich hätte mir vorher etwas überlegen sollen, statt einfach anzurufen!

"Ich... ähm also... weißt du meine Eltern sind nicht da und... der König... er empfängt morgen den Präsidenten der Vereinigten Staaten und -"

"Oh mein Gott! Du meinst doch nicht etwa Präsident Downey? Robert Downey?" Laylas Stimme überschlug sich beinah, als sie seinen Namen aussprach.

"Junior. Ja", erwiderte ich und fragte mich zum wiederholten Male, wie Layla es schaffte, sich für jede Person auf diesem Erdball so zu interessieren, dass sie beinahe Luftsprünge vollführte, wenn sie hörte, dass sie in ihrer Nähe waren. Ich konnte schwören, gehört zu haben, wie sie gehüpft war.

"Ach du meine Güte, ist das aufregend! Robert Downey Junior! Bei uns! Das ist ja klasse!"

"Es wird noch besser", sagte ich, froh über die Vorlage, die sie mir gegeben hatte.

"Noch besser?"

"Jap. Denn wir sind eingeladen."

"Wozu?"

"Zum Empfang."

"Welcher Empfang?"

Ich verdrehte die Augen. "Des Präsidenten! Man, du bist aber wieder langsam heute!"

"Waaaassss?!" Ich hielt das Telefon etwas weiter von meinem Ohr entfernt. Ich würde wahrscheinlich nachher noch mit dem Fiepen im Ohr zu tun haben. Ich wechselte das Telefon zur anderen Seite und hörte Layla gerade noch "Ash, ist das dein Ernst?" fragen. Lächelnd nickte ich - auch wenn sie es nicht sah.

"Mein voller Ernst. Meine Eltern sind nicht da, und als Berater des Königs sollten unsere Väter jedoch anwesend sein. Naja, und da sie jetzt verhindert sind, hat man uns eingeladen, stellvertretend zu kommen."

"Oh Gott, ist das irre!" Ein Satz der die nächsten zwei Minuten ununterbrochen aus Laylas Mund kam - natürlich jedes Mal anders verpackt. Ich ließ sie reden, froh, dass sie keine unangenehmen Fragen stellte, bis sie es dann doch tat.

"Wieso hast nur du Bescheid bekommen?"

Ich schluckte. Verdammt. Da rächte sie sich, die mangelnde Vorbereitung. Ich suchte verzweifelt nach einer Antwort, aber zu meiner Erleichterung kam Layla mir zuvor.

"Ach wahrscheinlich weil dein Vater vom Rang her etwas höher ist. Daher hat man euch als erstes Bescheid gesagt."

"Genau!", stimmte ich, vielleicht etwas zu überschwänglich, zu. Um die Lage zu entschärfen, fügte ich noch hinzu: "Und dann meinte ich eben, dass ich dir auch Bescheid geben würde und jetzt rufe ich an."

"Das ist sehr lieb von dir!" Puh, sie hat nichts gemerkt, schoss es mir durch den Kopf und ich ließ mich in die Kissen sinken. Sie hat es geschluckt. Der Plan geht auf.

"Denkst du, der Prinz wird auch da sein?", fragte Layla nachdenklich und brachte mich damit fast dazu, von der Fensterbank zu kippen.

"Äh... also... ähm... keine Ahnung. Vielleicht", stotterte ich.

"Hm, ja gut. Das war wahrscheinlich nicht sehr wichtig für die Einladung."

"Äh... ne, vermutlich nicht", lachte ich, aber es klang so gekünstelt, dass ich versuchte, es mit einem Husten zu retten.

"Ob er sich noch an mich erinnert?" Ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie Layla jetzt gedankenverloren aus dem Fenster starrte, in eine ihrer orangenen Flauschdecken gehüllt, die überall in ihrem Zimmer herumlagen.

Also gut, sagte ich mir und setzte mich etwas gerader hin. Halt dich an den Plan: Ihn unbeliebt machen. "Nah, wahrscheinlich nicht", sagte ich, so gleichgültig wie möglich. "Er hat an diesem Abend mit so vielen Mädels getanzt, da erinnert er sich bestimmt nicht einmal mehr daran, was du getragen hast!"

"Man Ash, jetzt sei doch nicht wieder so pessimistisch!" Layla versuchte betroffen zu klingen, aber sie musste sich ein Lachen verkneifen. So war ich nun einmal - gegen den Prinzen und alles, was die Männerwelt für uns Frauen parat hielt. Wenn sie nur wüsste...

"Ich bin keinesfalls pessimistisch, nur-"

"Nur realistisch, jaja, ich weiß."

Es entstand eine kurze Pause, dann sagte ich: "Ich will nur nicht, dass du dir zu viele Hoffnungen machst." Ich bereute den Satz, nachdem ich ihn ausgesprochen hatte, aber mir blieb nichts anderes übrig. Stattdessen biss ich mir auf die Lippe, um mein schlechtes Gewissen zu unterdrücken und lauschte Laylas Reaktion. Die erstaunlich lang ausblieb.

"Layla?"

"Du musst aufhören, dir immer so viele Sorgen um mich zu machen."

Ich wollte schreien. Hier saß ich und belog meine Freundin wegen eines Kerls! Gut, es war nicht irgendein Kerl, überhaupt nicht, es war Tom und er war einfach fantastisch - aber trotzdem! Ich fühlte mich schlecht und fragte mich, ob Toms Idee tatsächlich so gut gewesen war.

"Ja vielleicht sollte ich das."

Wieder eine Pause. Vielleicht war es das, was Lillian und mich so verband - wir hatten uns immer etwas zu erzählen, auch wenn es der größte Schwachsinn war. Aber Schweigen taten wir so gut wie nie.

"Wann ist der Empfang denn morgen?" Noch so eine Frage, die mich aus dem Konzept brachte. Wieder mal hatte er mir nichts gesagt. Nur dass wir kommen sollten.

"Ähm... puh, da müsste ich jetzt nochmal nachsehen. Ich schreib dir nachher nochmal,  okay?"

"Ist gut!"

Wir beendeten das Telefonat mit einem kurzen "Gute Nacht", dann war ich wieder allein in meinem Zimmer. Schritt eins war geschafft. Jetzt musste ich nur noch herausfinden, wann Schritt zwei-

Es klopfte an der Tür. "Miss Ashley?"

"Herein!"

Einer der Wachmänner, die vorhin an der Tür gestanden hatten, steckte den Kopf durch die Tür. "Entschuldigen Sie die Störung, aber ich soll Ihnen das hier geben." Er streckte mir einen Zettel hin.

Ich sprang auf und kam zu ihm hinüber. "Was ist das?", fragte ich im Laufen und griff nach dem kleinen, unscheinbaren Papier.

"Ich weiß es nicht. Ich soll es Ihnen von Prinz Thomas geben."

Mein Herz hüpfte. "Vielen Dank!" Der Wachmann nickte und verschwand durch die Tür.

Zitternd faltete ich den Zettel auf. Da standen schwarz auf weiß Uhrzeit, Ort und sein Name in geschwungener Handschrift. Er hatte also dran gedacht. Lächelnd ließ ich mich auf mein Bett fallen.  Schon morgen würde ich ihn wiedersehen. Und jetzt wusste ich sogar wann.

Ich tippte schnell noch die Informationen in mein Handy, um sie Layla zu schicken - Ihre Antwort lautete: "Was?! So früh schon? Wann soll ich mich denn da fertig machen?" - dann rief ich nach Amy und begann, mich für die Nacht fertig zu machen.

Und die Nachtigall singt | Tom Holland ffWhere stories live. Discover now